Oberhaching:Großer Bahnhof für Menschen mit Handicap

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Katharina Inselkammer betreibt bereits in der "Kunst-Werk-Küche" im Werksviertel ein inklusives Restaurant. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Wiesn-Wirtin Katharina Inselkammer übernimmt mit ihrer gemeinnützigen GmbH das Stationsgebäude in Deisenhofen, um dort eine Inklusionsgaststätte mit Kochschule nach dem Vorbild ihrer Münchner "Kunst-Werk-Küche" zu betreiben. Zunächst aber soll der denkmalgeschützte Bau auf Gemeindekosten saniert werden.

Von Iris Hilberth, Oberhaching: Inklusion in der Bahnhofsgaststätte

Monopoly-Spieler wissen: Wenn es einen Bahnhof zu kaufen gibt, dann greif zu. Das dachte sich auch die Gemeinde Oberhaching, als sie vor mittlerweile zehn Jahren für 400 000 Euro der Deutschen Bahn das alte Backsteingebäude an der Station Deisenhofen abkaufte. Pläne, den bald 150 Jahre alten Bahnhof in einen Gastronomiebetrieb umzubauen hat es seither einige gegeben. Jetzt wird die Idee, in dem denkmalgeschützten Gebäude eine Inklusionsgaststätte mit Pension zu betreiben, endlich konkret. Der Gemeinderat hat am Mittwochabend einstimmig die Weichen gestellt. Und geht der sportliche Zeitplan der Planer auf, kann Pächterin Katharina Inselkammer schon an Weihnachten dort mit ihren Mitarbeitern auf das neue Projekt anstoßen.

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Bis dahin soll der Bahnhof komplett entkernt und denkmalgerecht saniert werden. Im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss soll eine Gaststätte mit 50 Plätzen und ein Veranstaltungsraum mit Gaststube entstehen. Im Dachgeschoss sind vier Wohnungen als Wohngemeinschaft für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Inklusionsbetriebs geplant. Auch soll es einen Biergarten mit einem Kiosk in Form eines alten Eisenbahnwaggons geben. "Wir wollen das Gebäude retten und ein Juwel erhalten. Schließlich hat hier früher sogar der Orient-Express gehalten, um den Zug mit Lebensmittel zu beladen", sagte Architektin Carolin Dolic von der Bau- und Projektentwicklungs GmbH SBP.

Die Fassade des Deisenhofener Bahnhofsgebäude soll unverändert bleiben. (Foto: Angelika Bardehle)

Eine Vorplanung für den Umbau und die Sanierung sowie einen Grundsatzbeschluss für einen inklusiven Gastronomiebetrieb gab es 2018 schon einmal. Zur Finanzierung gründete die Gemeinde gemeinsam mit der Karl-Hopfner-Stiftung eine gemeinnützige Gesellschaft, die "Bahnhof Deisenhofen gGmbH". Als Betreiber der Gastronomie war damals das Kolping-Bildungswerk vorgesehen. Der gesamte Deal war daran geknüpft, dass es der Gemeinde gelingt, auch die notwendigen Teilflächen um das Bahnhofsgebäude zu erwerben. Und das dauerte länger, als die Beteiligten wohl zunächst vermutet hatten. Der damalige Architekt ist bereits im Ruhestand, das Kolping-Bildungswerk zog sich vor vier Jahren zurück. Die Gesellschaft, die zu 51 Prozent der Stiftung und zu 49 Prozent der Gemeinde gehört, bestand aber weiterhin, ebenso deren Interesse, die Idee umzusetzen. Die Frage war nun: mit wem?

"Menschen können mehr, als eine Gabel von links nach rechts zu sortieren"

Katharina Inselkammer ist nicht nur Wiesn-Wirtin. Sie betreibt mit der "Kunst-Werk-Küche" im Münchner Werksviertel bereits erfolgreich ein Restaurant mit Kochschule, in der sie Menschen mit Behinderung in den laufenden Betrieb einbindet und ausbildet. "Ein Herzensprojekt", wie sie sagt. Sie glaube an echte Inklusion: "Menschen können mehr, als eine Gabel von links nach rechts zu sortieren", erläuterte sie dem Gemeinderat ihre Überzeugung.

Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) war sich sicher gewesen, dass Inselkammer die Richtige für das Projekt sein würde. Er hatte versucht, auf der Wiesn mit ihr Kontakt aufzunehmen und seine Visitenkarte dagelassen. "Mein Büro hat mich dann immer wieder daran erinnert, dass da ein Bürgermeister ist, er immer wieder anruft", erzählte Inselkammer in der Gemeinderatssitzung. Bei einem Treffen stellte Schelle ihr das Deisenhofener Projekt vor und übergab ihr ein Buch über den Bahnhof. "Und als ich dann auf der dritten Seite meinen Urururgroßvater entdeckte, der einst den Bahnhof gebaut hat, war für mich die Sache klar. Ich glaube nicht an Zufälle", sagt sie.

In der Kunst-Werk-Küche von Wiesn-Wirtin Katharina Inselkammer arbeiten elf Menschen mit Behinderung. Ein ganz ähnliches Projekt soll jetzt im Deisenhofener Bahnhof umgesetzt werden. (Foto: privat)

Woran Katharina Inselkammer allerdings glaubt, sind die Fähigkeiten und Qualitäten eines jeden Menschen, die gefunden und gefördert gehören. Die Besonderheit werde zur Stärke, entwickele sich zu mehr Selbstbewusstsein und ermögliche selbstbestimmtes Leben. Daher will sie in dem neuen Projekt im Deisenhofener Bahnhof auch wieder eine Kochschule einrichten und im Hotelfach ausbilden - deshalb auch die Gästezimmer ganz oben im Gebäude "für besondere Mitarbeiter", wie sie sagt.

Nachdem es der Gemeinde 2021 dann doch gelungen war, der Bahn die Flächen rund um das Gebäude abzukaufen, hat sie mit der "Bahnhof Deisenhofen gGmbH" einen Vertrag über 50 Jahre geschlossen zu einem symbolischen Erbbauzins von 100 Euro pro Jahr. Die gGmbH wiederum hat mit der gemeinnützigen GmbH von Katharina Inselkammer einen Pachtertrag ausgehandelt und das Architektenbüro beauftragt. Dieses Vorgehen hat für die Gemeinde den Vorteil, dass sie nicht europaweit ausschreiben muss und keine Umsatzsteuer anfällt.

Knapp sechs Millionen Euro werden die Beteiligten dennoch in die Hand nehmen müssen. Die Gemeinde übernimmt davon 3,7 Millionen für die denkmalgerechte und energetische Gebäudesanierung, den Rest muss die "Bahnhof Deisenhofen gGmbH" für den Umbau auftreiben. Stifter Karl Hopfer, der ebenfalls in der Gemeinderatssitzung um Zustimmung für das Projekt warb, gibt zwar zu, dass es noch eine finanzielle Lücke gibt. Doch sei er zuversichtlich diese durch Spenden schließen zu können.

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