Hitzewelle:Heiße Zeiten

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Die Luft flirrt: Im Landschaftspark Unterhaching steht die Hitze über der alten Landebahn. (Foto: Claus Schunk)

34 Grad im Schatten: Schüler schwitzen über ihren Abschlussprüfungen, Arbeiter auf den Baustellen und der Asphalt auf den Straßen wirft tiefe Rillen. Wohl dem, der an diesen Tagen im Freibad oder in der Eisdiele der Hitze ein wenig entkommen kann.

Gute Nachrichten in heißen Zeiten für die Pullacher: Von diesem Donnerstag an erweitert das Freizeitbad seine Öffnungszeiten, die Liegewiesen und Außenanlagen sind dann bis 20 Uhr anstatt wie bisher bis 18 Uhr geöffnet. Und die Abkühlung kommt auch wie gerufen, denn der Landkreis ächzt unter Rekordtemperaturen von 34 Grad und mehr. Ein Überblick, was die Hitze für Auswirkungen auf den Alltag im Landkreis München hat.

Wasser für die Prüflinge

Während so manche Gymnasiasten wohl auf Hitzefrei spekulieren, dürfte bei Mittel- und Realschülern der Kopf nicht nur wegen der hohen Temperaturen glühen: Sie schreiben diese und nächste Woche ihre Abschlussprüfungen. "Selbstverständlich haben wir Vorkehrungen getroffen", sagt Birgit Kaiser, Konrektorin der Neubiberger Realschule. Der Hausmeister habe schon um 6.30 Uhr begonnen, die Räume zu lüften - zwei Stunden bevor die 150 Zehntklässler an diesem Mittwoch ihre Deutschprüfung schrieben, ausnahmsweise nicht alle zusammen in der alten Turnhalle, sondern verteilt im Musiksaal und der neuen Sporthalle. Denn diese beiden Räume lassen sich leichter lüften.

Auch Harun Lehrer, der Schulleiter der Josef-Breher-Mittelschule in Pullach, macht sich Gedanken. Er habe den Schülern geraten, genügend Wasser mitzunehmen und lockere Kleidung anzuziehen. "Notfalls stellen wir Ventilatoren auf." Diese Woche ist laut Lehrer noch nicht allzu problematisch. Da ist an seiner Schule nur eine Klasse mit dem Schulabschluss dran. Nächste Woche aber schreiben um die 60 Jugendlichen den Quali. Der Rektor überlegt, sie im Keller zu prüfen.

Andere Schulleiter machen sich nicht so große Sorgen. Stefan Ambrosi von der Ismaninger Realschule meint: "Unsere Turnhalle hat so ein großes Luftvolumen - da werden die Schüler sicher keine Schwierigkeiten haben." Wasser lässt er für die 98 Prüflinge dennoch bereit stellen. In der Taufkirchner Realschule könnte es sogar kühler sein als in so mancher Wohnung, glaubt Direktor Gerald Faißt. Die Schule ist gerade mal vier Jahre alt und modern. Durch die Rohre im Fußboden, die im Winter erhitzt werden, läuft im Sommer kaltes Wasser - als Kühlung. Neueste Technik schafft in Taufkirchen Hitzefrei ab - nicht nur in der Prüfungszeit.

Sport wäre Mord

Das Garchinger Werner-Heisenberg-Gymnasium, seines Zeichens Leichtathletik-Stützpunkt, lässt seit Dienstag die lernplanmäßige körperliche Ertüchtigung angesichts der schweißtreibenden Temperaturen am Nachmittag ausfallen. Zum Schutz von Kindern und Jugendlichen sowie Lehrern findet in dieser Woche kein Sportunterricht in der achten und neunten Stunde statt. Auch die Leichtathletik-Kurse stehen still. An diesem Donnerstag brauchen auch alle Nicht-Sportler nicht zum Nachmittagsunterricht im WHG zu bleiben. Dieser fällt wegen der Hitze aus.

Im Schwimmbad wird es eng

Die Erfrischung im Unterhachinger Freibad könnte diesen Sommer etwas stärker ausfallen: Der Gemeinderat erwägt, die Wassertemperatur zu reduzieren. (Foto: Claus Schunk)

Was gibt es bei dieser Hitze Schöneres als kühles Nass und ein bisschen Schatten? Und so verzeichnen die Freibäder im Landkreis Besucherströme, die sie sonst unter der Woche nicht haben. "Am Montag ging es noch verhalten los, aber am Dienstag sind die Gäste dann schon reingebrochen", erzählt Heinz Effenberger, Badeaufsicht im Naturbad Furth in Oberhaching. Am Wochenende rechnet er mit mehr als 1000 Besuchern am Tag. Im Freizeitbad Pullach verzeichnet Betriebsleiter Stefan Lontzek ein Plus von zehn bis zwanzig Prozent.

Im Further Bad können sich die Gäste besonders gut abkühlen: Das Naturbad hat frische 23,5 Grad. In Pullach haben die Mitarbeiter das Außenbecken wegen der Hitze von 32 Grad auf 30 Grad heruntergekühlt. Die Badegäste verschaffen sich Abkühlung auch am Beckenrand. "Die Gäste haben so viel Eis gekauft, dass der Kiosk schon nachbestellen musste", sagt Effenberger. Sorgen um ein Plätzchen auf der Liegewiese braucht man sich trotz der vielen Besucher nicht zu machen. "Da ist immer etwas frei", sagt Lontzek. Effenberger kann das für das Naturbad Furth ebenfalls sagen.

Kochender Asphalt

Die Arbeiter Markus Ueblhör und Robert Popp behalten mit Erfrischungsgetränken einen kühlen Kopf. (Foto: Claus Schunk)

Wer von der A 9 am Kreuz Nord auf die A 99 in Richtung Salzburg wechseln will, muss Geduld aufbringen. Auf den Fahrbahnen haben sich tiefe Spurrillen gebildet. Einerseits wegen der enormen Belastung, wie Josef Seebacher, Pressesprecher der Autobahndirektion Südbayern, sagt, andererseits verstärkt durch die enorme Hitze, die vor allem dem Bitumen zusetzt. Daher ist derzeit nur eine Spur auf dem Zubringer befahrbar, es bildet sich fast durchgehend Rückstau. An der Baustelle zwischen dem Kreuz Nord und der Anschlussstelle Aschheim-Ismaning arbeiten unterdessen die Bauarbeiter unter extremsten Bedingungen. "Das ist schon hart", sagt Seebacher.

Aber die Verantwortlichen hätten auch reagiert: Asphaltiert wird fast nur noch in der Nacht, der Arbeitsbeginn ist vorverlegt und die Schichten enden meist gegen 14 Uhr. Anders, sagt Seebacher, bekomme man den frisch aufgetragenen Asphalt auch nicht mehr gekühlt. Ein Problem vergangener Jahre haben die Autobahnmeistereien dank neuer Materialien im Griff: sogenannte Blow-ups, aufgebrochene Stellen in der Betondecke, wegen der vor allem auf der A 94 die Geschwindigkeit auf 80 Stundenkilometer gedrosselt werden musste.

Gießen, gießen, gießen

Auch die Pflanzen von Luise Piltz und Rolf Wanninger aus Grünwald benötigen in der Hitze eine Abkühlung. (Foto: Angelika Bardehle)

Jeder weiß, wie schnell Schnittblumen ihre Köpfe hängen lassen, wenn es zu warm ist. Entsprechend haben die Gärtnereien in diesen Tagen einiges zu tun. "Wir müssen schauen, dass die Blumen möglichst schnell in die Kühlung kommen und die Kühlkette nicht abbricht", sagt Marielle Ertl, Inhaberin des Blumenhaus Ertl in Unterhaching. Die Pflanzen für den Außenbereich brauchen viel mehr Wasser als sonst.

"Wir gießen normalerweise zweimal pro Woche, jetzt drei bis vier Mal", sagt Ertl. Bei den Schnittblumen wird öfter kontrolliert, ob welche wegen der Hitze kaputt gegangen sind. Das Arbeitsklima in der Gärtnerei ist indes erträglich: Die abgedunkelten Fensterscheiben des Geschäfts schützen. Und wem es zu heiß wird, der kann sich in einem der zwei Kühlräume erfrischen.

Suppe gegen Flüssigkeitsmangel

Die Hitze macht vor allem älteren Menschen zu schaffen. Schwächeanfälle aufgrund hoher Temperaturen kommen hauptsächlich bei Senioren vor. In Altenheimen sollte das Personal daher in Tagen wie diesen besonders aufmerksam sein, dass die Bewohner ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen. "Das fehlende Durstgefühl und die Vergesslichkeit sind bei älteren Menschen häufig ein Problem", sagt Gisela Hüttis, Direktorin im KWA-Stift Brunneck in Ottobrunn. So stehe immer eine Karaffe mit Wasser bereit. "Aber es ist auch wichtig, die Senioren zum Trinken aufzufordern." Da in Ottobrunn jeder seine eigene Wohnung hat, seien auch die Reinigungskräfte aufgefordert, darauf zu achten, dass die Bewohner genügend Getränke auf dem Zimmer haben. Auf dem Speiseplan stünden Gerichte, die den Elektrolythaushalt ausgleichen, also Suppen und viel Rohkost. Wem es in seinem Zimmer zu heiß werde, der könne sich im schattigen Garten oder im hauseigenen Café abkühlen, dort gibt es eine Klimaanlage.

Abwarten und viel trinken

Dehydration ist auch bei Kindern eine Gefahr. Soyoun Maisch, Kinderärztin aus Unterhaching, erinnert Eltern in solchen Tagen daher daran, ihre Kleinen ausreichend zu trinken zu geben. "Aber auch die Sonne sollte man nicht unterschätzen", sagt sie. Kopfschutz sei klar, aber man sollte die Kinder auch nicht zu lange nackt planschen lassen, sondern auf ausreichend Ruhe achten. An solchen Tagen müsse nicht ununterbrochen etwas unternommen werden. Das gelte insbesondere für frisch geimpfte Kinder. In solchen Fällen rät Maisch dringend dazu, den Musikunterricht oder die Sportstunden auch mal ausfallen zu lassen.

Hitzefrei auf dem Bauhof

In Unterhaching sind sie im Sommer leicht zu erkennen: die Mitarbeiter des Baubetriebshofs. Im vergangenen Jahr wurden sie mit Strohhüten ausgestattet, um der Hitze einigermaßen zu trotzen. Die Gemeinde, sagt Pressesprecher Simon Hötzl, komme ihrer Sorgfaltspflicht aber auch mit anderen Maßnahmen nach: Für die Mitarbeiter im Außeneinsatz gibt es Sonnencreme en masse. "Und wir schicken die Leute auch früher heim. Denn ab 15 Uhr macht das keinen Sinn mehr", sagt Hötzl. "Viele sind auch froh, wen sie mehr Zeit mit der Familie verbringen können."

Der kleine Anton erfrischt sich mit einem Eis. (Foto: Claus Schunk)

Eis ist genug da

Der Mai war verregnet, daher empfindet Luca Peressutti, Inhaber dreier Eisdielen in Straßlach-Dingharting, Grünwald und Poing, die derzeitige Hitze als wunderbar: "Für uns ist das die beste Zeit." Am beliebtesten sei die Sorte "Crema Venezia", Vanilleeis mit frischer Orange und einer Schokoglasur, also eine Mischung aus Frucht- und Milcheis. Ansonsten lieben die Menschen bei Hitze Zitrone, Limone und Erdbeer. Stress bei der Eisproduktion? Nein, den kennt er nicht. "Wir bereiten alles rechtzeitig vor und haben große Geräte. Die Früchte schneiden wir auch schon vor." Alles nach Rezept vom Chef.

© SZ vom 27.06.2019 / chrh sab dabo müh dabo hilb hilb müh cw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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