Corona-Lage:Landrat hält an Impfpflicht fest

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"Hilfloses Chaos": Landrat Christoph Göbel übt heftige Kritik an der Bundesregierung wegen der Impfpflicht-Debatte - aber auch an den eigenen Parteifreunden. (Foto: Claus Schunk)

Christoph Göbel beklagt das Scheitern im Bundestag und sieht Deutschland dadurch für den Herbst unzureichend gewappnet.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis München

Das Scheitern einer Impfpflicht am Donnerstag im Bundestag findet auch im Landkreis München seinen Nachhall. Landrat Christoph Göbel (CSU), selbst klarer Verfechter einer allgemeinen Impfpflicht, übt angesichts des Ausgangs der Abstimmung sowie der Verhandlungen im Vorfeld heftige Kritik an der Bundespolitik. "Wenn eine Mehrheit im Bundestag findet, dass Viren im Herbst nicht mehr gefährlich sind, dann kann ich nur hoffen, dass sie recht hat", sagte Göbel in seinem wöchentlichen Corona-Pressegespräch am Freitag. Durch den unwürdigen Prozess rund um die Impfpflicht sei die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, "bewusst" vom Parlament zerstört worden. Das Vertrauen der Bürger in die parlamentarische Demokratie habe dadurch schweren Schaden genommen, so der Landrat - "meines auch".

Göbel hat sich von Anfang an für eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen und steht weiter zu dieser Haltung: "Ich bleibe dabei, denn es geht darum, für den Herbst gewappnet zu sein." Es gehe darum, erneute Einschränkungen des öffentlichen Lebens und eine Überlastung des Gesundheitswesens zu verhindern. Die Bundesregierung aber habe dies verhindert, weil sie keinen eigenen Vorschlag zu einer Impfpflicht vorgelegt habe. Stattdessen habe sie nur "hilfloses Chaos" ausgelöst. Göbel spart aber auch nicht mit Kritik am ganzen Parlament: "Über alle Fraktionen hinweg" seien parteipolitische Spielchen gespielt worden, auch von der Union, der er mangelnde Kooperationsbereitschaft vorwirft.

Die Infektionslage entspannt sich, es steht ein Sommer "ohne große Rücksichtnahme" bevor

Unterdessen wird im Landkreis München kaum noch gegen das Coronavirus geimpft. Lediglich 200 bis 300 Impfdosen werden pro Woche verabreicht. Zum absoluten Ladenhüter ist laut Referatsleiterin Ines Neupert der Totimpfstoff des Herstellers Novavax geworden, der kaum genutzt werde. Dennoch bleiben die drei Impfzentren des Landkreises in Haar, Unterschleißheim und Oberhaching der Vereinbarung mit dem Freistaat zufolge bis mindestens 31. Dezember offen, wie Landrat Göbel erklärte.

Die Infektionslage im Landkreis verliert derzeit an Dynamik, die Omikron-Welle scheint nach und nach abzuflachen. Waren Mitte März noch nahezu 3000 Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren gleichzeitig von einer Infektion betroffen, sind es aktuell nur noch um die 200. In den Alten- und Pflegeheimen ist die Zahl der infizierten Mitarbeiter ebenfalls deutlich zurückgegangen auf (Stand: Freitag) nur noch 47, unter den Bewohnern ist die Zahl der Ansteckungen in etwa gleich geblieben und liegt derzeit bei 128. Allerdings ist die Hospitalisierungsrate dem Landrat zufolge nach wie vor hoch und steigt weiter leicht, wenn auch nicht die Zahl der Menschen, die auf Intensivstationen behandelt werden. Im Landkreis liegt die Quote bei 5,7, in ganz Bayern bei 6,8.

Der Landrat geht aber allerdings auch von einer hohen Dunkelziffer bei den Infektionen aus und rechnet damit, dass diese in den kommenden Wochen immer größer werden wird. Schon jetzt sei zu beobachten, die Zahl der Corona-Tests aufgrund der weggefallenen Zugangsbeschränkungen zurückgeht. Mit Blick auf den Sommer sagte Göbel, es werde wohl eine Zeit "ohne große Rücksichtnahme" geben - soll heißen: ein Sommer der großen Freiheit. Dass die Rücknahme nahezu aller Beschränkungen dennoch weiter kontrovers diskutiert wird, sehe er an seiner eigenen Familie. "Mein eigener Sohn hat die Maske mit großer Freude abgelegt", so der Landrat. "Mein anderer Sohn trägt sie auch weiterhin in der Klasse."

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