Gemeinde als Bauherr:Haar will selbst billigen Wohnraum schaffen

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Beim Hausbau kann jede Menge schiefgehen. Experten empfehlen daher, das Immobilienprojekt von Sachverständigen begleiten zu lassen. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Die Gemeinde entscheidet sich gegen die Zusammenarbeit mit der Baugesellschaft München-Land und gründet ein Kommunalunternehmen. Mithilfe von Zuschüssen soll es neue Häuser errichten und bestehende verwalten.

Von Bernhard Lohr, Haar

Die Gemeinde Haar will das Geschäft nicht nur Investoren überlassen. Sie wird zum Bauherrn. Der Hauptausschuss des Gemeinderats hat sich am Dienstag einstimmig dafür ausgesprochen, ein Kommunalunternehmen zu gründen, das Wohnungen bauen, instand halten und die Immobilien der Gemeinde verwalten soll. Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) gab als Ziel aus, "Wohnungen zu günstigen Mietpreisen zu errichten". Der naheliegenden Kooperation mit der Baugesellschaft München-Land oder einer Genossenschaft erteilt Haar eine Absage.

Der Blick in die Immobilienanzeigen macht das Problem deutlich: Zweizimmerwohnung, 55 Quadratmeter, im Zentrum von Haar - 900 Euro kalt. Das kann sich nicht mehr jeder leisten. Dazu kommt, dass viele Mietwohnungen aus der Sozialbindung fallen. Das Jagdfeld-Wohngebiet in Haar etwa erlebt nach 40 Jahren einen regelrechten Umbruch. Seit Ende vergangenen Jahres gelten dort laut Bürgermeisterin Müller für mehr als 500 Wohnungen die Gesetze des freien Wohnungsmarkts. Und der ist knallhart.

Die Gemeinden wollen dieser Entwicklung, die in der gesamten Großraum zu beobachten ist, entgegenwirken. An Instrumenten fehlt es im Landkreis nicht. München ist Vorbild, wenn in Kirchheim und anderswo über sozialgerechte Bodennutzung diskutiert wird. Haar nimmt Investoren über das sogenannte "Haarer Modell" seit 2009 in die Pflicht.

Die Baugesellschaft bewarb sich vergeblich um eine Zusammenarbeit

Im Jugendstilpark-Wohngebiet sollen so 90 Wohnungen zu einem Mietpreis von unter zehn Euro geschaffen werden. 27 Kommunen im Landkreis sind Gesellschafter bei der seit den Fünfzigerjahren im Landkreis aktiven Baugesellschaft München-Land, die sich gerade jetzt wieder die Schaffung "erschwinglichen Wohnraums" groß auf die Fahnen schreibt. Soeben feierte man in Aschheim und Kirchheim für mehr als 50 Wohnungen Richtfest. Zudem erleben Genossenschaften eine Renaissance. Neubiberg und Ismaning stehen mit der Awohnbau Genossenschaft in Kontakt.

In Haar ist die Verbindung zur Baugesellschaft eng. Diese hat dort ihren Sitz und hält im Ort mehr als 200 Wohnungen. Und natürlich war ein Ausbau der Kooperation Thema. Ulrich Bittner, Geschäftsführer der Baugesellschaft München-Land, warb im Gemeinderat mit einem Vertreter der Awohnbau in nichtöffentlicher Sitzung dafür, dass die Gemeinde Haar ihnen Baugrund auf Erbpacht überlässt und den Rest mehr oder weniger sie erledigen lässt.

Die Rathäuser brächten ein, was sie haben wollten, erläutert Bittner die Praxis der Baugesellschaft München-Land. Ein Mietpreis unter zehn Euro sei fix. Wer die Miete auf acht oder neun Euro drücken wolle, müsse noch was drauflegen. Bei Aschheim seien das für 27 Wohnungen zwei Millionen Euro gewesen, sagt Bittner. Eine Mietpreiserhöhung komme nur in Absprache mit der Kommune und sei streng reglementiert. Warum sich Haar darauf nicht einlasse, sagt er, wisse er auch nicht. Er rät zur Gelassenheit. Es gebe für alle genug zu tun. "Wir können auch nebeneinander arbeiten. Man muss jetzt mal abwarten."

Vorbild sind andere Gemeinden und der eigene Energieversorger

Auch in Unterhaching, Pullach und Gräfelfing sind die Gemeinden mit eigenen Gesellschaften auf dem Immobilienmarkt mehr oder weniger aktiv engagiert. In Haar will man offenbar mit dem neuen Unternehmen gestalten, wie man es mit den Gemeindewerken vorgemacht hat, die bereits früh zum Energieversorger ausgebaut wurden. Dieses überweist Jahr für Jahr einen knappen Millionenbetrag an die Gemeinde. Vom Kommunalunternehmen für Wohnungsbau Haar (KWH) erwartet man sich einen Mehrwert in mehrfacher Hinsicht. Bürgermeisterin Müller sagte im Hauptausschuss, das Kommunalunternehmen schaffe "mehr Freiheit im unternehmerischen Sektor". Zugleich behielten Rathaus und Gemeinderat gerade auch in Gestaltungsfragen direkten Einfluss. Die Grundstücke blieben voll bei der Kommune, gleiches gelte für das Belegungsrecht und die Mietpreisgestaltung.

Haar glaubt angesichts des Wohnungsbauförderprogramms des Freistaats, das 30 Prozent Zuschüsse gewährt und dazu günstige Kredite, dass sich das Unternehmen rechnet. In einem Papier zum geplanten Bauvorhaben an der Katharina-Eberhard-Straße mit 32 Wohnungen heißt es: Positiver Gesamtcashflow nach 20 Jahren 1,2 Millionen Euro. Letzte Zweifel daran, dass das Wohnungsbauförderprogramm über das Kommunalunternehmen genutzt werden kann, will Müller bei einem Besuch bei der Regierung von Oberbayern ausräumen. Probleme erwartet man nicht.

Außer an der Katharina-Eberhard-Straße soll das Unternehmen an der Herzogstandstraße 40 Wohnungen und eine Kindertagesstätte bauen. Am Waldfriedhof soll ein Haus saniert werden. Noch im Dezember soll der Gemeinderat per Beschluss das Unternehmen auf den Weg bringen. Kämmerer Günter Rudolf und Reimar Pfalz aus der Bauverwaltung werden die Geschäfte führen. Im Verwaltungsrat sitzen dann die Bürgermeisterin und sechs Gemeinderäte. Müller setzt darauf, dass in dem Unternehmen künftig ein geschlossener Kreislauf aus Einnahmen und Ausgaben in der Wohnungswirtschaft der Kommune abgebildet wird. Das Modell sei steuerlich günstig, man könne Rücklagen bilden. Man werde zu jedem Zeitpunkt sehen, "wo wir finanziell stehen, was wir uns im Wohnungsbau leisten können".

© SZ vom 24.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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