Giesinger Autobahn:Lärmschutzwall wäre ein Millionengrab

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Die Unterhachinger Gemeinderäte verwerfen die Idee, Aushubmaterial entlang der Giesinger Autobahn aufzuschütten. Statt Bäume zu fällen, sollen nun neue gepflanzt werden.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

An der Giesinger Autobahn wird in absehbarer Zeit wohl kein Lärmschutzwall errichtet. Den Unterhachinger Gemeinderäten sind die Baukosten von geschätzt zehn Millionen Euro zu teuer, außerdem sehen sie die notwendigen umfangreichen Eingriffe in den Gehölzbestand äußerst kritisch.

Der Bauausschuss hat sich am Dienstagabend mit großer Mehrheit von der Idee verabschiedet, an der Stelle der alten Lärmschutzwand, also zwischen der Isartalstraße und der Autobahnauffahrt Unterhaching Nord einen fünf Meter hohen Wall aufzuschütten. Die endgültige Entscheidung fällt der Gemeinderat am 14. November. Doch mit den Wortmeldungen der Fraktionen im Ausschuss wurde deutlich, dass die Pläne wohl zu den Akten gelegt werden.

Die Bürger, die mit ihren Unterschriften den Bau eines Lärmschutzes entlang der A 995 forderten, hatten sich die Sache einfach vorgestellt: Aushubmaterial der zweiten S-Bahn-Stammstrecke nach Unterhaching karren, an der Autobahn Wall aufschütten, fertig. Noch dazu war zunächst angenommen worden, die Gemeinde bekäme die Erde umsonst, die S-Bahnbauer wären sogar froh, sie los zu werden. Eine Win-win-Situation quasi, wie die Initiatorin der Anwohneraktion, Catia Hilgart, damals betonte.

Das Rathaus schätzt die Baukosten auf zehn Millionen Euro

Nun stellte sich nach diversen Gesprächen mit mittlerweile verschiedenen Ministerien und der Autobahndirektion Südbayern laut der Unterhachinger Rathausverwaltung heraus: Zahlen muss die Gemeinde selbst und die Baustellenabwicklung könnte auch nicht wie zunächst erhofft über die Autobahn abgewickelt werden, sondern über eine zehn Meter breite Baustraße durch den Forst. Den finanziellen Gesamtaufwand für Unterhaching beziffert "ganz grob geschätzt" die Bauabteilung inzwischen auf zehn Millionen Euro.

Alleine die Planungen würden 300 000 Euro kosten. Der Bau des Walls soll dann etwa 4,5 Millionen verschlingen, dazu kommen Kosten für Grunderwerb und mögliche Altlastenentsorgung. Auch könne man nicht mehr wie in früheren Jahren einfach irgendwelches Aushubmaterial hinkippen, sondern brauche unbelastetes Erdmaterial, heißt es auch dem Rathaus. Ein großer Posten auf der Rechnung der Verwaltung ist noch die Ablöse für den Unterhalt des Bauwerks, die die Gemeinde mit der Autobahndirektion verhandeln müsste.

Neben der immensen Kosten, die Unterhaching ohne Kreditaufnahmen wohl nicht stemmen könnte, gab Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD) vor allem den umfangreichen Eingriff in den Forst zu bedenken. Neben der Zufahrt müsste eine Schneise von 50 Metern Breite entlang der Autobahn geschlagen werden. Er sprach von einem "massiven Lastwagen-Verkehr beim Bau", denn etwa 100 000 Tonnen Kies müssten transportiert werden. Panzer hält Aufwand und Kosten im Vergleich zum Nutzen eines solchen Bauwerks für viel zu groß. Er verwies in der Sitzung auf das vorliegende Lärmschutzgutachten, das der Gemeinde lediglich eine Lärmreduktion von etwa drei Dezibel in den ersten Häuserreihen neben der Autobahn bescheinigte. Und: Wesentlich mehr würde der Lärm von der Münchner und der Ottobrunner Straße die Anwohner beeinträchtigen.

Allerdings betonte Panzer auch, "dass es ihm durchaus um Lärmschutz" gehe. Daher hat er nun eine kleine Lösung für die Autobahn-Geplagten ersonnen. Seine Idee sieht vor, die bestehende Lärmschutzwand auf der Brücke über die Isartalstraße nach Norden hin um hundert Meter zu verlängern. Das sei insofern einfacher umzusetzen, weil dieser Grund der Gemeinde gehöre. Zudem schwebt ihm ein umfangreiches Aufforstungsprogramm für den bestehenden kleinen Wall vor. "Wenn wir da 300 bis 500 Bäume pflanzen, können wir den Lärmschutz auch stärken", sagte er.

Der Bürgermeister hatte die Ausschussmitglieder schnell auf seiner Seite. Richard Raiser, dessen CSU-Fraktion bislang als Befürworter des Bauwerks aufgetreten war, sagte: "Als ich die Vorlage gesehen habe, dachte ich, wir bauen einen Flughafen oder ein Energiekraftwerk. Was für ein Aufwand!" Die CSU habe im Laufe der Planungen "massiv" dazulernen müssen. "Bei aller Liebe, das können wir nicht machen, wenn das hier eine Doktorarbeit wird", sagte Raiser.

Auch Hans Potschacher von der Grünen sagte: "Uns ist das zu teuer." Es sei sowieso besser, aufzuforsten als abzuholzen, stimmte er dem Bürgermeister-Vorschlag zu. Seine Fraktionskollegin Gertraut Schubert meinte, die Ablehnung der Baumaßnahmen erspare ihr die Arbeit, gemeinsam mit dem Bund Naturschutz eine Aktion zum Erhalt der Bäume zu organisieren. Auch sie habe festgestellt, dass der Lärm an den Hauptdurchgangsstraßen, weitaus mehr Menschen beeinträchtige.

Das sieht auch Sebastian Ruppert von der SPD so, der an der Forststraße in unmittelbarer Nähe zur A 995 aufgewachsen ist. Klar höre man die Autobahn, mal mehr und mal weniger. "Aber Alt-Unterhachinger sagen mir: Wo ist das Problem?" Es seien vielmehr die Zugezogenen, denen es plötzlich zu laut sei.

Einzig Bernard Maidment von der FPD will zumindest in die Planungen eines Lärmschutzwalls einsteigen. Er findet, die Gemeinde sollte nun die 300 000 Euro ausgeben, um "nicht weiter im Nebel zu stochern."

© SZ vom 08.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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