1275 Jahre Oberhaching:Wie Schüler ihre Heimat sehen

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Detailaufnahmen von der Maibaumwache und anderen Ereignissen: Tiger Ferguson zeigt Jugendkultur am Ort. (Foto: Sebastian Gabriel)

In der Ausstellung "Timelines" zeigen Abiturienten unterschiedliche Blickwinkel auf ihre Gemeinde. Es ist der Auftakt zu einer umfangreichen Veranstaltungsreihe mit einer Festwoche im Juni.

Von Iris Hilberth, Oberhaching

Man muss nicht lange rätseln, worum es in der neuen Ausstellung im Oberhachinger Rathaus wohl geht. Kaum eine Stellwand, eine Installation oder ein Objekt kommt ohne den ortsprägenden weißen Kirchturm aus. Es gibt ihn digital oder gemalt, riesengroß oder etwas versteckter, als Ganzes oder im Detail. St. Stephan ist in der Schau des Gymnasiums omnipräsent.

Das ist aber auch kein Wunder, schließlich gehört St. Stephan zu Oberhaching wie die Frauenkirche zu München. Der Kirchturm findet sich im Wappen und im modernen Logo, auch die junge Generation sieht ihn offenbar als das identitätsstiftende Wahrzeichen der Gemeinde, die sich heuer selbst feiert: 1275 Jahre Oberhaching. Mit der Ausstellung "Timelines" setzen sich 13 Schülerinnen und Schüler des Kunst-Additums mit der Geschichte ihres Ortes auseinander und bieten mit dem Auftakt einer umfangreichen Veranstaltungsreihe im Jubiläumsjahr einen erfrischenden Blick auf die Gemeinde.

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Kunst-Lehrerin Margit Wunderle eröffnete am Dienstagabend die Präsentation mit einem Zitat des Autors und Kunsthistorikers Florian Illies, der kürzlich ein Werk über den Maler Caspar David Friedrich (1774-1840) vorgelegt hat und im November den Ehrenpreis des Bayerischen Buchpreises verliehen bekam: "Jede Gegenwart ist nur eine Ruine der Zukunft. Und jede Vergangenheit nur eine Stellprobe für die Gegenwart."

Wunderle hat ihre Zwölftklässler durch den Ort geschickt, ihren eigenen Blickwinkel auf Oberhaching zu finden. "Recherchieren, forschen, hinterfragen" formulierte sie den Dreiklang, den sie den jungen Künstlern auf den Weg gegeben hatte. Es ging um Rückblicke, die Betrachtung der Gegenwart, aber auch Blicke in die Zukunft. Daher auch der Titel "Timelines", auf den man sich vor gut einem Jahr verständigt hat. Der lasse viel Offenheit und Mehrdeutigkeit zu, sagte Wunderle.

Bürgermeister Stefan Schelle (links) begrüßt die Gäste der Ausstellungseröffnung "Timelines". Kunstlehrerin Margit Wunderle (Zweite von links) und Schulleiter Andreas Lauer (Dritter von links) freuen sich über die Werke der Schülerinnen und Schüler. (Foto: Sebastian Gabriel)

Dass dann St. Stephan bei den Schülern als Schlüsselmotiv herausgekommen sei, überrascht sie nicht wirklich. "Aber ich konnte es nicht ausbremsen", gestand sie mit einem Augenzwinkern und verwies auch auf Ausstellungsstücken mit anderer Thematiken, etwa zu Oberhachings berühmten Frauen, zu den Vereinen oder unter dem Titel "Angekommen", den Bahnhof Deisenhofen mit S-Bahn.

Die Vielfalt der Werke, die ganz unterschiedlichen Sichtweisen auf Oberhaching, die Perspektivwechsel und vielfältigen Techniken wie Zeichnung, Malerei, Fotografie, Objekt und Installation machen Wunderle stolz auf ihre Schülerinnen und Schüler. "Ich habe eine begeisterungsfähige junge Truppe", sagte sie bei der Vernissage. Zumal die Oberhachinger Schule eigentlich ein naturwissenschaftliches Gymnasium ist, da sei es gar nicht so selbstverständlich, dass ein Kunst-Additum unterstützt werde. Allerdings habe die Gemeinde auch eine "sehr kunstaffine Schülerschaft mit Elternhäusern, die Wert darauf legen", so Wunderle. Schulleiter Andreas Lauer bezeichnete die Ausstellung als "Highlight der Schulbiografie" und lobte das "Riesenengagement"der Fachschaft Kunst, die "viel Liebe zum Detail" gezeigt habe.

So kann man Oberhaching auch sehen. Ausstellungseröffnung "Timelines" im Rathaus. (Foto: Sebastian Gabriel)

Etwa Tiger Ferguson, der mit seinen Fotografien begeisterte. Er hat Feste, Trachten und Feiern wie das Aufstellen des Maibaums dokumentiert und mit Detailaufnahmen "Hopfen und Malz" in den Mittelpunkt gerückt. Besonders bemerkenswert sind auch seine Bilder von feiernden Jugendlichen, die er in Schwarz-Weiß ausstellt. "Sie sind zunächst eher zufällig bei der Maibaumwache in Oberbiberg und beim Further Bachfest entstanden", erzählt er. Es spiegelt nicht nur die Jugendkultur der Gemeinde wider, sondern für ihn persönlich bedeuten diese Feste auch Integration. Er kam in der 1. Klasse nach Oberhaching und ist heute in der Freiwilligen Feuerwehr aktiv. "Ohne die Feuerwehr wäre ich nie so in den Ort integriert", sagt er. Das ist sein Blick auf das Oberhachinger Leben.

St. Stephan in Motion Design. (Foto: Sebastian Gabriel)

Viel Aufmerksamkeit bekam auch Tassilo Schrezenmeier, der mit einer Videoinstallation überrascht - natürlich zeigt er die Kirche St. Stephan, die sich in verschiedenen Linien immer wieder aufbaut: Motion Design in 3D. Schrezenmeier ist versiert in dieser Technik, er hat bereits ein Praktikum in diesem Bereich absolviert.

Aber auch die großflächige Malerei von Marlen Vink sticht ins Auge. "Sie erinnert an Bühnenbilder und der Betrachter soll sie bespielen, selbst zum Akteur werden", erläuterte Wunderle die Idee, die dahintersteckt, dass die Besucher - womöglich auch Hochzeitsgäste im Rathaus - Fotos vor der großen Wand machen. Zu sehen ist dort - wen wundert' s - St. Stephan. Und bei einem anderen Werk eröffnet der Blick auf die Kirchturmuhr neue Gedankengänge: Es ist fünf vor zwölf.

Bitte fotografieren - und zwar sich selbst vor dem Bild von St. Stephan. (Foto: Sebastian Gabriel)

Hausherr Stefan Schelle ist begeistert von den Werken der Abiturienten, die noch bis 23. Februar im Rathaus zu sehen sind. Das seien sehr "individuelle Arbeiten", findet der Bürgermeister. Oberhaching habe eine lange Geschichte, "und noch nie haben die Menschen eine so gute Zeit gehabt wie wir". Es sei notwendig, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen und nach vorne zu schauen. "Identität ist wichtig, um seine eigene Heimat zu gestalten", so Schelle. Er hoffe, dass alle aus dem Jubiläumsjahr viel mitnehmen und Freude haben.

Im März folgt eine weitere Ausstellung mit dem Titel "Oberhaching im Laufe der Jahre". Die große Festwoche findet vom 29. Mai bis 6. Juni statt.

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