Verkehr:Der Norden sagt Nein zur MVV-Tarifreform

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  • Mit allem politischen Gewicht will sich Unterschleißheim gegen eine Abschiebung in den neuen Ring 2 des MVV verwahren.
  • Unterschleißheims Stadtpolitiker fänden eine Einstufung nach Potenzial gerechtfertigt.
  • Garchings Bürgermeister Dietmar Gruchmann äußerte sein Unverständnis darüber, Garching und die Universität nicht in die Kernzone aufzunehmen.

Von Klaus Bachhuber und Gudrun Passarge, Unterschleißheim/Garching

Die MVV-Tarifrefom treibt die Nordkommunen um. Mit allem politischen Gewicht will sich Unterschleißheim gegen eine Abschiebung in den neuen Ring 2 verwahren. Einstimmig hat der Stadtrat am Donnerstagabend eine Aufnahme der größten Stadt des Landkreises mit ihren 30 000 Einwohnern und 16 000 Arbeitsplätzen in das künftige Kerngebiet gefordert. Eine Ausgliederung in den zweiten Tarifring sei "nicht hinnehmbar", schimpfte Bürgermeister Christoph Böck (SPD).

"Das trägt nicht dazu bei, Verkehr auf die Schiene zu bekommen." Auch der Garchinger Stadtrat setzt sich vehement für Nachbesserungen ein. Der ganze Landkreis, insbesondere aber die Nordgemeinden sollten in den Innenbereich eingeordnet werden, so die Forderung aus dem Garchinger Stadtrat, der parallel am Donnerstag tagte.

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Für Unterschleißheim seien die Konsequenzen aus der Tarifreform zwar "teilweise moderat", bilanzierte Thomas Stockerl, der Referent des Bürgermeisters, in Teilen aber "eine wesentliche Verschlechterung". Für manche Ziel- oder Startpunkte in München verteuere sich eine Monatskarte von 80 auf 119 Euro und damit um rund 50 Prozent, hat die Stadtverwaltung nachgerechnet. Die Tageskarte von Unterschleißheim zum Flughafen werde ebenfalls um die Hälfte teurer. Ob man die Einstufung nach der Luftlinie bemisst oder nach der Fahrtstrecke - in beiden Sichtweisen gebe es Haltepunkte, die ungünstiger liegen als Unterschleißheim und Lohhof, dennoch aber zur Kernzone oder mindestens zum Ring 1 gehören. Dies sei "eine nachteilige Ungleichbehandlung", formuliert es die Stadt in ihrer Stellungnahme, die an Landrat Christoph Göbel (CSU) als Vertreter im MVV-Aufsichtsrat geht und ebenso an das bayerische Verkehrsministerium als weiteren Teilhaber.

"Himmelschreiende Ungerechtigkeit"

Unterschleißheims Stadtpolitiker fänden eine Einstufung nach Potenzial gerechtfertigt. Dieses sei bei 30 000 Einwohnern, knapp 11 000 Arbeitspendlern aus der Stadt und weiteren 13 000, die zu ihren Arbeitsplätzen nach Unterschleißheim kommen müssen, maximal gegeben, so die Argumentation der Stadt. Zum Erreichen des Ziels, die Attraktivität des Nahverkehrs zu steigern, sei die Verteuerung "kontraproduktiv", so Stockerl.

Eine Einstufung in den Ring 2 würde daher "nicht das tatsächliche Potenzial abbilden und auch nicht dem Prinzip der Tarifgerechtigkeit entsprechen", so das Fazit. Hatte die Stadtverwaltung noch empfohlen, die Verschiebung in Ring 1 zu fordern und eine Aufnahme ins Kerngebiet als Fernziel aller der Kommunen der Nordallianz anzusehen, so beschloss der Stadtrat einhellig, sofort ein "Upgrade" ins Kerngebiet zu beantragen.

Eine Ausgliederung in Ring 2 sei "lächerlich", schimpfte SPD-Sprecherin Annegret Harms. Für die Stadt sei dies "ein ärgerlicher Rückschritt". Brigitte Weinzierl (CSU) gab zu bedenken, dass eine Einstufung in die Kernzone bedeuten würde, dass in jedem Fall der Halt Lohhof dann der äußerste Punkt der Zone wäre und folglich wohl von vielen Autofahrern angesteuert würde. Manfred Riederle (FDP) wütete über eine "himmelschreiende Ungerechtigkeit", der MVV erdreiste sich "zu einer absoluten Frechheit". Parallel zur faktischen Tariferhöhung für Unterschleißheim werde auch noch das Angebot drastisch schlechter. "Die Leistungen des MVV haben langsam die Grenze zur Unerträglichkeit überschritten", sagte Riederle angesichts permanenter Verspätungen und Zugausfälle. Die S-Bahn-Betreiber seien "maximal unfähig".

Die seit Jahren artikulierte Kritik an den S-Bahn-Pannen hat der Stadtrat allerdings nicht in sein Schreiben aufgenommen, das sich explizit nur mit der Tarifreform befasst. "Man kann hier noch verhandeln", zeigte sich Bürgermeister Böck davon überzeugt, dass die Situation noch nicht zementiert ist.

Sehr verärgert zeigte sich am Donnerstag auch Garchings Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD). Er verstehe die Entscheidung nicht, Garching und die Universität nicht in die Kernzone aufzunehmen. Billiger könne man keinen Anreiz schaffen, Leute zum Umsteigen auf S- und U-Bahn zu bewegen. Garching soll künftig zur Zone 1 gehören, der Forschungscampus zur Zone 2. Das widerspreche der Aussage, keine Kommune solle durch eine Tarifgrenze durchschnitten werden, so Gruchmann.

Die Stadträte unterstützten einen Antrag der Nordallianz auf Ausweitung des Innenraums, diskutierten aber, ob wirklich der ganze Landkreis inklusive kleiner Gemeinden wie Aying genannt werden solle. Der Bürgermeister betonte, es gehe darum, mit einer Stimme zu sprechen. Der Beschluss fiel einstimmig.

© SZ vom 28.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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