Neuried:Die Tücken des Erbpacht-Modells

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Das Areal hinter dem alten Rathaus in Neuried soll in Erbpacht vergeben und mit Wohnungen bebaut werden. (Foto: Catherina Hess)

Der Gemeinderat muss abwägen, welche Vorgaben er für die Bebauung des Grundstücks hinter dem alten Rathaus beschließen kann, ohne mögliche Investoren zu verschrecken.

Von Annette Jäger, Neuried

Der Neurieder Gemeinderat unternimmt gerade eine Gratwanderung. Das Gremium muss die Kriterien für den Investorenwettbewerb zur Vermarktung des Grundstücks hinter dem alten Rathaus festlegen, auf dem Wohnungen entstehen sollen. Dabei wollen die Gemeinderäte einerseits den optimalen Preis erzielen und gleichzeitig müssen sie abwägen, welche Vorgaben sie machen, etwa was die Nachhaltigkeit des Baus angeht, die verwendeten Baumaterialien, die architektonische Gestaltung oder den Anteil der sozialen Wohnraumnutzung. Denn jede Auflage bringt Abstriche am Preis. Dass das Grundstück in Erbpacht vergeben wird, ist eine zusätzliche Hürde.

Für die Gemeinde ist dies "Neuland", wie Bauamtsleiter Andreas Braun sagt. Üblicherweise wird ein Grundstück an einen Investor verkauft - wie dieser dort gewinnbringend Wohn- und Geschäftsräume entwickelt, muss er selbst kalkulieren. Beim Erbpachtkonzept läuft das genau andersherum. "Wir müssen uns überlegen, was attraktiv für den Investor sein könnte", sagt Braun. Wie viele Vorgaben kann man machen, ohne zu viele Einbußen am Erbpachtzins hinnehmen zu müssen? Bürgermeister Harald Zipfel (SPD) macht das an Beispielen fest: "Eine gewünschte Fassadenbegrünung ist teuer und senkt den Erbpachtzins. Fordern wir, dass der Investor auch die öffentlichen Flächen erstellt und pflastert, sinkt ebenfalls der Erbpachtzins."

Die Liste der sogenannten "einschränkenden Parameter", oder auch "Fesseln" wie der Bürgermeister sie nennt, lässt sich beliebig fortführen. "Wir müssen entscheiden, was uns wichtig ist", sagt Zipfel. Über dem Abwägungsprozess schwebt laut Braun immer der Artikel 75 der Gemeindeordnung. Darin ist festgelegt, dass kein Grundstück unter Wert vergeben werden darf. Was passiert, wenn die eingereichten Angebote unter dem Wert des Grundstücks liegen, will Braun nicht weiterdenken. "Das werden wir tunlichst vermeiden."

"Das ist unser Sahnestückchen", sagt Bauamtsleiter Andreas Braun

Beraten wird die Gemeinde von Rechtsanwälten und einem spezialisierten Beratungsbüro. Erste Kriterien wurden bereits in der jüngsten Bauausschusssitzung beraten. "Das ist ein laufender Prozess", sagt Braun, der sich über die kommenden Wochen ziehen werde. In der Sitzung wurde deutlich, dass Vorgaben zur architektonischen Gestaltung zu den unverzichtbaren Kriterien gehören könnten. "Es geht uns doch nicht nur um den Preis", sagte Mechthild von der Mülbe (SPD). Auch Bauamtsleiter Braun gab zu, sich "unwohl" zu fühlen, wenn keinerlei Gestaltungskriterien vorgegeben werden. "Das ist unser Sahnestückchen", sagt er über das Grundstück in der Ortsmitte. Einfacher war die Entscheidung im Bauausschuss über den Anteil der sozialen Bodennutzung, den ein Investor erfüllen muss: 30 Prozent der neuen Wohnungen sollen für sozial schwächere Mieter erstellt werden und nicht 20 Prozent wie es bei der Bebauung des ehemaligen Hettlage-Areals galt. In der Gemeinderatssitzung am 27. September sollen erste Kriterien final beschlossen werden.

Entscheiden muss der Gemeinderat auch über das Vergabeverfahren. Die Anwälte raten zum zweistufigen Verfahren, das Möglichkeiten zur Verhandlung mit den Investoren im Wettbewerb bietet. Zipfel sieht das skeptisch. "Kriegen wir damit wirklich, was wir wollen?", fragte er in der Sitzung. Beim Teilneubau der kürzlich fertiggestellten Grundschule sei etwa in aufwendigen Verhandlungen ein Holzbau festgelegt worden, hinterher kam dann doch ein Betonbau dabei heraus, der lediglich eine Holzfassade erhalten hat. "Da sind wir mit dem zweistufigen Verfahren auf die Nase gefallen."

Der Verkauf des Grundstücks zu Erbpachtkonditionen ist zum jetzigen Zeitpunkt eine Herausforderung. "Es gibt Unsicherheiten, was die Zinsentwicklung angeht", sagte die beratende Anwältin in der Sitzung. Noch dazu explodieren gerade die Baukosten. All das macht die Kalkulation für einen Investor zu einer Herausforderung. Zipfel sieht das "nicht so kritisch", wie er sagt: "Wissen wir, wie viel besser der Markt in Zukunft wird? Lieber verkaufen wir jetzt als noch später." Er habe viele Anfragen von Investoren auf dem Tisch, die sich endlich bewerben wollen. Bauamtsleiter Braun beobachtet sogar einen "Paradigmenwechsel" in der Branche: Der Umstieg auf Erbpacht - sonst nicht das beliebteste Investitionsmodell - sei für einige Projektentwickler durchaus interessant. Denn sie müssten in diesen unwägbaren Zeiten nicht gleich die ganze Kaufsumme auf den Tisch legen, sondern könnten mit einer niedrigen Einmalzahlung einsteigen.

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