Energiekrise:"Das bleibt alles an uns hängen"

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Auch hoch moderne Bäder wie das im Lore-Malsch-Haus in Hohenbrunn verbrauchen viel Energie. (Foto: Claus Schunk)

Viele Alten- und Pflegeheime bleiben auf den stark gestiegenen Energiekosten zunächst sitzen. Frieren sollen die Senioren aber auf keinen Fall.

Von Timo Schmidt, Landkreis München

"Es wird sportlich." Der Ausdruck fällt im Gespräch mit Dorothea Homann öfter. Der Begriff scheint allerdings eine ziemliche Untertreibung zu sein, angesichts der ungewissen Zukunft, die die Leiterin des Seniorenzentrums Unterföhring erwartet. Zwar heizt die Einrichtung dort per Erdwärme, doch Homann ist sich sicher, dass auch ihr Seniorenheim noch mit höheren Energiepreisen zu kämpfen haben wird. Denn: Die Kosten ausgleichen können die Träger vorerst nicht. "Das bleibt alles an uns hängen", sagt Homann.

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"Das Thema Energie beschäftigt uns schon seit Jahresbeginn", sagt Hans Kopp, Geschäftsführer des Kreisverbands der Arbeiterwohlfahrt München (Awo). Der Verband unterhält elf Wohn- und Pflegeheime in und um München, unter anderem auch in Neubiberg und Oberschleißheim. Geheizt wird in den Einrichtungen mit Gas, Öl und Fernwärme, erklärt Kopp. Bei allen Energieformen zeigt die Preiskurve spätestens seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine steil nach oben: So haben sich die Kosten für Gas für Privatkunden nach Berechnungen des Vergleichsportals Verivox seit einem Jahr knapp verdreifacht. Heizöl-Verbraucher zahlen aktuell im Schnitt doppelt so viel wie im Januar. Und die Münchner Stadtwerke mussten im Mai beispielsweise rechnerisch begründen, warum ihr aktueller Fernwärme-Preis insgesamt 116 Prozent über dem des Vorjahres lag. Angesichts dieser Zahlen überrascht die Prognose von Awo-Geschäftsführer Hans Kopp nicht. "Für den Bereich Mehrkosten rechnen wir mit Mehrkosten von rund 800 000 Euro."

Die Kosten können nicht einfach auf die Heimbewohner umgelegt werden

Das Problem für Pflege-Träger wie die AWO: Die zusätzlichen Kosten können sie nicht einfach auf die Heimbewohner umlegen. Das liegt zum einen an den Verträgen mit den Pflegebedürftigen selbst. Darin sind die Kosten für die Leistungen während der Pflege geregelt. Den Preis berechnet das Pflegeunternehmen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Heißt: Eine unvorhergesehene Explosion der Energiepreise trifft die Träger schwer. Hinzu kommt, dass die Anpassung der Pflegesätze nur einmal im Jahr mit den Pflegekassen und Sozialhilfeträgern verhandelt wird. Gerade angesichts rasanter Preisentwicklungen lägen die Kosten, die die Kassen übernehmen, und der reale Preis aber teilweise weit auseinander, meint Dorothea Homann, Leiterin des Seniorenzentrums Unterföhring.

Für Alten- und Pflegeheime sind die hohen Energiepreise noch in anderer Hinsicht problematisch. "Wir heizen ja auch im Sommer", sagt Homann. "Alte Menschen friert es nun einmal schneller." In ihrer Einrichtung gebe es zum Beispiel eine Seniorin, die auch bei 34 Grad draußen stets eine Wolldecke mit sich trage. Hans Kopp, Awo-Kreisverband-Geschäftsführer, wendet ein: "Natürlich haben wir in diesem Jahr einen sehr heißen Sommer, da müssen wir dann auch tendenziell weniger heizen." Nichtsdestotrotz gibt auch er an: "Bei uns läuft die Heizung fast immer." Frieren soll von den Senioren keiner.

Angesichts dieses hohen Verbrauchs ist es den Pflegeheimen wichtig, möglichst Energie zu sparen. Die Senioren um ihre Mithilfe zu bitten, sei dabei eigentlich gar nicht nötig, meint Dorothea Homann. "Sie sind sowieso in einer entbehrungsreichen Zeit groß geworden. Sparen ist für sie kein Problem." Vielmehr weise sie die Mitarbeiter und Pfleger verstärkt darauf hin, dass Fenster geschlossen, leere Räume nicht beheizt oder Lichter auf menschenleeren Gängen ausgeschaltet werden sollten. Andernorts geht man sogar noch einen Schritt weiter: "Wir versuchen, bei der Raumtemperatur vielleicht ein, zwei Grad runter zu gehen, solange das für die Bewohner noch in Ordnung ist", sagt Hans Kopp. In Büroräumen wolle man sogar nur noch auf 19 Grad Raumtemperatur heizen. "Teilweise haben wir auch geprüft, ob man dort auch die Warmwasser-Versorgung aussetzen kann." Das sei jedoch wegen der Wohneinheiten in dem gleichen Gebäude nicht möglich.

Das Maria-Stadler-Haus in der Gemeinde Haar wird mit Fernwärme beheizt. (Foto: Sebastian Gabriel)

Weniger Gedanken um das richtige Energiemanagement müssen sich hingegen die Einrichtungen machen, die in einem energieeffizienten Neubau untergebracht sind. Dazu zählt etwa das 2019 fertiggestellte, per Fernwärme beheizte Maria-Stadler-Haus in Haar. Hier sind weitreichende Energiesparmaßnahmen weniger ein Thema, meint Einrichtungsleiterin Isabel Hofbauer.

Das Problem mit überbordenden Heiz- und Energiekosten ist aber nur eines von vielen, mit denen sich Pflegeeinrichtungen derzeit beschäftigen müssen: Corona bereitet der Branche weiter große Sorgen. Hinzu kommt die hohe Inflation, wobei sich in den Heimen insbesondere die stark gestiegenen Lebensmittelpreise bemerkbar machen. Dazu auf der einen Seite hohe Personalkosten, auf der anderen Seite wiederum ein großer Mangel an Pflegekräften. "Das ist im Moment ein größeres Problem als die Energiepreise", meint Hofbauer. Wegen all dieser Faktoren hat sie keinen Zweifel daran, dass in Zukunft Pflegebedürftige mit höheren Kosten rechnen müssen. "Unsere Bewohner sind schon informiert worden, dass Preissteigerungen anstehen."

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