Verkehr:Der Radschnellweg kommt langsam voran

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Auf acht Kilometern können Radler auf Baden-Württembergs erstem Radschnellweg zwischen Böblingen und Stuttgart bequem radeln. (Foto: Christoph Schmidt/dpa)

Im kommenden Jahr soll in Garching der erste Abschnitt im nördlichen Landkreis München gebaut werden. Bis die gesamte Trasse fertiggestellt wird, kann es allerdings noch einige Jahre dauern.

Von Martin Mühlfenzl, Garching

Auf den letzten Metern kurz vor der Autostadt Stuttgart geht es noch über eine Brücke über die A 8. Unten rauschen auf acht Spuren die Autos und Lastwagen durch, der Lärm des Verkehrs dröhnt nach oben. Direkt am Stuttgarter Stadtrand, vor dem Stadtbezirk Vaihingen, treffen gewissermaßen die Vergangenheit und Zukunft der Verkehrspolitik aufeinander: Über der Autobahn schwebt der erste Radschnellweg Baden-Württembergs von Böblingen bis nach Stuttgart, eine acht Kilometer lange Trasse, die seit drei Jahren viele Menschen dazu bewegt, das Auto mal stehen zu lassen oder gleich ganz auf das Fahrrad umzusteigen. Was in Baden-Württemberg funktioniert, soll nun auch endlich im Raum München umgesetzt werden - nach mehr als siebenjähriger Planungszeit.

In einer nicht allzu fernen Zukunft sollen die Pendler auf einer Länge von insgesamt 23 Kilometern vom Münchner Stachus bis Garching und Unterschleißheim komfortabel und sicher radeln können. In München haben vor wenigen Wochen die Arbeiten am ersten, etwa 500 Meter langen Abschnitt vom Lenbachplatz bis zum Platz der Opfer des Nationalsozialismus begonnen. Nun soll in Garching im kommenden Jahr das erste, etwa 2,8 Kilometer lange Fragment außerhalb der Landeshauptstadt errichtet werden.

"Ich kann und will keinen Zeitraum nennen", sagt die Planerin

Wann der komplette Radschnellweg fertiggestellt sein wird, steht aber immer noch in den Sternen. "Ich kann und will keinen Zeitraum nennen", sagt Tanja Sartorius, die beim Staatlichen Bauamt Freising für die Bundes-, Staats- und Kreisstraßen im Landkreis München verantwortlich zeichnet. Und damit bezieht sie sich explizit nicht auf die Trassenführung auf Garchinger Stadtgebiet, denn den Bau dort verantwortet der Landkreis selbst. Für die Strecke von der Grenze zur Landeshauptstadt bis zur Kreuzung der B 471 mit der B 13 und weiter auch den Abschnitt nach Unterschleißheim ist das Staatliche Bauamt zuständig.

In Garching sollen Radler schnell vom Rad auf die U-Bahn und umgekehrt umsteigen können. (Foto: Sonja Marzoner)

Und das macht die Sache etwas komplizierter, respektive der Umstand, dass der Radschnellweg direkt an einer Bundesstraße gebaut wird. Die Trasse von Böblingen nach Stuttgart etwa verläuft fast ausschließlich durch ein Waldgebiet, was die Planungszeiten deutlich vereinfacht hat. "Da wir uns aber hier im Landkreis München an einer Bundesstraße befinden, ist ein Planfeststellungsverfahren notwendig", erläutert Sartorius - und die Dauer eines solchen Verfahrens könne kaum eingeschätzt werden. "Weil das auch der erste Radschnellweg überhaupt ist, den wir planen", sagt die Mitarbeiterin im Staatlichen Bauamt.

Auf Garchinger Stadtgebiet gestaltet sich die Sache mittlerweile etwas einfacher, gleichwohl in der jüngeren Vergangenheit vor allem in der Universitätsstadt um die richtige Trassenführung heftig gerungen worden war, denn der Platz dort ist beengt. Die nun erarbeitete Lösung hat letztlich auch den Stadtrat überzeugt, obwohl sie mit einigen kniffligen Besonderheiten verbunden ist. So müssen etwa drei neue, große Ingenieurbauwerke ausschließlich für den Radverkehr errichtet werden. Und dieser Aufwand, so heißt es aus dem Münchner Landratsamt, verhindere es auch, die insgesamt 7,1 Kilometer lange Trasse innerhalb Garchings in einem Zuge zu verwirklichen.

Realisiert wird daher zunächst von kommendem Jahr an der Abschnitt von der Kreuzung der B 471 mit der B 13 am südwestlichen Rande von Garching-Hochbrück in Richtung Osten entlang des Schleißheimer Kanals, von dort nach Norden in Richtung U-Bahnhof Hochbrück und schließlich bis zum Parkplatz an der Daimlerstraße, wo der Radschnellweg an die bestehenden Fuß- und Radwege anschließt. Die Kosten für den Bau werden nur für diesen Abschnitt auf etwa 3,6 Millionen Euro geschätzt. Von 2024 an sollen dann die weiteren Abschnitte angegangen werden, um auch die Technische Universität im Norden der Stadt anzuschließen.

Einwendungen von Betroffenen können den Genehmigungsprozess verlangsamen

Der Landkreis München realisiert die Trasse in Garching in einer sogenannten Sonderbaulast in Eigenregie, hinzu kommt, dass die Strecke größtenteils auf Flächen verläuft, die der Stadt selbst gehören; der Erwerb von Grundstücken in Privatbesitz konnte "weitestgehend abgeschlossen" werden, heißt es aus dem Landratsamt. All das trägt dazu bei, das Projekt zumindest innerhalb der Universitätsstadt zu beschleunigen.

Für den Abschnitt von der Grenze zur Landeshauptstadt bis zur Kreuzung der beiden Bundesstraßen aber wird erst im kommenden Jahr das Planfeststellungsverfahren eingeleitet. Und dieses kann durchaus einige Tücken beinhalten. Denn sobald das Planfeststellungsverfahren bei der Regierung von Oberbayern eingegangen ist, können Betroffene Einwendungen abgeben. Und es sei überhaupt nicht absehbar, wie viele das sein werden, erklärt Sartorius vom Straßenbauamt. "Und es macht dann schon einen Unterschied, ob es 1000 oder 10 000 sind", sagt sie - auch deshalb sei es unseriös, einen Zeitraum zu nennen. Vielleicht, so Sartorius, führe das Image von einem "grünen Projekt" dazu, dass es weniger Bedenken gebe, allerdings könne auch die angedachte Breite von sechs Metern, die einen Radschnellweg nun einmal auszeichnet, dazu führen, dass mehr Einwände dagegen eingingen.

Für den Abschnitt von der Kreuzung der beiden Bundesstraßen nach Unterschleißheim wird derzeit ein Vorentwurf im Staatlichen Bauamt erstellt. Dabei geht es vor allem darum, wo genau die Trasse verlaufen soll. Auch Belange von Flora und Fauna müssten beachtet werden, so Sartorius. "Wir müssen sehen, was da lebt, und auch die Ergebnisse der Kartierungen abwarten", sagt die Planerin. "Und wir haben hier auch sehr beengte Verhältnisse, das gilt es zu berücksichtigen."

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Bis - wie von der Politik erhofft - Tausende Pendler am Tag auf dem ersten Radschnellweg Bayerns unterwegs sein werden, kann es also noch dauern. Ein Erfolgsmodell wie jenes von Böblingen nach Stuttgart soll er dann aber schon werden. Dort erfasste eine Zählstelle schon nach knapp eineinhalb Jahren weit mehr als eine halbe Million Pendler. Darauf setzen auch die Mitglieder im Bauausschuss des Kreistags, der sich an diesem Donnerstag mit dem Projekt beschäftigen und den ersten, kleinen Abschnitt in Garching auf den Weg bringen soll.

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