Haar:Bukowski warnt vor Zahlungsunfähigkeit

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Die Dibag Industriebau AG hat schon öfter Visualisierungen angefertigt, wie Gewerbe auf der Finckwiese sich darstellen könnte - etwa zur Ansiedlung von Isar Aerospace. (Foto: Dibag Industriebau AG)

Eine Ansiedlung von Isar Aerospace ist Geschichte: Trotz dringender Appelle von Bürgermeister und CSU lehnen SPD und Grüne eine zügige Entwicklung von Gewerbeflächen auf der Finckwiese ab.

Von Bernhard Lohr, Haar

Die Hoffnungen auf eine Ansiedlung der Raketenfirma Isar Aerospace haben sich zerschlagen. Und auch sonst tut sich auf der Finckwiese im Osten von Haar vorerst nichts. Denn eine Mehrheit von Grünen und SPD haben gegen CSU und FDP am Dienstag im Bauausschuss des Gemeinderats mit 9:8 Stimmen abgelehnt, dort in eine vorbereitende Planungen für eine Entwicklung als Gewerbegebiet einzusteigen. Daran änderte auch ein Appell von Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) nichts, der unverblümt vor einer Zahlungsunfähigkeit der Kommune warnte, sollte man nicht schleunigst Gewerbe in den Ort holen und die Steuereinnahmen erhöhen. Dieses Jahr erwartet Haar elf Millionen Euro an Gewerbesteuer. Bukowski zufolge bräuchte die Gemeinde mit bald 30 000 Einwohnern mindestens das Doppelte.

Noch hat Haar Rücklagen. Doch laut Finanzplanung sind die bis 2026 aufgebraucht. Was dann kommt, sprach am Dienstagabend keiner offen an. Aber käme es so, wie es derzeit aussieht, müsste das Rathaus sich erst einmal auf Pflichtaufgaben wie den Bau von Kindertagesstätten oder den Betrieb der Schulen konzentrieren. Freiwillige Ausgaben stünden zur Disposition: also Zuschüsse für Musikschule, Volkshochschule und Vereine. Dort geht es um Hunderttausende Euro, ohne die bei vielen Institutionen nichts mehr läuft. Bürgermeister Bukowski sagte, er glaube, manche im Gemeinderat hätten die Brisanz nicht erkannt. Es gehe darum, "das laufende Geschäft weiter finanzieren zu können. Wir werden das in ein paar Jahren nicht mehr schaffen".

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Auf der ausgedehnten sogenannte Finckwiese am Ortsrand südlich der Wasserburger Straße ruhen seit Jahren große Hoffnungen, lukrative Unternehmen anzusiedeln. Alle im Gemeinderat sind dafür im Grunde offen. Doch konkret passiert nichts. Eine Ausnahme war, als BMW als möglicher Investor vor der Tür stand. Die Gemeinde machte sich hastig an eine Bauleitplanung, um BMW nicht ziehen lassen zu müssen. BMW ging dann nach Unterschleißheim, wo der Business-Campus Flächen sofort anbieten konnte. Daraufhin wurden in Haar auf Forderung der CSU alle Pläne auf Null gesetzt. Zuletzt fachte die Aussicht, mit Isar Aerospace ein aufstrebendes Start-up zu holen, die Finckwiesendebatte neu an. Doch nun zögerten Grüne und SPD, weil bei dem jungen Unternehmen erstmal nicht mit Gewerbesteuer zu rechnen wäre. Man gestand auch nur eine begrenzte 8,1 Hektar große Fläche zu. Für Isar Aerospace war damit bereits vor einem Jahr Haar als Option vom Tisch, wie eine Sprecherin des Ottobrunner Unternehmens jetzt nochmal auf Anfrage erklärte. Feldkirchen und Taufkirchen sind aktuell angeblich noch weitere mögliche Standorte.

Eine Konzeptskizze der Dibag Industriebau sah auch Grünflächen neben Gewerbebauten, Parkhaus und Wohnungen vor. (Foto: Dibag Industriebau AG)

Für Haar wäre damit die Chance gegeben, auf der Finckwiese unabhängig von konkreten Firmen darzulegen, was man sich für eine Gewerbefläche wünscht. Der Immobilien-Entwickler Dibag ist dort Grundeigentümer und wirbt seit längerem genau dafür. Projektentwickler Sebastian Kuhlen stellte im Sommer 2021 eine Konzeptskizze vor und sagte, man würde mit seinen Kontakten in die Wirtschaft sicher Unternehmen finden für Haar. Bürgermeister Bukowski und die CSU unterstützen solch ein Vorgehen auch wegen der angespannten Finanzlage offen. Ein Workshop mit Dibag und Gemeinderäten sollte vor der Sommerpause dafür den Weg bereiten. Doch SPD und Grüne blieben nun im Bauausschuss hart.

Der größte Gewerbesteuerzahler hat die Gemeinde längst verlassen

Dabei hatte Bukowski eine für die Gemeinde verzweifelte Situation nach dem Wegzug des größten Steuerzahlers, des Pharmaunternehmens MSD, im Jahr 2019 beschrieben. Bis heute stünden im inzwischen als "Agora" angepriesenen ehemaligen Firmensitze 19 000 Quadratmeter Bürofläche leer. Dazu kämen weitere ähnliche Leerstände. Bukowski zufolge kommt das Rathaus bei den wenigen potenziellen freien Gewerbeflächen am Ort kaum voran. An der Blumenstraße müssten kostspielig Ersatzbauten für die Gemeindewerke und die Feuerwehr errichtet werden. Auf der Gutswiese gegenüber dem Haupteingang des Isar-Amper-Klinikums poche der Bezirk auch auf den Bau von 1000 Wohnungen. Das sei wegen der Folgekosten nicht darstellbar.

Ein Knackpunt ist für Haar die Wohnbebauung. In Eglfing entstehen an der Annelies-Kupper-Allee große Wohnblöcke und der Jugenstilpark wächst auch weiter. Die Gemeinde muss für die Neubürger Kindergärten schaffen. Schon jetzt fehlen Plätze. Dennoch machte Henry Bock für die Grünen eine Zustimmung für eine Planung auf der Finckwiese davon abhängig, dass dort auch Wohnraum entsteht, was CSU-Fraktionschef Dietrich Keymer als völlig illusorisch abtat. Eine zügige Gewerbeentwicklung sei notwendig, "um Schaden von der Gemeinde abzuwenden", sagte Keymer. Andernfalls führe man Haar "in den Abgrund".

Ein gemischtes Stadtquartier mit Gewerbe und auch Wohnen. Das war die Vision der Dibag Industriebau AG im Sommer 2021. (Foto: Dibag Industriebau AG)

Auch Bukowskis Werben, dass auf der Finckwiese im hinteren Bereich später Wohnungen denkbar seien, brachte kein Einlenken. Henry Bock plädierte stattdessen für intensivere Gespräche mit dem Bezirk über die Gutswiese. Die SPD setzt laut Katharina Dworzak (SPD) ihre Priorität auch auf die Gutswiese und darauf, sich erst einmal um die Leerstände im Ort zu kümmern. Peter Schießl (SPD) forderte, bei der alten Vorgehensweise zu bleiben: erst dann zu planen, wenn die Dibag ein Unternehmen präsentiere. Laut Keymer fehlt dafür die Zeit. Er bezeichnete die Absage an eine Planung als "gravierenden Fehler".

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