Kirchheim:Schwierige Operation

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Das Gesundheitsministerium sieht keinen Bedarf für eine Privatklinik in Kirchheim. Trotzdem könnte das Krankenhaus gebaut werden.

Von Christina Hertel, Kirchheim

Eigentlich braucht der Großraum München kein weiteres Klinikum. Für die geplanten 180 Betten in Kirchheim gibt es keinen Bedarf. Das hat jedenfalls der Bayerische Krankenhausplanungsausschuss jetzt festgestellt. Trotzdem kann es sein, dass ein neues Krankenhaus gebaut wird. Denn es wird ausschließlich von privaten Trägern finanziert. Laut Gesundheitsministerium kann, wenn kein öffentliches Geld im Spiel ist, fehlender Bedarf alleine kein Grund für eine Ablehnung sein. Das haben in der Vergangenheit Gerichtsurteile gezeigt.

Der Ebersberger Landrat warnt vor einer Überversorgung

Fast jedes fünfte Krankenhaus Bayerns steht im Umkreis von München. 1880 Klinikbetten gibt es hier. Die städtischen Krankenhäuser müssen in den nächsten Jahren sogar mehr als 700 Betten abbauen. Diese Zahlen hatte die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern (Arge) im Vorfeld der Entscheidung veröffentlicht, um zu zeigen, was offenbar auch der Krankenhausplanungsausschuss erkannte: Es besteht keine Notwendigkeit für eine Klinik in Kirchheim. Der Ebersberger Landrat Robert Niedergesäß (CSU) warnte sogar vor einer Überversorgung, die sich negativ auf das bestehende Angebot auswirken könnte. Trotzdem wird nun weiterverhandelt.

Bei der Sitzung des Krankenhausplanungsausschusses am Dienstag sollte abgestimmt werden, ob eine Klinik in Kirchheim in den bayerischen Krankenhausplan aufgenommen werden kann. Davon hängt ab, ob dort wie geplant auch Kassenpatienten behandelt werden dürfen.

Vom Gesundheitsministerium hieß es dazu am Mittwoch: "Die Mitglieder waren sich darin einig, dass kein Bedarf für ein zusätzliches Krankenhaus im Großraum München besteht." Allerdings nehme der Ausschuss auch zur Kenntnis, dass "nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung" ein Antrag nicht allein unter Hinweis auf den fehlenden Bedarf abgelehnt werden könne. Deshalb werde das Gesundheitsministerium weitere Gespräche mit den Antragstellern führen.

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Kirchheim plant einen ambitionierten Gesundheitscampus

Eine endgültige Entscheidung steht also aus. Kirchheims Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) will sich zu der neuesten Entwicklung erst äußern, wenn das Gesundheitsministerium ihm schriftlich geantwortet hat. Innerhalb der nächsten Tage erwartet er Post aus dem Ministerium. Auch Professor Andreas Sendler, einer der beiden Ärzte, die das Projekt initiiert haben, hält sich bedeckt. Er sei gespannt, was die Gespräche mit dem Ministerium in den nächsten Tagen bringen. Feststehe, dass das Klinikum nach einem ganz eigenen Plan errichtet werde und deshalb auch nicht mit anderen Krankenhäusern vergleichbar sei.

Gerd Kleiber (FDP), dritter Bürgermeister in Kirchheim und Unterstützer der Projekts, kündigt an: "So schnell werden alle Beteiligten sicher nicht locker lassen."

Die Pläne in Kirchheim sind ambitioniert. Dementsprechend folgenreich ist die Entscheidung. Seit kurzem ist nicht mehr nur von einem Klinikum, sondern von einem Gesundheitscampus samt Rehazentrum die Rede. In einem leer stehenden Gebäude in der Nähe der S-Bahn sollen eine Notfallambulanz, Tumor- und orthopädische Chirurgie untergebracht werden. Alles - von der Aufnahme über die Operation bis zur Entlassung - soll digital ablaufen. "Klinik 4.0" nennt sich das Konzept.

Für Kirchheim könnte das Projekt 320 neue Arbeitsplätze bringen

Gegenüber der Klinik soll auf einer 20 000 Quadratmeter großen Fläche ein Rehazentrum entstehen. Investoren haben sich laut dem Kirchheimer Bürgermeister Böltl dafür schon gemeldet. Bauen wollen sie es aber nur, wenn auch das Klinikum kommt.

Für Kirchheim wäre der Gesundheitscampus ein Prestigeprojekt: 10 000 Patienten könnten pro Jahr behandelt werden, etwa 320 neue Arbeitsplätze würden geschaffen. Doch Auswirkungen hätte es auf den gesamten Großraum München. Der Ebersberger Landrat Niedergesäß befürchtet, dass mit einem neuen Zentrum für Tumor- und orthopädische Chirurgie lukrative Fälle dem Markt entzogen werden. "Das würde die wirtschaftliche Situation der umliegenden Häuser weiter verschlechtern", so Niedergesäß.

© SZ vom 02.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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