Würmtal:Baustellen-Hopping in Gräfelfing

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Das Gräfelfinger Rathaus wird gerade saniert. Aber finanziell hat die Gemeinde keine Baustellen. (Foto: Robert Haas)

Die Gemeinde treibt gerade Infrastrukturprojekte für mehr als 100 Millionen Euro voran. Das bringt für die Bewohner einige Unannehmlichkeiten und belastet den Haushalt. Trotzdem ist Bürgermeister Köstler überzeugt: Der Zeitpunkt ist genau der richtige.

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Wer in diesen Tagen durch die Gemeinde Gräfelfing spaziert, stößt an vielen Ecke auf Absperrungen und Umleitungsschilder, läuft an Bauzäunen entlang, muss sich mit Provisorien begnügen. Grund dafür sind die vielen Baustellen, die das Straßenbild aktuell prägen. Die Gemeinde baut so viel wie nie zuvor. Sechs Großprojekte treibt die Kommune parallel voran, bei einem siebten ist sie Geldgeber. Insgesamt investiert Gräfelfing gerade mehr als 100 Millionen Euro in die Infrastruktur.

Die aktuelle Bautätigkeit in der Würmtal-Gemeinde ist "außergewöhnlich", das muss auch der Bürgermeister Peter Köstler (CSU) zugeben. Kaum ist die Sanierung des Rathauses, die die Gemeinde seit 2021 beschäftigt, in den letzten Zügen, hat auf der Rückseite des denkmalgeschützten Gebäudes im Stil des Brutalismus bereits der Spezialtiefbau für den Anbau der Verwaltung begonnen. Hier entstehen zusätzliche Büroräume. Wenige Meter weiter, wenn man durch die S-Bahn-Unterführung hindurch geht, ist der Bahnhofsplatz durch Bauzäune abgetrennt, hier wird das Bürgerhaus saniert und umgebaut, das gesamte Gebäude ist deshalb geräumt.

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Auf dem Schulcampus in Lochham entsteht die neue Turn- und Schwimmhalle, und gleichzeitig wird der sogenannte Nordtrakt, der früher zur Volksschule gehörte, für das Kurt-Huber-Gymnasium umgebaut. Weiter geht es beim Turn- und Sportverein TSV. Hier wird das Vereinsheim saniert, Umkleiden werden neu gebaut, ebenso Sanitäranlagen. Es ist die Maßnahme, die die Gemeinde zwar nicht organisatorisch abwickelt, aber nahezu komplett bezahlt mit 13,6 Millionen Euro.

Auf dem Schulcampus in Lochham entsteht die neue Turn- und Schwimmhalle. (Foto: Robert Haas/)

Und schließlich wurde in Lochham Anfang Oktober noch ein symbolischer erster Spatenstich gefeiert: Der Neubau des Pflegeheims Rudolf-und-Maria-Gunst-Haus, ein Mammutprojekt, das in drei Bauabschnitten bis zum Ende des Jahrzehnts dauern wird. Hier ist die Gemeinde indirekt Bauherrin - die Rudolf-und-Maria-Gunst-Haus gGmbH ist eine hundertprozentige Tochter der Kommune.

Unterdessen müssen sich die Gräfelfinger mit Provisorien arrangieren. Ämter der Rathausverwaltung sind ausgelagert, das alte Rathaus in der Bahnhofstraße wurde teilweise reaktiviert, Kulturveranstaltungen und Gemeinderatssitzungen müssen in der Aula des Gymnasiums stattfinden, die Bücherei ist übergangsweise in das ehemalige Schulungsgebäude der Doemens-Brauakademie umgezogen.

Außergewöhnlich ist in Gräfelfing nicht nur die Anzahl der Baustellen, sondern auch das Investitionsvolumen. Mehr als 100 Millionen Euro kosten die derzeit laufenden Hochbauprojekte. Rechnet man den ersten Bauabschnitt der Rathaussanierung hinzu, der bereits 2022 fertiggestellt wurde, und die noch folgenden Bauabschnitte des Pflegeheims, sind es gut 40 Millionen Euro mehr.

Was vor 40 Jahren gebaut wurde, hat jetzt das Verfallsdatum erreicht

Die Parallelität der Ereignisse sei in diesem Ausmaß nicht geplant gewesen, sagt Köstler. Vor allem die Sanierung des Rathauses hätte längst abgeschlossen sein sollen, doch wie auch beim TSV-Vereinsheim, hätten sich immer wieder Überraschungen ergeben. So seien in beiden Gebäuden umfangreiche Schadstoffsanierungen notwendig geworden, die ursprünglich so nicht eingeplant waren. Allerdings sei die Vielzahl der Projekte auch bewusst angeschoben worden, erklärt Köstler. Viele Baustellen seien jahrelang vorgeplant worden, jetzt komme es zur Umsetzung. "Der Zeitpunkt ist der richtige, wir haben die verfügbaren Mittel" - die Gemeindekasse gibt die Investitionen her.

Die Kostensteigerungen in der Baubranche haben die Gemeinde bei einigen Projekten dennoch hart getroffen. Beim TSV und bei der Turn- und Schwimmhalle etwa seien die Gesamtkosten um rund 30 Prozent gestiegen, sagt Bauamtsleiter Markus Ramsauer. Allerdings ist auch eine leichte Trendwende spürbar: Die Handwerksfirmen hätten offenbar wieder mehr Kapazitäten, denn bei Ausschreibungen für einzelne Gewerke würden wieder mehr Angebote eingereicht, sagt der Bürgermeister. Diese lägen zum Teil unter der Kostenschätzung.

Der Neubau des Pflegeheims Rudolf-und-Maria-Gunst-Haus hat gerade erst begonnen. 2025 soll der erste Bauabschnitt fertig sein. (Foto: Robert Haas/)

Das Geld sei richtig angelegt, betont Köstler. "Wir investieren in die Infrastruktur für alle Altersgruppen." Die Bauten würden "jahrzehntelang" Bestand haben. Rechnet man genau, muss die Gemeinde vor rund 40 Jahren eine ähnlich intensive Bautätigkeit erlebt haben. In den Achtzigerjahren entstanden das Vereinsheim des TSV, das Bürgerhaus und das Lochhamer Pflegeheim. Nach fast 40 Jahren haben die Gebäude ihr Verfallsdatum erreicht. Technik, Heizung, Brandschutz und Sanitäranlagen sind veraltet. Ein Großteil der Investitionen fließt in notwendige bauliche Erneuerungen.

Das Jahr 2025 verspricht ein besonderes für die Gemeinde zu werden: Läuft alles nach Plan, werden nacheinander das Bürgerhaus, die Rathauserweiterung, die Turn- und Sporthalle und der erste Bauabschnitt des Pflegeheims fertiggestellt sein. So lange müssen sich die Gräfelfinger noch an Bauzäunen durch das Gemeindegebiet hangeln.

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