Kommunalwahl:Neue politische Farbenlehre

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Bei der Kommunalwahl sind die Stimmzettel besonders groß. (Foto: Claus Schunk)

Bei der Wahl im März sind gravierende Verschiebungen im Landkreis München nicht auszuschließen. Die Sozialdemokraten setzen auf die Strahlkraft ihrer Bürgermeister, während die Grünen auf massive Zugewinne hoffen.

Von Martin Mühlfenzl

Rot der hohe Norden, tiefschwarz der Süden. So sah die Landkreiskarte am Abend des 30. März vor knapp sechs Jahren gegen 20.30 Uhr aus, als feststand, wer künftig die Geschicke im Landratsamt am Mariahilfplatz führen wird. Die CSU hatte in Person des Gräfelfinger Bürgermeisters Christoph Göbel den Posten des Landrats von der SPD zurückerobert; in der Stichwahl setzte sich Göbel mit 55,3 Prozent gegen seine Herausforderin Annette Ganssmüller-Maluche von der SPD durch, die auf 44,7 der Stimmen kam.

Ganssmüller-Maluche konnte damals vor allem in den Nordkommunen reüssieren, lag in Unterschleißheim, Oberschleißheim, Garching, Unterföhring und ihrer Heimatgemeinde Ismaning vorne - in den restlichen 24 Kommunen holte Göbel mehr Stimmen als seine Konkurrentin.

Am 15. März kommenden Jahres kommt es erneut zu diesem Aufeinandertreffen Göbel gegen Ganssmüller-Maluche. Aber auch gegen Christoph Nadler (Grüne) und Otto Bußjäger von den Freien Wählern. Wie schon im Jahr 2014. Neu im Bewerberfeld ist der FDP-Kreisvorsitzende Michael Ritz aus Grünwald. Die Wähler müssen sich also kaum umgewöhnen.

Dass sich die Landkreiskarte allerdings noch einmal so einfärben wird, wie vor sechs Jahren, ist eher unwahrscheinlich. Schließlich hat die grüne Welle in der jüngeren Vergangenheit auch den Landkreis erfasst, bei der Europawahl im Mai dieses Jahres wurde die Ökopartei mit 23,8 Prozent klar zweitstärkste Kraft, die SPD stürzte auf zehn Prozent ab.

Ein ähnliches Bild ergab sich bei der Landtagswahl im Herbst 2018, als es den Grünen gelang, in Markus Büchler und Claudia Köhler gleich zwei Landtagsabgeordnete ins Maximilianeum zu entsenden. Der Trend lässt den Fraktionssprecher im Kreistag, Christoph Nadler, schon von der Stichwahl bei der Landratswahl träumen - für die Kreistagswahl hat er das Ziel ausgegeben, klar zweitstärkste Kraft hinter der CSU zu werden.

Nur in Putzbrunn findet keine Bürgermeisterwahl statt

Gewählt werden im Landkreis München am Sonntag, 15. März, der Landrat und die Bürgermeister in 28 von 29 Kommunen - nur in Putzbrunn findet die Bürgermeisterwahl in diesem Jahr nicht statt. Zudem gilt es, 70 Kreisräte sowie insgesamt 751 Stadt- und Gemeinderäte zu wählen. Die Wahl folgt einem getakteten Plan: Von 8 bis 18 Uhr haben nahezu 269 000 Wahlberechtigten, darunter 34 891 EU-Bürger, die Möglichkeit, ihre Stimme abzugeben, sofern sie nicht per Briefwahl abgestimmt haben.

Mit Schließung der Wahllokale wird ausgezählt, zunächst die Stimmen der Bürgermeisterwahlen, im Anschluss die Abstimmung über den Landrat - beide Ergebnisse müssen noch am Wahlabend ermittelt und dem Landesamt für Statistik mitgeteilt werden. Im Anschluss werden die Stadt- sowie Gemeinderatswahlen und dann die Kreistagswahl ausgezählt. Der neu gewählte Kreistag wird sich voraussichtlich am 11. Mai konstituieren.

Dann sind die neu gewählten, respektive wiedergewählten Bürgermeister schon einige Wochen im Amt und längst wieder im Rathaus-Alltag angekommen. Sicher ist, dass sechs Rathauschefs dann nicht mehr mit dabei sind: Werner van der Weck (SPD) aus Feldkirchen, Ursula Mayer (CSU) aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn, der Neubiberger Günter Heyland (Freie Wähler), Wolfgang Jirschik (ÜWG), der Schäftlarner Matthias Ruhdorfer (CSU) sowie Ayings Rathauschef Johann Eichler (PWH) treten allesamt nicht mehr an.

Somit versuchen 23 von 29 amtierenden Bürgermeistern ihr Glück erneut. Vor allem die Sozialdemokraten setzen darauf, dass der Wähler die Kommunalwahl nach wie vor als Persönlichkeitswahl versteht - und sich der Negativtrend der vergangenen Jahre in den Städten, Gemeinden und auf Landkreisebene nicht weiter fortsetzen wird. Denn nach wie vor ist die SPD ein absoluter Machtfaktor im Landkreis. Sie stellt derzeit zehn Bürgermeister, einen mehr als die CSU - etwa Christoph Böck in Unterschleißheim, der bevölkerungsreichsten Kommune des Landkreises. Aber auch in großen Kommunen wie der Universitätsstadt Garching, Unterhaching, Ismaning und Haar.

Doch nicht immer ist auf den Wähler Verlass. Das musste vor sechs Jahren die amtierende Garchinger Bürgermeisterin Hannelore Gabor (CSU) erfahren, die nach der ersten Runde mit 35 Prozent noch knapp vor dem Zweitplatzierten Dietmar Gruchmann (SPD) lag, sich dem Sozialdemokraten in der Stichwahl aber klar geschlagen geben musste. Der wiederum bekommt es jetzt gleich mit fünf Herausforderern zu tun - eine breite Auswahl für den Wähler, und gleich mehrere Unwägbarkeiten für den Amtsinhaber.

In Unterschleißheim wird sich Amtsinhaber Christoph Böck unter anderem dem CSU-Herausforderer Stefan Krimmer erwehren müssen, der auch im Stadtrat immer wieder auf Konfrontationskurs zum Rathauschef geht - dies darf zweifelsohne als Zeichen gewertet werden, dass den Unterschleißheimern ein harter Wahlkampf bevorsteht. Bei der außer Turnus abgehaltenen Wahl im Jahr 2013 verpasste Böck den Durchmarsch in der ersten Runde mit 49,9 Prozent der Stimmen äußerst knapp, konnte sich dann in der Stichwahl gegen Brigitte Weinzierl aber deutlich mit 68,1 Prozent durchsetzen. Ein Sieg Böcks ist für die Sozialdemokraten im Landkreis von enormer Bedeutung, gilt er doch als Gesicht der Zukunft und einer der meinungsstarken Rathauschefs - auch im Kreistag.

Dort gehört auch die Frontfrau der Grünen zu den aktiven Gestalterinnen: Susanna Tausendfreund, die erste Bürgermeisterin der Grünen im Landkreis. Seit 2014 leitet sie das Pullacher Rathaus - und die Partei erhofft sich auch angesichts der Tatsache, vor sechs Jahren in einer eine eher konservativen Gemeinde gepunktet zu haben, auch anderswo Rückenwind für die Kommunalwahl.

Etwa in Taufkirchen, wo eines der spannendsten Duelle um den Sitz im Rathaus erwartet wird. Dort bekommt es der zwar parteifreie, aber von der CSU getragene Amtsinhaber Ullrich Sander mit zwei Nachwuchskräften zu tun, die ihn aus dem Amt jagen wollen: David Grothe von den Grünen und Matteo Dolce von der SPD - beide machen sich Hoffnungen, zumindest die Stichwahl zu erreichen.

In den allermeisten Kommunen haben die Parteien ihr Personaltableau für die Gemeinde- und Stadtratslisten bereits geordnet. Die reguläre Frist für die Einreichung von Wahlvorschlägen endet am 23. Januar. Bis dahin müssen sich die Ortsverbände und -vereine auf Kandidaten und Listen verständigt haben. Es gibt allerdings noch eine Nachfrist bis zum 30. Januar. Der Wahlkampf wird dann schon längst Fahrt aufgenommen haben.

Ob in diesen dann auch die Linke und die AfD eingestiegen sind, ist noch offen. Beide Parteien, die im Landkreis bisher kaum in Erscheinung getreten sind, haben aber durchblicken lassen, zumindest Listen für die Wahl des Kreistags aufstellen zu wollen. Endgültige Entscheidungen aber stehen noch aus.

Es ist abzusehen, dass sich Verschiebungen ergeben werden. Das haben die vergangenen Wahlen - auf allen Ebenen - gezeigt. Die Freien Wähler etwa stellen im Landkreis einen nicht zu unterschätzenden Machtfaktor dar und verspüren nicht zuletzt aufgrund der Regierungsbeteiligung im Freistaat Rückenwind. Während die einst großen Volksparteien eher unter einer anhaltenden Flaute leiden.

Schon bei der Kreistagswahl vor sechs Jahren wurde deutlich, dass der so heterogene Landkreis München anders wählt als rein ländliche Regionen oder große Städte: Die CSU ist hier noch deutlich stärker als etwa in der Landeshauptstadt, während die SPD an die Ergebnisse der Kollegen in München nie heranreichen konnten. Im Landkreis sind die Freien viertstärkste Kraft, weiter draußen auf dem Land aber können sie noch stärker punkten. Und die Grünen? Die hoffen auf die berüchtigte Welle. In der Stadt und auf dem Land.

© SZ vom 02.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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