Corona-Pandemie:Immer weniger Kinder lernen das Schwimmen

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Die Mitarbeiter der Wasserrettungsorganisationen im Landkreis müssen in diesem Sommer besonders wachsam sein. (Foto: Florian Peljak)

In der Corona-Pandemie verstärkt sich dieser ohnehin schon riskante Trend. Lebensretter und Trainer mahnen Eltern zu verstärkter Wachsamkeit an den Badeseen.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Schon der einfache Blick nach draußen verrät, dass es den Neoprenanzug braucht. Die Wasserwachtler haben bereits Anfang Mai den Unterföhringer Feringasee auf Vordermann gebracht, die Bojenkette im eiskalten Wasser verankert, die den Schwimm- und Sportbereich voneinander trennt, und die Wachhütte hergerichtet. Denn, es ist dieser Tage kaum zu glauben, die Badesaison steht vor der Tür, und seit dem vergangenen Freitag sind auch die Freibäder wieder geöffnet. "Das wir ein herausfordernder Sommer unter dann immer noch außerordentlichen Bedingungen", sagt Daniela Haupt, Pressesprecherin des Kreisverbands München der Wasserwacht. Denn noch immer wird dann das Coronavirus im Alltag der Menschen eine große Rolle spielen - und es hat zudem dazu geführt, dass immer weniger Kinder das Schwimmen lernen. Es droht also Gefahr in den Schwimmbädern und an den Seen des Landkreises.

Beim Schwimmverein Ottobrunn (SVO) würden in normalen Zeiten dieser Tage eigentlich die Seepferdchen-Kurse stattfinden in mehreren Gruppen mit je 20 Kindern, fünf Wochen lang. Zwei Mal in der Woche für alle Buben und Mädchen. Intensivkurse also, in denen die Grundschulkinder auf die Situation im Wasser vorbereitet werden. Kurse, die Leben retten sollen. Bei den Riemerlingen Haien sind dies in der Regel um die 400 Kinder im Jahr. "Die Kinder lernen bei uns wirklich zu schwimmen, also oben zu bleiben", sagt Abteilungsleiter Steffen Lenz. "Aber das findet jetzt das zweite Jahr nicht statt. Das ist ein echtes Problem."

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Eine Studie der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) aus dem Jahr 2017 hat ergeben, dass 59 Prozent der zehnjährigen Buben und Mädchen in Deutschland keine sicheren Schwimmer sind. Ein Trend, so Lenz, der sich seit Jahren abzeichne: "Es werden Jahr für Jahr immer weniger Kinder, die schwimmen können." Und dadurch, sagte der Abteilungsleiter der Haie, steige auch das Risiko an den Seen und in den Freibädern im Sommer. Lebensretterin Haupt sagt, vor allem die Eltern müssten wachsam sein und hält eine Mahnung bereit: "Lassen Sie Ihre Kinder am See nicht aus den Augen."

Einen Kurs haben die Trainer des SV Ottobrunn im vergangenen Corona-Jahr durchgebracht, mit gerade einmal zehn Kindern. Die längste Zeit war das gemeindeeigene Phönixbad seither ohnehin geschlossen und ist es immer noch. Und der eine Kurs habe dann auch noch länger gedauert als eigentlich angesetzt. "Wegen Quarantänemaßnahmen", sagt Nicole Zipf, Geschäftsleiterin des Schwimmvereins. Zwei Generationen an Kindern lernen also nicht oder kaum mehr das Schwimmen. Zipf sagt aber auch: "Viele, die es vor Corona gelernt haben, verlernen es auch wieder."Auch darin stecke ein Risiko, sagt sie: "Denn die Eltern denken sich, mein Kind hat doch vor ein, zwei Jahren das Schwimmen gelernt. Das macht sie sorglos und das Risiko, dass etwas passiert, steigt."

Hätte das Unterschleißheimer Aquariush dieser Tage geöffnet, würden sich dort auf sechs Bahnen gleichzeitig Kinder im 45-Minuten-Rhythmus auf ihr Seepferdchen vorbereiten. Die Stadt und der SV Lohhof legen großen Wert darauf, dass die Grundschüler im Wasser fit gemacht werden, um nicht in Gefahr zu geraten. "Best Praxis" nennt SV-Präsidentin Brigitte Weinzierl, die auch für die CSU im Stadtrat sitzt, dass Projekt der Stadt, mit dem zu normalen Zeiten das Schwimmtraining von Grundschulkindern finanziert wird; sogenannte Begleiter üben dann mit Zwei- und Drittklässlern, um dadurch auch die Trainer der Schwimmabteilung des SV zu entlasten. Dass all dies derzeit nicht stattfinden kann, sei "brutal", sagt Weinzierl. "Ich sehe schon eine sehr große Gefahr an den Seen im Sommer", so die Präsidentin. "Wenn ein Kind keine 25 Meter mehr über Wasser bleiben kann, dann steigt das Risiko, dann haben wir echt ein Problem."

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Etwa 300 Kinder haben beim mitgliederstärksten Sportverein des Landkreises in Vor-Corona-Zeiten jährlich ihr Seepferdchen gemacht. Weinzierl sagt, sie hoffe stark, die Mitglieder nach der Krise wieder zurückgewinnen zu können. Aber so die Vorsitzende mit Blick auf die Schwimmfähigkeiten der Kinder, es werde sicher "eine Lücke" bleiben.

Und diese Lücke könnte dadurch größer werden, dass in den kommenden Jahren Kapazitäten in den Bädern wegfallen und die Schwimmvereine um Zeiten in den verbleibenden Anlagen konkurrieren. Die Heimat der Riemerlinger Haie, das Hohenbrunner Hallenbad, ist bereits geschlossen, wird in absehbarer Zeit abgerissen und neu aufgebaut. Das wird einige Jahre dauern. Haie-Abteilungsleiter Lenz sagt, er schaue sich derzeit in allen Nachbarkommunen mit Freibädern nach Trainingszeiten um, aber das sei nahezu aussichtslos. "Ich weiß gar nicht, wo wir hin sollen", klagt er. Denn auch andere Kommunen hätten mit ihren Bädern zu kämpfen, das Pullacher Freizeitbad ist ebenfalls eine Ruine und wird abgerissen, das Hallenbad in Ebersberg ist ein Sanierungsfall.

Wo also sollen die Hohenbrunner Kinder das Schwimmen lernen? Lenz hofft, dass der Verein die Krise und vor allem die Phase ohne eigenes Hallenbad überhaupt überstehen kann.

© SZ vom 25.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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