Natur und Umwelt:Baumschutz contra Baurecht

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Auf einer Baustelle in Hohenbrunn sterben Bäume ab, weil die Bauherrin Auflagen zum Baumschutz missachtet. (Foto: Alessandra Schellnegger)

In Haar und Hohenbrunn verstoßen Bauherrn gegen Baumschutzverordnungen und ziehen gegen Bußgelder vor Gericht.

Von Michael Morosow, Hohenbrunn/Haar

Der Schutz des Baumbestandes steht angesichts des Klimawandels inzwischen weit oben auf den Prioritätenlisten der Städte und Gemeinden auch im Landkreis München. Bereits die Hälfte hat für sich eine Baumschutzverordnung erlassen, gleichzeitig steigt die Zahl der Klimaschutzmanager, die sich Kommunen leisten, um den wachsenden Herausforderungen durch Hitze und Trockenheit gerecht zu werden. Was auf dem Papier messerscharf formuliert ist, verliert freilich nicht selten in der Praxis seinen Nutzen - dann nämlich, wenn sich die Bauherren über die Vorschriften hinwegsetzen und lieber ein Bußgeld bezahlen als den Bauraum mit störenden Bäumen zu teilen.

Wie etwa Ende 2020 in der Gemeinde Haar, als für den Bau einer Tiefgarage im Jugendstilpark 47 Bäume gefällt wurden, darunter auch fünf mit dem Status: Besonders schützenswert. Oder ganz aktuell in Hohenbrunn, wo die Baugruben für die Errichtung einer Wohnanlage mit Tiefgarage so nahe an die Baumreihen gegraben wurden, dass Wurzelwerk zerstört wurde, daher viele Bäume dem Tod geweiht sind und die Bauherrin gegen eine kostenpflichtige Anordnung der Gemeinde vor Gericht gezogen ist.

Martina Kreder-Strugalla (links) und Angela Burkhardt-Keller machen auf die Verstöße in Hohenbrunn aufmerksam. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Ortstermin am Donnerstag in der Luitpoldstraße in Hohenbrunn mit Martina Kreder-Strugalla, der BN-Ortsbeauftragte Hohenbrunn, und Angela Burkhardt-Keller, einer zertifizierten Baumkontrolleurin von der BN-Kreisgruppe München. Kreder-Strugulla zeigt eine Kopie des Bebauungsplanes mit vier Baukörpern. 25 Wohnungen und eine Tiefgarage mit 34 Plätzen sollen entstehen, wo vor kurzem noch ein kleines Wäldchen stand. Grüne Kreise auf dem Plan zeichnen den Baumbestand ab, ein schwarzer Punkt in der Kreismitte steht jeweils für einen schützenswerten Baum.

Etwa eine mächtige Douglasie oder eine kürzlich noch gesunde mehrstämmige Eiche, die zwar noch stehen, deren Ende aber naht. Nicht einmal zwei Meter vom Baukörper entfernt stehen sie, ihre Wurzeln müssen auf einer Seite durchtrennt worden sein. Aber nicht nur das: "Die Bauherrin wurde zur Bewässerung verpflichtet, tut es aber nicht", sagt Kreder-Strugalla. Ein großer Baum brauche circa 400 Liter, erklärt Baumkontrolleurin Burkhardt-Keller. Auch von einem angeordneten Wurzelvorhang sei nichts zu sehen. Die Blätter der Eiche hängen bereits schlapp an den Zweigen. Was sie dabei besonders ärgere, sei die Tatsache, dass für die Wohnhäuser eine Firsthöhe von zwölf Metern zugelassen worden sei, um Bodenfläche zu sparen. Trotzdem füllten die Baukörper die gesamte Fläche bis nahe an die Bäume aus.

Baumschützer kündigen Konfrontation an

Wie das Landratsamt auf Nachfrage bestätigt, ist gegen die Bauherrin eine kostenpflichtige Anordnung erlassen worden, gegen die sie vor dem Verwaltungsgericht klagt. Unabhängig davon habe man aber erreicht, dass vor der Entscheidung des Gerichts ein Teil der Maßnahmen bereits umgesetzt worden sei, schreibt die Behörde. Grundsätzlich gebe es in allen Landkreiskommunen Verstöße gegen Baumschutzauflagen und -verordnungen, und nachdem jetzt immer mehr Kommunen eine Baumschutzverordnung beschließen, zuletzt etwa Neubiberg und Oberschleißheim, steige auch die Wahrscheinlichkeit, dass dagegen in Einzelfällen verstoßen wird.

Der Baumschutz ist ein Kampfthema im Jugendstilpark. Eine Gruppe von Baumfreunden hat sich gegründet. (Foto: Sebastian Gabriel)

Momentaner Schwerpunktbereich für das Thema Baumschutz sei aber der Jugendstilpark in Haar, schreibt das Landratsamt. Und so wie es aussieht, wird sich aus einer losen Interessengruppe eine Bürgerinitiative formen, die Licht hinter die widerrechtlichen Fällungen von fünf großen und gesunden Bäumen Ende 2020 im Jugendstilpark bringen will. "Wir hatten gemeint, mit der Gemeinde kooperativ zusammenarbeiten zu können, aber jetzt gehen wir auf Konfrontationskurs", kündigte Carmen Gnann am Mittwoch im Ferienausschuss des Haarer Gemeinderats an. Dieser Entschluss sei in dem Moment gefasst worden, als eine für den 8. August angesetzte Gerichtsverhandlung zum fünften Mal verschoben worden sei, beziehungsweise "weil die Gemeinde den Gerichtstermin platzen ließ", wie Gnann zur SZ sagte.

Haars Bürgermeister Andreas Bukowski wollte Gnann in öffentlicher Sitzung den Grund für die Terminabsage nicht nennen. Die Gemeinde werde schon einen Grund gehabt haben, "warum und wieso kann ich nicht sagen". Stattdessen erklärte er, es gebe im ganzen Landkreis keine Gemeinde, die den Baumschutz so ernst nähme wie Haar. "Lassen Sie die Leute in Ruhe arbeiten", sagte er zu Carmen Gnann, die nach eigenen Worten bis heute nicht weiß, worum es in der Gerichtsverhandlung gehe. Fakt ist, dass der Bauherr sich dafür entschuldigt hat, dass "aus Versehen" die fünf gesunden Bäume gefällt worden seien und er Ersatzpflanzungen vornehmen werde.

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Das freilich ist in den Augen der Baumschützer nicht genug. "Es dauert 20 Jahre, bis kleine Ersatzbäume zu für das Klima wertvollen Bäumen heranwachsen", sagt Gnann. Bukowski sagt zur SZ, er wisse es zwar nicht ganz genau, aber er gehe davon aus, dass der Bauherr gegen das verhängte Bußgeld prozessiere.

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