Naturschutz:Garching setzt auf die Flexibilität der Feldlerche

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Die Wahrscheinlichkeit eines Vorkommens der Feldlerche haben die Gutachter berechnet. (Foto: Imago)

Ein Investor beklagt, dass die Stadt einen Acker nicht als Ausgleichsfläche für das Neubaugebiet am Schleißheimer Kanal in Hochbrück hergeben will. Die Kommune sucht Alternativen, die Wohnen, Naturschutz und Landwirtschaft gleichermaßen berücksichtigen.

Von Irmengard Gnau, Garching

Dafür, wie lieblich die Feldlerche in natura zwitschert, war der Aufschrei ziemlich laut, der wegen des Vogels in Garching zu vernehmen war. Das Vorkommen der seltenen Art könnte das geplante Neubaugebiet am Schleißheimer Kanal in Hochbrück mit etwa 600 Wohnungen für bis zu 1500 Menschen verzögern, vielleicht sogar verhindern - solche Befürchtungen waren im Vorfeld der Freigabe des Bebauungsplans aus dem Kreis von Immobilienplanern zu vernehmen. Ganz so dramatisch wird es nicht kommen, denn nun zeichnet sich ein Kompromiss ab, der Wohnen, Artenschutz und Landwirtschaft gleichermaßen berücksichtigt.

Die Feldlerche war "Vogel des Jahres 2019" und zählt in Deutschland zu den gefährdeten Arten. Wird der Brut- und Lebensraum des Tieres durch Neubauprojekte, etwa ein Wohngebiet, versiegelt, müssen der Feldlerche daher im Umkreis von zwei Kilometern passende Ausgleichflächen angeboten beziehungsweise artspezifische Maßnahmen zur Sicherung der kontinuierlichen ökologischen Funktionalität (kurz CEF-Maßnahmen) unternommen werden, so schreibt es das Bundesnaturschutzgesetz vor. Wo das neue Wohnviertel entstehen soll, leben nachweislich einige Feldlerchen. Der Investor für das Hochbrücker Baugebiet, die GSW Sigmaringen, ein Immobilienunternehmen des Sozialverbands VdK, hat keine eigenen Flächen für CEF-Maßnahmen, aber eine in der Umgebung ausgemacht, die sich als neue Heimat für die Feldlerche eignen würde: ein Areal südlich von Dirnismaning, welches die Stadt aktuell als Acker an einen Landwirt verpachtet.

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Dieses Grundstück aber will die Stadt nicht als Ausgleich hergeben - weil sie keine wertvolle landwirtschaftliche Fläche verlieren will und es zudem das letzte in städtischem Besitz wäre, was als Tauschfläche für die Feldlerche in Frage kommt, also quasi das letzte As im Ärmel für künftige Projekte. Dagegen hatten sich die Kommunalpolitiker im Bauausschuss schon einmal bei einer Anfrage in der Vergangenheit ausgesprochen. Beim Investor stieß diese Argumentation freilich auf Unverständnis. Stelle die Stadt den Acker nicht zur Verfügung, drohe mindestens eine deutliche Bauverzögerung. "Es geht auch um die Frage, welche Priorität man dem Wohnungsbau einräumt", sagt Falk Böhm, Prokurist der GSW.

Es könne keine Rede davon sein, dass jemand unter den Garchinger Kommunalpolitikern das neue Wohngebiet sterben lassen wolle, stellt Ulrike Haerendel von der SPD-Fraktion nach der jüngsten Sitzung des Bauausschusses klar. Alle Fraktionen stünden voll dahinter. Ein Kompromiss soll das Projekt nun retten, der sowohl der Stadt Garching ermöglicht, die letzte CEF-Fläche zu behalten, als auch den Bedürfnissen der Feldlerche Genüge tut und damit die Voraussetzung für den Neubau schafft. Das wäre möglich nach einem Ansatz ähnlich der sogenannten "Produktionsintegrierten Kompensation" (PIK).

Statt einer Fläche sollen mehrere im Wechsel für den Vogel reserviert werden

Statt eine bestimmte Fläche als neues Habitat für die Feldlerche festzuschreiben, sollen dieser mehrere verschiedene Äcker und Felder im Wechsel angeboten werden. "Die Feldlerche braucht einen Lebensraum, aber sie ist flexibel", beschreibt die stellvertretende Garchinger Bauamtsleiterin Annette Knott das Prinzip. Auf diese Weise könnten mehrere Landwirte abwechselnd die Vorgaben für die Feldlerche übernehmen und entsprechend in ihre Saatenfolge integrieren, zum Beispiel Blühstreifen entlang der Felder anlegen und bei der Getreideaussaat gewisse Zonen innerhalb eines Feldes für die Vögel freilassen. Ein passendes Konzept sollen die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt und der Bauernobmann als Vertreter der regionalen Landwirtschaft erarbeiten. Das Ziel ist "ein Miteinander von naturschutzfachlichen und landwirtschaftlichen Belangen", sagt Knott.

Gute Beispiele für diese Methode gibt es bereits. Die "produktionsintegrierte Kompensation" ist schon seit 2014 als Möglichkeit Bestandteil der Bayerischen Kompensationsverordnung, über die gemeinnützige Bayerische Kulturlandstiftung wurden mehrere Projekte verwirklicht. Auch der Bayerische Bauernverband rief jüngst dazu auf, bei Ausgleichflächen neue Wege zu beschreiten, um den Flächenverbrauch endlich zu beschränken, und verweist dabei unter anderem auf PIK-Maßnahmen. Der Vorsitzende der CSU-Fraktion im Kreistag, Stefan Schelle, regt ebenfalls an, angesichts der knappen Flächen im Landkreis München das Verfahren stärker in den Blick zu nehmen. In Garching könnten Landratsamt und Bauernschaft damit nun vorangehen.

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