Kulturausblick:Der Maler, der König und andere Vampire

Lesezeit: 4 min

2019 im richtigen Rhythmus beginnen: Die Show „Don’t stop the music“ führt durch die Geschichte des Tanzes. (Foto: Veranstalter)

Das Kulturjahr beginnt im Landkreis unter anderem mit einer Lesung über Picassos Verhältnis zu den Frauen, einem Stück über Ludwig II. und einer Bühnenversion des Helmut-Dietl-Films "Schtonk".

Von Udo Watter

Wer in der Türkei jemanden schwer schuften sieht und eine halbwegs respektable Kinderstube genossen hat, der wünscht höflich: "Colay gelsin." Das bedeutet soviel wie "Möge es dir leicht fallen" oder poetischer formuliert: "Möge es dir leicht von der Hand gehen." Es ist auch die große Kunst der Kunst, leicht zu wirken und dabei die Mühsal ihrer Entstehung zu verbergen. Eine perfekte Pirouette hat eine anstrengende Vorgeschichte, ein Bonmot entsteht nicht aus dem Nichts. Ein Leitmotiv schöpft aus vielen Inspirationsquellen ebenso wie eine originelle Formensprache.

Was das Publikum aber letztlich hören will, sind "Göttersprüche aus dem Munde eines Kindes" - so hat es Schiller genannt. Und auch der bekannteste bildende Künstler des 20. Jahrhunderts Pablo Picasso hat sich in der Hinsicht viele Gedanken gemacht: "Jedes Kind ist ein Künstler. Das Problem ist nur, wie man ein Künstler bleibt, wenn man größer wird." Über seine schöpferische Entwicklung sagt er: "Ich brauchte ein Leben lang, um so zu malen wie die Kinder."

Dem 1881 in Malaga geborenen Maler-Genie widmet sich am 25. Januar das musikalisch-literarische Kammerfestival im Bürgersaal beim Forstner in Oberhaching. "Picasso und die Frauen" - unter diesem Motto führt die in Ismaning aufgewachsene Schauspielerin Brigitte Hobmeier mit ausgewählten Texten durch den Abend, flankiert von musizierenden Begleitern. Picasso war ja nicht nur ein großer Künstler, sondern auch ein großer Verführer. Jede neue Lebensgefährtin nutzte er als Quelle der Inspiration, als Muse, und schuf dadurch Bilder voller origineller Ideen und Stile. Dass fast alle Frauen an der Seite des Egomanen und Narzissten Picasso schwer litten oder gar zugrunde gingen, ist indes auch ein Teil der Geschichte.

Brigitte Hobmeier widmet sich in Oberhaching dem Verführer Picasso. (Foto: Florian Peljak)

Wie die Kunst zu definieren sei, das wusste freilich auch Picasso nicht, und wahrscheinlich wird auch 2019 nicht das Jahr sein, in dem eine entsprechende, alle überzeugende Begriffsbestimmung gefunden wird. Vielleicht ist es ohnehin schöner, sich auf ihre Spur zu begeben, ihre Unfassbarkeit zu genießen, als letztlich ihren Wesenskern zu decouvrieren, und sie so womöglich noch zu entzaubern.

Kein Geheimnis ist, dass im Landkreis München die Anzahl und Auswahl der Wege für kulturelle Spurensuche immens ist - natürlich auch im neuen Jahr. Der vielversprechende Abend "Picasso und die Frauen", bei dem das Spannungsverhältnis von Kunst, Liebe und Leidenschaft beleuchtet wird, ist zwar schon ausverkauft - Restkarten sind am 25. Januar eventuell noch an der Abendkasse erhältlich - aber einen Tag später etwa gibt es im Rahmen des Festivals noch den (thematisch ganz anderen) Auftritt des Percussion-Ensembles Elbtonal, das für seine spektakuläre, schlagfertige Performance bekannt ist.

Überhaupt stehen gleich zu Beginn des Jahres einige Highlights an: In Unterföhring steigt etwa am 12. Januar die Premiere von Michael Endes "Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch" als Produktion des Jungen Bürgerhauses. Am Wochenende drauf folgt dann im Bürgerhaus zunächst die Premiere von John von Düffels Komödie "Helden zeugen" (Inszenierung: Theaterlust) und einen Tag später die "Unterföhringer Lachnacht".

Die groß dimensionierte Dance-Show "Don't stop the Music", die mit ambitionierten Choreografien und zu den Klängen von Welt-Hits die Entwicklung des Tanzes nachzeichnet, ist sowohl in Ottobrunn (Wolf-Ferrari-Haus, 15. Januar) als auch in Taufkirchen (Kultur- und Kongresszentrum, 26. Januar) zu sehen. Spannendes Theater gibt es zum Jahresbeginn unter anderem im Pullacher Bürgerhaus mit "Immer noch Sturm" von Peter Handke. Das Stück, das im Februar mehrmals aufgeführt wird, thematisiert den Freiheitskampf von Mitgliedern der slowenischen Volksgruppe in Kärnten zur NS-Zeit. Es ist zugleich seine Familiengeschichte, Wahrheit verwebt mit Fiktion. "Nur die Kunst kann den Rechtlosen eine Stimme geben", erklärt der Regisseur des Stücks, Robert Ciulli.

Anspruchsvolles und unterhaltsames Theater wird an den größeren Bürgerhäusern ohnehin in reicher Fülle geboten, ob in Unterhaching, Taufkirchen, Garching, Unterschleißheim oder Ottobrunn - es sind zumeist Gastspiele von namhaften Tourneetheatern. Eine Uraufführung mit Protagonisten aus der Region gibt es dagegen am 26. Januar in Haar.

Die Münchner Volkssängerbühne, deren Stammhaus seit zwei Jahren das Kleine Theater ist, zeigt ihr neues Stück "Ludwig 2.0 reloaded - Es geht wos um im Bayernland!". Autor und Regisseur Roland Beier hat ungeniert Fakten und Fiktion verwoben und eine abgefahrene Story ersonnen: Aus Ludwig II. wird ein exzentrischer Vampir, der vom Vampirjäger Doktor von Gudden verfolgt wird. Cosima Wagner und andere Damen aus des Königs Umfeld mutieren zu Vampirbräuten. Manch Besucher dürfte bei solch schrägen, erzählerischen Rahmenbedingungen sicher Blut lecken, im Februar gibt es weitere Aufführungen in Haar und eine (23.2) im Unterhachinger Kubiz.

Die Münchner Volkssängerbühne nimmt sich in Haar des Märchenkönigs an. (Foto: Münchner Volkssängerbühne)

Eine Satire, die zum Großteil das echte Leben schrieb, wird im März in Garching gezeigt: "Schtonk" nach dem Film von Helmut Dietl, der den Skandal um die gefälschten Hitlertagebücher thematisiert. Schauplatz der Vorstellung ist nicht das Bürgerhaus, sondern ein Theaterzelt am Garchinger Bürgerpark, das von Februar bis April als alternative Spielstätte fungiert. Die Sanierung des Bürgerhauses, das im Juni 1979 eröffnet wurde, also heuer 40-Jähriges feiert, zieht sich länger hin als gedacht: Die Wiedereröffnung ist für Mai geplant.

Abgesehen davon gibt es im kulturell verwöhnten Landkreis wieder großartige Klassikangebote, traditionell herausragend sind die Konzertreihen in Grünwald und Pullach, spannenden Jazz bei den "Ottobrunner Konzerten", im Ismaninger Kallmann-Museum, oder im Sommer beim Internationalen Unterföhringer Jazz-Weekend. Dort tritt diesmal mit dem legendären Latin-Jazz-Pianisten Chucho Valdés ein sechsfacher Grammy-Gewinner auf.

Picasso konnte und wollte Kunst nicht definieren, genau so wenig lässt sich der vielfach verwendbare Begriff "Kultur" konkret fest legen. Wer eine Kulturveranstaltung sucht, will unterhalten werden, der will auf gutem Niveau genießen, der will eventuell dem Alltag für ein paar Stunden entfliehen. Und manche wollen auch irritiert, verstört und inspiriert werden. Bertolt Brecht hat dem Publikum einst Schilder vorhalten lassen mit der Aufschrift "Glotzt nicht so romantisch!" Hannah Stegmayer, die Leiterin des Pullacher Bürgerhauses wiederum hat es mal so formuliert: "Wichtig ist, dass das Publikum Kultur nicht konsumiert, sondern in Wissen eintaucht, das Allgemeinmenschliche erfährt." Der Rezipient mache die Erfahrungen auf der Bühne mit, "verdichtet und in abstrahierter Form wird vorgeführt, wie das Leben funktioniert".

Große Kunst - auf der Bühne oder im vollendeten Werk kommt sie oft so virtuos und leichtfüßig daher. Aber natürlich wusste auch Picasso: "Man braucht sehr lange, um jung zu werden."

© SZ vom 08.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: