Kreis und quer:Ladehemmung in den Rathäusern

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Der Aufbau einer Infrastruktur für Elektroautos kommt nur schleppend voran. Wenn es nach Verkehrsminister Wissing geht, sollen es wieder einmal die Kommunen richten.

Kolumne von Bernhard Lohr

Sauerlachs Bürgermeisterin hat diese Woche in die Kamera gestrahlt. Es gab etwas einzuweihen. Und Barbara Bogner versprühte bei dieser Gelegenheit ansteckend gute Laune, was bei der Eröffnung der High-Speed-Stromtankstelle vielleicht auch mit dem Privileg zu tun hatte, als erste Strom zu zapfen. Der Auftritt von Bogner bot jedenfalls einen Kontrast zum Bild vieler anderer Politiker, die dieser Tage reichlich verärgert oder frustriert aus der Wäsche guckten: Desaster bei der Stammstrecke, marodes Schienennetz, Streit um Verbrennungsmotoren. Bei alldem ist fast untergegangen, dass Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) gerade dabei ist, ein neues Fass aufzumachen, das Ärger verspricht. Der Marktliberale will die Privatwirtschaft mobilisieren, um den Aufbau der Lade-Infrastruktur zu beschleunigen. Und er will die Kommunen in die Pflicht nehmen.

Das Beispiel in Sauerlach geht in die Richtung, was Wissing vorschwebt. Die Bürgermeisterin war sicher auch deshalb so erfreut über den Ultra-Schnellladepark, der auf dem Parkplatz eines Gartencenters errichtet wurde, weil das Rathaus eben keine zu große Arbeit damit hatte. Hinter dem Projekt steckt ein Privatunternehmen und finanziert wird das Ganze - da wird es richtig spannend - von der Kapitalverwaltungsgesellschaft aus Pullach, die grüne Investments propagiert und Geld von Anlegern auch in Windkraftanlagen und Solarparks steckt. Investitionen in eine nachhaltige Wirtschaft sind eben rentabel.

Doch auf die Rathäuser, die an der Basis viel bewegen können und die Verhältnisse kennen, meint der Minister nicht verzichten zu können. Hintergrund ist auch die dramatische Lage. Eine Studie hat gerade gezeigt, dass Deutschland nicht nur ein Problem mit seiner Bahn hat, sondern viel zu langsam beim Aufbau eines öffentlichen Schnellladenetzes vorankommt. Das Land dürfte das Ziel, 15 Millionen Elektrofahrzeuge bis 2030 auf die Straßen zu bringen, weit verfehlen. Im Landkreis München wurden im Jahr 2017 gerade einmal 486 reine E-Fahrzeuge angemeldet, 2021 waren es mit 4369 fast zehn Mal so viele. Ein Jahr später hat sich, Stichtag 30. Juni, die Zahl nochmal kräftig auf 7055 erhöht. Die Zahlen dürften bald deutlich schneller steigen. Ohne Ladehemmung wären noch ganz andere Größenordnungen möglich. Diese sind auch notwendig.

Doch was sollen Rathauschefs wie Barbara Bogner in Sauerlach jetzt noch tun? Sollen sie neben dem Bau- und dem Umweltamt noch ein Mobilitätsreferat einrichten? Der Deutsche Städte- und Gemeindebund lehnt es ab, die Verantwortung bei den Kommunen abzuladen. Diese seien keine Tankstellenbetreiber. Wissing will den Rathäusern, wie es heißt, in einem Masterplan eine zentrale Rolle zuschreiben, um den Aufbau zu steuern und zu beschleunigen. Vielleicht gelingt dadurch endlich eine konzertierte Aktion von Bund, Land und Kommunen. Bisher wurde zu viel dem guten Willen überlassen.

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