NS-Widerstand:"Lasst uns auch heute hinschauen"

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Mit einer Gedenkveranstaltung auf dem Waldfriedhof haben das Gräfelfinger Gymnasium und die Gemeinde an den 80. Todestag von Kurt Huber und Alexander Schmorell erinnert. (Foto: Mark Siaulys Pfeiffer)

Zum 80. Todestag von Kurt Huber und Alexander Schmorell gedenken auf dem Münchner Waldfriedhof Gräfelfinger Gymnasiasten der Widerstandsgruppe.

Von Simon Haslauer, Gräfelfing/München

"Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit" - das ist einer der bekanntesten Sätze auf dem fünften Flugblatt der NS-Widerstandsgruppe "Weiße Rose" und eine Art Motto für das Kurt-Huber-Gymnasium (KHG) in Gräfelfing, zu lesen auch im Haupteingang der Schule. Die Schule hat gemeinsam mit der Gemeinde Gräfelfing am Donnerstag auf dem Waldfriedhof Großhadern eine Kranzniederlegung organisiert — zum Gedenken an Kurt Huber und Alexander Schmorell, der mit Huber am 13. Juli 1943 hingerichtet wurde.

"An unserer Schule spielt Demokratiebildung eine große Rolle", sagt Stefanie Fehlhammer, Geschichtslehrerin und am Gymnasium für Erinnerungsarbeit zuständig. Besonders mit dem Namenspaten der Schule gibt es eine intensive Auseinandersetzung: Die Schüler beschäftigen sich im Unterricht mit der Biografie Kurt Hubers, der 1938 bis zu seinem Tod 1943 in Gräfelfing gelebt hat. Die Schule gestaltet Gedenkveranstaltungen mit, im Oktober soll zum 90. Geburtstag Hubers im KHG eine Dauerausstellung installiert werden, die sich mit seinem Leben beschäftigt.

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Geboren wurde Kurt Ivo Theodor Huber 1893 in der Schweiz. Die Schulzeit verbrachte er in Stuttgart. Seine akademische Laufbahn führte ihn zur Philosophie und Psychologie, auch seine große Leidenschaft studierte er: die Musik. Die Aufgabe, für das preußische Kulturministerium ein Volksmusikarchiv aufzubauen, führte Huber nach Berlin. Lehren durfte er dort aus ideologischen Gründen nicht. Nach seinem Eintritt in die NSDAP nahm Huber 1940 eine außerordentliche Professur an der Universität in München an. Seine beliebten Philosophie-Vorlesungen besuchten auch Sophie und Hans Scholl: 1942 nahmen sie Kontakt zu dem Professor auf. Mit der Weißen Rose arbeitete Huber am fünften und sechsten - dem letzten - Flugblatt der Widerstandsgruppe. Am 13. Juli 1943 wurden Kurt Huber und Alexander Schmorell, Student und Mitglied der Weißen Rose, im Gefängnis München-Stadelheim getötet.

Für Maren Mitterer, Abiturientin und ehemalige Schulsprecherin des Gräfelfinger Gymnasiums, ist Kurt Huber ein Vorbild, der Einsatz für seine Werte sei heute leider immer noch aktuell. Das geistige Erbe Kurt Hubers trägt die Schule ihrer Meinung nach im doppelten Sinn weiter: Einerseits mit dem Gedenken an Hubers Leben. Aber auch das soziale und ökologische Engagement der Schule entsprächen den Werten Hubers, findet Mitterer. Die Schüler sind engagiert, interessieren sich, viele haben sich gewünscht, zum Gedenken auf den Friedhof mitzukommen, wie Stefanie Fehlhammer berichtet.

Die jüngsten Schüler legen weiße Rosen auf das Grab

So sind es mehr geworden als geplant, eine 70 Schüler starke Delegation ist nach der schulinternen Gedenkveranstaltung zu Hubers Grab im Waldfriedhof gereist. Das Bläserensemble der Schule spielte unter anderem den "Professor-Kurt-Huber-Jodler", so nennen sie ein unbenanntes Stück aus der Liedersammlung Hubers. Gelesen wurde aus den Abschiedsbriefen der Weiße-Rose-Mitglieder und den Gedanken der Schüler zum Leben und Wirken von Huber. Die Jüngsten der Schule legten weiße Rosen auf das Grab, neben den Kränzen von Schule und Gemeinde sowie der Kurt-Huber-Gesellschaft.

Der Musikwissenschaftler Kurt Huber, der am 13. Juli 1943 von den Nazis hingerichtet wurde. (Foto: SZ Photo)

"Ich denke, das Erbe der Weißen Rose ist, sich umzuschauen und zu sehen, wo Einschränkungen der Freiheit stattfinden", sagt Wolfgang Huber, Sohn von Kurt Huber. Er nahm mit seiner Familie und Markus Schmorell, Alexander Schmorells Neffen, an der Gedenkveranstaltung teil und freute sich darüber, dass so viele Schüler gekommen waren. "Wir erinnern uns für die jungen Leute." Der Blick in die Runde sei für ihn also ein Blick voller Hoffnung.

Hoffnungsvoll ist auch die Rede von Abiturientin Maren Mitterer, sie warnt aber auch vor dem gefährlichen Mantel der Gleichgültigkeit: "Was bleiben wird, wenn die letzten Zeitzeugen gestorben sind, das sind wir. Also beweisen wir bitte durch die Tat, dass wir anders denken."

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