Heimatgeschichte:Ein Meisterwerk aus sechs Händen

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Ein Werk, das verbindet: Grafiker Christoph Pittner, Doris Richter von der Gemeindeverwaltung, Festredner Rudolf Neumaier vom Bayerischen Landesverein für Heimatpflege und Bürgermeister Stefan Schelle (von links). (Foto: Sebastian Gabriel)

Die neue Ortschronik von Oberhaching, an der Beate Spindler und André Lorenz sowie Grafiker Christoph Pittner drei Jahre lang im Auftrag der Gemeinde gearbeitet haben, kommt nicht wie ein Geschichtsbuch daher, sondern eher wie ein buntes Journal.

Von Michael Morosow, Oberhaching

Heimatbücher sind epochale Werke, sie laden die Leserschaft auf einen Streifzug durch die Geschichte des Ortes ein und liefern dazu historische Zahlen und Daten aus allen Bereichen des gesellschaftlichen, politischen, kirchlichen, sportlichen und kulturellen Lebens, angefangen von der ersten Ortserwähnung bis in unsere Zeit hineinreichend. Verfasser solcher Arbeiten setzen im Laufe ihrer Recherchen gerne Staub an, verbringen sie doch die meiste Zeit in Archiven, um etwa wirklich alle Hoffolgen, Feuerwehrkommandanten, Schulrektoren, Pfarrer und Bürgermeister dokumentieren zu können. In dieser Hinsicht hat sich der Oberhachinger Pfarrer und Heimatforscher Karl Hobmair bereits im vorigen Jahrhundert hervorgetan, als er 1949 zum Anlass des 1200-jährigen Bestehens der Gemeinde einen historischen Abriss der Gemeinde lieferte und 1979 das "Hachinger Heimatbuch" nachschob, das heute noch in vielen Bücherregalen im Hachinger Tal steht.

Hobmairs Arbeiten sind eine Pflichtlektüre für geschichtsbewusste Zeitgenossen, jetzt hat die moderne Gemeinde ein weiteres folgen lassen. Am Donnerstag im gut gefüllten Bürgersaal beim Forstner wurde aus Anlass der anstehenden Feierlichkeiten zum 1275-jährigen Bestehen des Ortes bei Bier und Brezen ein weiteres geschichtliches Werk vorgestellt: ein noch nie dagewesenes, wie Rudolf Neumaier, der Geschäftsführer des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege in München, in seiner Festrede sagte. Neumaier überschlug sich geradezu bei seiner Wertschätzung für das Buch. "Es ist ein Meisterwerk, Herr Bürgermeister", sagte er, und Gemeindechef Stefan Schelle - in kurzer Lederhose, Weste und Haferlschuhen - freute sich sichtbar über diese Anerkennung.

Fast so sehr wie die Verfasser des Werkes, Beate Spindler und André Lorenz sowie der Grafiker Christoph Pittner, die im Auftrag der Gemeinde über drei Jahre lang damit beschäftigt waren und dabei auf engagierte Mithilfe von geschichtsinteressierten Rathausangestellten setzen konnten. Die Gemeinde hat sich ihr Jubiläumsbuch einiges kosten lassen, durch den Verkauf der Bücher zum Einzelpreis von 24 Euro kommen laut Bürgermeister Schelle die Kosten bei Weitem nicht herein.

Was also ist das Besondere an dem Buch? Zuallererst ist es kein klassisches Geschichtsbuch, sondern kommt eher wie ein buntes Journal daher, in dem es auf jeder Seite menschelt. Die Macher vernachlässigten dabei die Pflicht keineswegs, widmeten sich aber mit Hingabe der Kür, also bunten Themen wie zum Beispiel dem legendären Wirt der Kugler Alm und der angeblich von ihm erfunden Radlermass, dem Skispringen dereinst auf einer Schanze im Gleißental, dem Stammtisch von Meister Eder im Kandlerwirt zu Oberbiberg oder der Herstellung einer der ältesten und außergewöhnlichsten Lederhose in Oberhaching.

560 Seiten stark ist das Buch - und doch ohne Längen

Die Ortschronik ist 560 Seiten stark und kommt dennoch ohne Längen aus. Kein Thema wird episch behandelt, in der Kürze liegt die Würze. Viele kleine Bausteine ergeben das große Ganze, "ein buntes Journal", wie es in einem Pressetext des Rathauses heißt. Einen großen Anteil daran hat Christoph Pittner, der mit allerlei grafischen Mitteln dem Ganzen jene Lockerheit verlieh, die zum Blättern darin reizt. Etwas längere Abhandlungen findet man auch, etwa zu Pfarrer und Heimatforscher Hobmair, der sich ja schlecht in seinen eigenen Werken hatte vorstellen können, und auch zur düsteren Zeit in Oberhaching zwischen 1933 und 1945.

Auch hierbei unterscheidet sich das Buch von anderen historischen Werken, in denen Opfer und Widerstandskämpfer vorkommen, nicht aber die Täter. So liest man über die katholische Widerstandskämpferin Josefine Schlager und über den Kopf der Freiheitsaktion Bayern, Rupprecht Gerngroß, aber auch über die glühende Nationalsozialistin Eleonore Bauer, die bei Menschenversuchen mitmachte und sich von KZ-Häftlingen in Oberhaching ein Haus bauen ließ. Man erfährt, dass Johann Reichhart aus Deisenhofen einer der drei Henker der Nazis war und unter anderen die Geschwister Scholl und deren Freund Christoph Probst mit der Guillotine hingerichtet hat.

Das Buch ist in drei Kapiteln aufgeteilt. Unter "Wo kommen wir her?" wird der geschichtliche Teil abgearbeitet, unter "Da geht was" weitgehend das Erreichte in den vergangenen 25 Jahren und im Kapitel "Das macht uns aus" geht es, kurz gesagt, um die DNA der Gemeinde, um ihr Verständnis von Geschichte und Tradition, das Vereinsleben und die besonderen Menschen, die hier leben. Sie kommen in Interviews zu Wort oder werden mit Bild und kurzem Text vorgestellt: ein schönes Foto, 13 Wörter Text - und schon ist Benedikt Zeisel, der neue Kontaktbeamte der Polizei, der Leserschaft bekannt. Getränkehändler Klaus Tremmel-Hartig aus Furth nennt wie andere aus dem Ort seinen Lieblingsplatz: "Am Schlagerberg abends, wenn die Sonne untergeht."

Auch Flucht und Integration werden thematisiert, so kommen der Holzhändler Klaus Dexl und sein "Topmitarbeiter" Eddy Ehimwenma jeweils in Interviews zu Wort. Auch das ist besonders an diesem Buch: Es ist nicht nur für die Menschen in Oberhaching gemacht, sondern auch mit ihnen. Unfein habe man nicht nur die Damen im Ort, sondern auch die Ortsteile unterschieden, steht unter dem Titel "In aller Munde" zu lesen: die Deisenhofener Damen, die Oberhachinger Frauen und die Further Weiber.

Das Buch ist erhältlich im Bürgerbüro, in der Bibliothek und bei Buch Kempter in Deisenhofen. In einer früheren Fassung hieß es irrtümlich, das Buch sei auch beim Oberhachinger Getränke Service Tremmel sowie vom 29. Mai bis 9. Juni im Festzelt der 1275-Jahrfeier zu erwerben.

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