Kunstflieger:Laute Loopings über dem Höhenkirchner Forst sorgen für Ärger

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Über den Wolken ist die Freiheit keineswegs grenzenlos. Für Kunstflieger gibt es eigens festgelegte sogenannte Kunstflugboxen. (Foto: Harry Wolfsbauer)
  • Anwohner in Höhenkirchen-Siegertsbrunn ärgern sich über den Lärm durch Kunstflieger über dem Höhenkirchner Forst.
  • Nun werden Unterschriften gegen den Lärm gesammelt, mehr als 70 Personen haben bereits unterzeichnet.
  • Eine sogenannte Kunstflugbox, in der besondere Kunstflug-Aktivitäten zugelassen sind, ist der Grund dafür, weshalb so viele Piloten in Höhenkirchen-Siegertsbrunn fliegen.

Von Bernhard Lohr, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Ihre Maschinen schießen wie Pfeile in den Himmel oder drehen sich um die eigene Achse, als würden sie in den Lüften Tänze vollführen. Und wenn die PS-starken Flugzeuge in Richtung Erde trudeln, reißen die Piloten sie wieder hoch und bringen sie auf Kurs. Kunstflieger sind Meister ihres Fachs. Sie gelten als tollkühne Zeitgenossen und sehen sich selbst viel nüchterner als Sportler, die schlicht ihr Gerät beherrschen. Ein solcher Kunstflieger zieht seit einiger Zeit über dem Höhenkirchner Forst seine Kreise. Nicht nur Bürgermeisterin Ursula Mayer (CSU) lässt das keine Ruhe.

Denn auch wenn der Pilot seine Maschine über unbebautem Waldgebiet steuert. Je nachdem, was er dort in den Lüften vollführt, ist das Aufheulen des Motors mal mehr mal weniger laut bis in die Siedlungen hinein zu hören. Mayer schilderte letztens in der Bürgerversammlung selbst, wie störend die Loopings sein können, wenn man etwa im Sommer auf der Terrasse entspannen will. Auf Mayers Initiative hin lagen Unterschriftenlisten aus, auf denen Bürger unterzeichnen konnten, die gerne hätten, dass das Rathaus sich "bei den zuständigen Stellen" zunächst einmal um eine Klärung "dieses Anliegens" bemüht, wie es relativ schwammig heißt. Mehr als 70 Personen unterzeichneten mittlerweile.

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In Höhenkirchen-Siegertsbrunn ist relativ wenig darüber bekannt, wieso sich ausgerechnet dort Piloten scheinbar grenzenlos austoben. Hintergrund ist eine sogenannte Kunstflugbox. Dabei handelt es sich um einen von der Deutschen Flugsicherung (DFS) eingerichteten exakt beschriebenen Luftraum, in dem besondere Kunstflug-Aktivitäten zugelassen sind. Die Box über dem Höhenkirchner Forst, die "SAA Höhenkirchen-Siegertsbrunn", erstreckt sich seitlich auf eine Seemeile, also 1,852 Kilometer um jenen Punkt, der durch die Koordinaten 48º 02' 00'' Nord und 011º 46' 00'' Ost definiert ist. Dort kann nach entsprechender Flugverkehrskontrollfreigabe durch die DFS von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang geflogen werden, teilt die Flugsicherung mit. Im Winter sei der Flugbetrieb in der Regel reduziert oder gar eingestellt.

Kunstfugboxen für "außergewöhnliche" Aktivitäten

Solche Kunstflugboxen werden auf Antrag eingerichtet, um dort "außergewöhnliche" Aktivitäten im Sichtflug zu ermöglichen. Diese Bereiche existieren widerruflich für die Dauer eines Kalenderjahrs und können grundsätzlich, sofern sie einmal genehmigt und bei der Flugsicherungsstelle im Luftfahrthandbuch veröffentlicht wurden, von jedem Piloten angeflogen und genutzt werden. Laut DFS-Niederlassung Süd mit Sitz am Flughafen München gibt es im eigenen Zuständigkeitsbereich 72 solcher Gebiete für besondere Aktivitäten. Das näher einzugrenzen, sei schwer. Der Zuständigkeitsbereich reicht ungefähr von Leipzig bis zum Brenner.

Bernhard Drummer ist erfahrener Kunstflieger und mehrfacher Deutscher Meister. Er kommt aus dem Raum Straubing. Er kennt die Kunstflugbox in Höhenkirchen, wenngleich er anderswo trainiert. Ein weiterer Anflug sei für Sportflieger nicht ganz unproblematisch, erklärt Drummer, weil sie dann entsprechend mehr Sprit an Bord haben müssten. Drummer vertritt beim Luftfahrtverband Bayern die Interessen der Kunstflieger und er weiß, dass er seinen Sport immer wieder erklären muss und wie sensibel mancher am Boden auf die Kapriolen am Himmel reagiert. "Ich kenne die Befindlichkeiten von Anwohnern, wenn es um Lärm geht." Es sei ein "Geben und Nehmen", sagt er und streicht heraus, dass Vorgaben einzuhalten seien. Zunächst sei die vorgeschriebene Flughöhe zu beachten. Dann gelte es, insgesamt Rücksicht walten zu lassen.

Zumindest an Sonntagen sei der Flugbetrieb "echt störend"

Bürgermeisterin Mayer findet es überhaupt erstaunlich, dass eine solche Kunstflugbox am Rathaus vorbei eingerichtet worden ist. "Ich kann mich nicht erinnern, dass wir gefragt worden sind", sagt sie. Sie möchte wissen, nach welchen Kriterien die Kunstflugbox genehmigt wurde. Zumindest an Sonntagen, sagt Mayer, wenn alle zur Ruhe kämen, sei der Flugbetrieb "echt störend".

Nach Darstellung der DFS und auch von Bernhard Drummer ist die für den Luftraum zuständige Flugsicherungsstelle für die Genehmigung zuständig. Auf Antrag würden bei dieser, wie es von der DFS heißt, "vom dafür zuständigen Fachbereich" die operativen Belange der DFS, aber auch die Besiedlungsdichte und -struktur im betroffenen Raum betrachtet und in die Beurteilung einbezogen. Dass die Gemeinde dabei nicht befragt wird, hat nach Drummers Worten schlicht damit zu tun, dass es sich um Luftraum über einer Gemeinde handelt. Und der falle nach Definition nicht unter die Gemeindehoheit.

Ob der Vorstoß der Bürgermeisterin etwas ändern wird, ist noch offen. Sandra Teleki, Sprecherin der DFS-Niederlassung München, weist jedenfalls darauf hin, dass die subjektive Wahrnehmung alleine nicht ausreiche, um von einer Lärmbelastung zu sprechen. Momentan lägen keine Hinweise vor, dass von "unzumutbarem Fluglärm" im Sinne des Gesetzes auszugehen sei. Ein Lärmgutachten wäre also erforderlich, wobei die DFS gleich ergänzt, dass "vorliegend für die DFS jedenfalls nicht ersichtlich" sei, dass die im Gesetz festgelegten Grenzwerte erreicht würden.

Kunstflieger Bernhard Brummer hat gelernt mit schwierigen Situationen umzugehen und weiß, dass man Grenzen nicht überschreiten sollte. Er fände es das Beste, die Betroffenen würden sich an einen Tisch setzen und miteinander reden. Wenn der Wunsch sei, dass die Sonntagsruhe gewahrt bleibe, dann müsste man doch zusammenfinden können. Dafür müsste sich aber der Pilot mal im Rathaus melden. Bis dato hat er das nicht getan.

© SZ vom 04.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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