Geschlechtergerechte Sprache:Sternchen sind eher schnuppe

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Statement zum Thema Genderdebatte: Das Wort Bewohner ist mit einem Aufkleber gegendert. (Foto: U. J. Alexander/imago images)

Während das Haarer Rathaus Gendern aus der externen Kommunikation verbannt hat, sehen es andere Kommunen entspannter. Eine Sensibilität für das Thema ist aber da, alle sollen angesprochen werden.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis München

Vor zwei Jahren hätte in der Gemeinde Haar fast eine kleine Revolution stattgefunden, die manch einen zur Weißglut getrieben hätte. Damals kamen die Grünen im Gemeinderat auf die Idee, dem noch namenlosen Platz vor dem Poststadel einen eher ungewöhnlichen Namen zu geben, der aus ihrer Sicht aber alle Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde eingebunden hätte: "Bürger*innenplatz" befanden die Gemeinderäte der Grünen, sei eine angemessene Bezeichnung. Dass es nicht so kam, lag vor allem daran, dass der Name mit den Gender-Sternchen bei einer Bürgerbefragung durchfiel. Heute heißt der Platz Haarer Anger - obwohl bei dem Votum eigentlich eine Mehrheit für Postwiesn gestimmt hatte.

Das Thema Gendern aber wird in der Gemeinde nach wie vor heiß thematisiert. Vor allem nach dem Entschluss von Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) aus der vorvergangenen Woche, Sternchen, Doppelpunkte oder Unterstriche aus der externen Kommunikation seines Rathauses zu verbannen. Bukowski argumentiert dabei, er folge lediglich der Beschlusslage des Rates der Deutschen Rechtschreibung - und der hatte unlängst darauf verzichtet, neue Empfehlungen oder einheitliche Richtlinien für eine geschlechterneutrale Rechtschreibung vorzugeben. Damit, so Haars Rathauschef, kehre das Rathaus zurück zur "deutschen Rechtschreibung".

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Wie aber handhaben andere Kommunen im Landkreis München den Umgang mit der geschlechtergerechten Sprache? Mit "Sehr geehrte Damen und Herren" begrüßt Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) die Besucher auf der Homepage der Gemeinde. "Und wenn ich eine Veranstaltung habe, dann sage ich auch 'Liebe Bürgerinnen und Bürger'. Da sind dann schon alle mit dabei", sagt Greulich. "Aber bei uns in der Verwaltung gibt es zu dem Thema keinen dogmatischen Streit." Und dementsprechend auch keine klaren Vorgaben, ob und vor allem wie gegendert werden soll. "Ich will das auch nicht zu hoch hängen. Mir ist Gleichberechtigung sehr wichtig. Aber mit solchen Diskussionen lenke ich auch von den wirklich wichtigen Themen ab", sagt Ismanings Rathauschef. "Es geht mir um die Sache. Und mir ist wichtig, dass ich meine Botschaften loswerde." Dass in den Ismaninger Ortsnachrichten auch mal ein Sternchen vorkomme - daran stört sich Greulich nicht.

Im Landratsamt sollen "die Mitarbeitenden" möglichst geschlechtsneutral formulieren

Anders sieht es dagegen im Münchner Landratsamt aus. Die Behörde von Landrat Christoph Göbel (CSU) hat sich selbst klare sprachliche Regelungen verordnet, die in den sogenannten Gestaltungsrichtlinien des Landratsamtes zu finden sind - und mit denen Frauen und Männer gleich behandelt werden sollen. Eine klare Regelung besagt dabei, dass durch den Verzicht auf sogenannte Sparschreibungen - also etwa das Binnen-I oder Schrägstriche, aber auch Sternchen - die Formulierungen in Schriftstücken, Verordnungen, Sitzungsvorlagen zitierfähig bleiben und vorgelesen werden können. Der Sprachfluss also nicht unterbrochen wird. Die "Mitarbeitenden", so schreibt eine Pressesprecherin, seien aber dazu angehalten, auf eine geschlechtergerechte Sprache zu achten und möglichst geschlechtsneutrale Begriffe wie etwa "die Beschäftigten, die Mitglieder" zu verwenden sowie auf sogenannte Geschlechtsabstraktionen wie "das Gericht, die Lehrerschaft, das Kollegium" zurückzugreifen oder Paarformen zu bilden. Das wird auch in vielen Sitzungsvorlagen so getan, wenn etwa von "Schülerinnen und Schülern" die Rede ist - denn die weibliche Form soll stets zuerst genannt werden.

"Also bei uns gibt es da keine Vorgaben"

Es gibt aber auch Menschen, die mit dem Thema Gendern weniger gelassen umgehen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zieht immer wieder gegen geschlechtergerechte Sprache und Wokeness und Cancel Culture ins Feld - egal, ob an Schulen, Unis, Behörden oder sonst wo. Eine Gender-Pflicht in Bayern werde es nicht geben, stellt der Ministerpräsident immer wieder klar - auch wenn eine solche eigentlich von niemandem gefordert wird.

"Also bei uns gibt es da keine Vorgaben", sagt Grasbrunns Bürgermeister Klaus Korneder (SPD). "Da macht eigentlich jeder, was er will." Aber natürlich versuchten er selbst und seine Verwaltung, konsequent alle anzusprechen. Er selbst habe sich auch das Buch "Gendern - ganz einfach!" des Duden-Verlags gekauft. Ganz durchgekommen sei er durch das Werk aber nicht, gesteht er. "Denn entweder du machst aus dem Thema Gendern ein Schulfach, oder du lässt jedem ein Stück Freiheit", sagt Korneder. "Die Sprache soll ja nicht gestelzt daherkommen."

Im Pullacher Rathaus ist das Gendern einem Sprecher zufolge "kein akutes Thema, dass dringend weg müsste oder gefördert werden müsste. Aber, so der Mitarbeiter von Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne), die Verwaltung bemühe sich zu gendern, auch wenn es nicht die eine Vorgabe gebe. Punktuell gebe es auch mal ein Sternchen oder "andere Ausprägungen, denn alle Bürgerinnen und Bürger sollten sich angesprochen fühlen.

Haars Bürgermeister Bukowski will das Gendern auch nicht zum Streitpunkt werden lassen, es müsse weiter offen über das Thema diskutiert werden, sagt er. Und intern könne ohnehin jeder kommunizieren, wie er oder sie will.

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