Giesinger Autobahn:Laut, aber nicht laut genug

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Damit eine Lärmschutzwand an der A 995 etwas bringt, müsste sie möglichst nah an der Fahrbahn errichtet werden. Doch die große Frage ist nach wie vor: Wer soll das bezahlen.

(Foto: Angelika Bardehle)

Während Unterhachings Bürgermeister Panzer im neuen Lärmgutachten eine Basis für weitere Gespräche über ein permanentes Tempolimit sieht, sind die Anwohner der Autobahnen von der Gemeinde enttäuscht. Sie haben angesichts der Messungen kein Anrecht auf Schutzmaßnahmen.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Ein Dreivierteljahr haben die Unterhachinger auf das Lärmschutzgutachten gewartet. Nun liegt es vor - und unter den Anwohnern herrscht Enttäuschung. Denn die Expertise, die am Mittwoch in der Gemeinderatssitzung präsentiert wurde, bestätigt, was die Behörden schon immer kommuniziert haben: Es ist laut, sogar sehr laut. Insbesondere durch die beiden Autobahnen A 995 und A 8 sowie die Durchgangsstraßen. Aber auch mit neuesten Berechnungen noch immer nicht laut genug, um von einer Gesundheits- oder Eigentumsverletzung auszugehen und damit ein Recht auf Lärmschutz zu haben. Mit 66,3 Dezibel am Tag und 57,8 in der Nacht liegt man knapp unter den Grenzwerten von 70 sowie 60 Dezibel.

Den Lärmschutz müsste also die Gemeinde nach wie vor auf eigene Rechnung errichten. In Frage käme laut Gutachten sowohl eine drei Meter hohe Wand als auch ein fünf Meter hoher Wall. Beide Bauwerke würden gleichermaßen eine Lärmminderung von drei bis vier Dezibel in den autobahnnahen Wohngebieten bringen. "Ab drei Dezibel merkt man, dass es leiser wird", sagte der Gutachter des beauftragten Büros Müller-BBM, Thorsten Otto. Ein Teil des Gemeinderats plädierte allerdings weiterhin dafür, ausschließlich die Einführung eines Tempolimits von 80 Stundenkilometern rund um die Uhr auf beiden Autobahnen zu verfolgen, wodurch laut Gutachter "auch tagsüber eine gute Pegelminderung" erreicht werden könnte. Dies allerdings hatten die Behörden bereits mehrfach in den vergangenen Jahren abgelehnt.

Müller-BBM hatte an mehreren Punkten im Gemeindegebiet anhand der Verkehrszahlen aus dem Jahr 2015 verschiedene Varianten des Lärmschutzes durchgespielt und auch die prognostizierte Verkehrsentwicklung von zusätzlich vier Prozent Autos und 17 Prozent Lastwagen bis zum Jahr 2030 eingerechnet. Es ging dabei um den durchschnittlichen Lärmpegel und dessen Minderung etwa 5,30 Meter über dem Boden, also etwa im ersten Obergeschoss. So würde etwa an der St. Alto-Straße 5 der Lärmpegel mit Wall oder Wand um bis zu drei Dezibel heruntergehen, weiter östlich, an der Johann-Strauß-Straße 4, hätte die Maßnahmen keine Auswirkungen. Allerdings würde, wie von manchen befürchtet, der Schall von der Wand auch nicht so abgelenkt, dass es in den entfernteren Gebieten gar lauter wäre, führte der Gutachter aus. Ebenfalls drei Dezibel für alle brächte die Temporeduzierung auf der A 995; vier Dezibel auf der A 8. Wichtig sei vor allem, mit dem Lärmschutz nah an die Fahrbahn zu rücken. Von einer Verlängerung eines Walls in Richtung Taufkirchen rät der Gutachter ab. Dies würde nur auf den Feldern zu einer Lärmminderung führen. Kostenschätzungen für Wall und Wand liegen bislang nicht vor.

Mit diesem Gutachten habe er nun etwas an der Hand, um weitere Gespräche zu führen, sagte Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD). Claudia Köhler (Grüne) war weniger euphorisch: "Einen Fortschritt sehe ich hier noch nicht." Panzer erinnerte daran, dass sich bereits mit einem ersten Treffen Anfang des Jahres im Innenministerium etwas bewegt habe, "von einem klaren Nein bis hin zu: Reden wir mal drüber". Damals war die Möglichkeit eines Walls entlang der A 995 erstmals diskutiert worden und hatte die Hoffnungen der Anwohner gestärkt. Nun haben sich die Zuständigkeiten seit Markus Söders Amtsantritt als Ministerpräsident geändert. Jetzt ist Ilse Aigner für Bauen und Verkehr verantwortlich. Noch sei man dabei, den Kontakt ins neue Ministerium herzustellen, sagte Rathaussprecher Simon Hötzl. Panzer findet gleichwohl, bei den Gesprächen sei viel im Fluss, vielleicht gebe es im Wahlkampfjahr Möglichkeiten, etwas voranzubringen. Schließlich gebe es ja auch eine neue Ministerin, "vielleicht hat die ja eine andere Meinung".

Die in der Sitzung anwesenden Anwohner stellten diese Aussagen wenig zufrieden. Noch während der Diskussion, in der etwa Christine Helming (Grüne) und Peter Wöstenbrink (SPD) das Tempolimit als Lösung favorisierten, verließ ein Großteil enttäuscht den Sitzungssaal. "Wir werden als Bürger mit unserem Anliegen nicht ernst genommen", sagte Catia Hilgart, die Initiatorin der Unterschriftensammlung für mehr Lärmschutz. 50 000 Euro habe dieses "angebliche Gutachten" gekostet, ärgert sie sich. "Es ist aber nur eine Szenarioanalyse mit ein paar Varianten, die wir gar nicht gebrauchen können", findet sie, etwa auf dem bestehenden Wall eine Wand aufzustocken, obwohl Experten bereits rieten, so nahe wie möglich an die Lärmquelle zu bauen. "Das ist Geldverschwendung", so Hilgart. Ein Tempolimit könne nur als Ergänzung gesehen werden, "wir werden es aber nie umsetzen können", davon ist sie überzeugt. Sie will ihre Idee weiter verfolgen, aus dem Aushubmaterial der zweiten Münchner Stammstrecke einen Wall aufzuschütten. In einem Schreiben an den Bürgermeister und die Gemeinderäte fordert sie diese auf, "alleine aus Kostensicht" hierzu Gespräche anzuvisieren.

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