Kolumne "Kreis und quer":Erst Gemüse, dann Gras

Lesezeit: 2 min

Bis Ostern müssen wir noch fasten - dann ist nicht nur Fleisch erlaubt, sondern auch ein Stoff, der bisher verteufelt wurde.

Kolumne von Udo Watter, Taufkirchen/Grasbrunn

Bald gehört ein guter Joint genau so zu Deutschland wie der Islam. Oder wie Aschheim zum Landkreis München. Da gerade Ramadan ist, sollten gläubige Muslime hierzulande allerdings in dieser Hinsicht noch ein Weilchen enthaltsam sein, zumindest tagsüber, da durch das Marihuana-Rauchen kleine Partikel in den Magen gelangen und so das Fasten gebrochen wird. Aber es spricht säkular-gesetzlich wohl nichts dagegen, sich von nächstem Montag an nach Sonnenuntergang Haschisch-Kekse zu gönnen.

Das Interesse am Ramadan scheint generell gestiegen zu sein. Besonders schön ist die jüngere Tradition bei der Nachbarschaftshilfe in Taufkirchen, wo Muslime und Nichtmuslime gemeinsam das Fastenbrechen im Ramadan feiern und in fruchtbarem kulturellem Austausch sind. Dieser Monat, der heuer am 9. April endet, ist auch deswegen so heilig, weil laut Überlieferung der Erzengel Gabriel dem Propheten Mohammed während des Ramadan erschienen ist und ihm den Koran offenbart hat. Das war 610 nach Christi Geburt oder zwölf Jahre vor der Hidschra, dem Auszug Mohammeds von Mekka nach Medina, der den Beginn der islamischen Zeitrechnung markiert.

Manche Aktivisten, die sonst in religiösen Dingen eher unmusikalisch sind, fordern inzwischen, dass sich jede deutsche Bio-Kartoffel aus Respekt vor den muslimischen Landsleuten doch auch mal mit dem Ramadan beschäftigen sollte. Das ist gut, aber es wäre für viele erst einmal interessant, ihre Wissenslücken in puncto christlicher Feiertage zu schließen. Das gilt sogar für Bayern. Wer kennt denn hier etwa die These, dass sich der Name "Gründonnerstag" von dem seit dem Mittelalter bezeugtem Brauch herleitet, an diesem Tag grünes Gemüse zu essen? Grünkohl, grüne Kräuter oder Spinat. Vielleicht sollte der BR mal statt "Zwischen Spessart und Karwendel" eine österliche Bildungssendung à la "Zwischen Spinat und Karsamstag" senden.

Der Gründonnerstag hat auch sonst einiges mit Essen und Konsumieren zu tun. Immerhin vollzog sich damals das letzte Abendmahl Christi: Wein und Brot. Der "Tag der Grünen" könnte sich auf die erfolgreichen Büßer beziehen, die vorher "dürres Holz" waren, aber durch Kirchenbußerlass wieder zu "grünem Holz" werden, behauptet Wikipedia. Eine schwächere These ist die Ableitung von "greinen", also "weinerlich klagen". Das tun die Christen erst am Tag darauf, dem Karfreitag. Dieser sowie die gesamte Karwoche wurzeln nominell im althochdeutschen Kara, was bedeutet: Klage, Kummer, Trauer. Gegessen wird an diesem hohen, stillen Feiertag Fisch. Das Steckerlfisch-Grillen des Grasbrunner Burschenvereins an der Maibaumwachhütte reiht sich in diese Tradition ein, quasi ein kulinarischer Akt der Buße. Gras wird in Grasbrunn wahrscheinlich erst nach Ostern geraucht.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMissbrauch beim TSV Neuried
:Wie konnten die Taten so lange unbemerkt bleiben?

Ein Fußballtrainer hat sich jahrelang sexuell an Jugendlichen vergangen. Auch nach dem Urteil bleiben Fragen: Warum ist der Verein nicht früher eingeschritten? Eine Spurensuche.

Von Annette Jäger und Lisa Marie Wimmer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: