Elektromobilität:Landkreis gibt bei Lade-Säulen Gas

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Damit die Energiewende auch auf der Straße vorankommt, will der Landkreis ein Netz von Ladesäulen aufbauen. (Foto: dpa)

Der Landkreis plant, deutlich mehr Elektroautos auf die Straße zu bringen. Höchste Zeit also, eine Ladeinfrastruktur aufzubauen. Dabei ist es mit Tanksäulen alleine nicht getan.

Von Stefan Galler

Die Vision ist gleichsam faszinierend wie befremdlich: Womöglich schon in absehbarer Zeit werden wir durch den Stadtverkehr von autonomen Fahrzeugen kutschiert, die ihren Antrieb ausschließlich aus Elektrizität beziehen. Und wenn diese Autos merken, dass ihnen langsam der Saft ausgeht, steuern sie - natürlich ebenfalls völlig selbständig - die nächste Ladestation an und hängen sich selbst ans Netz.

Dieser Blick in die Zukunft dürfte zumindest für all diejenigen ein Horror sein, die notorisch spät dran sind und nur selten so viel Zeitpuffer einplanen, dass sie auf dem Weg zum Termin noch einen langwierigen Lade-Stopp absolvieren können. Aktuell kann man sich überhaupt nicht vorstellen, dass ein solches Szenario in nächster Zeit realisierbar sein könnte, es mangelt schließlich an einigen der elementaren Bestandteile dieser Vision. Ganz abgesehen davon, dass die Nutzung von Elektroautos auch weiterhin überschaubar ist. Für das autonome Fahren fehlt es vor allem noch an rechtlichen Grundlagen. Und von einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur kann längst keine Rede sein. Zumindest noch nicht.

Im Landkreis München etwa sind aktuell 1643 reine Elektrofahrzeuge zugelassen. Dazu kommen 3945 Fahrzeuge mit einem kombinierten Antrieb aus Kraftstoff und elektrischer Energiequelle (Plug-in-Hybrid). Angesichts eines Gesamtfahrzeugbestands von 312 743 ein verschwindend kleiner Anteil. Doch tun gerade im Landkreis die Lokalpolitiker mit Landrat Christoph Göbel (CSU) an der Spitze viel dafür, dass sich das ändert. Schon im Dezember 2016 hatte der Kreistag beschlossen, ein Elektromobilitätskonzept erstellen zu lassen; im Sommer 2017 wurden die Planer damit beauftragt, schließlich im Sommer 2018 das fertige Konzept präsentiert.

Dieses beinhaltet, dass Anschaffung, Installation und Betrieb der Ladeinfrastruktur ganz im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung durch die Städte und Gemeinden und nicht etwa durch den Landkreis erfolgen sollen. Eine große Bedeutung kommt der Praktikabilität und öffentlichen Wirkung zu: So sollen explizit Informationsmöglichkeiten und Veranstaltungen für die Bevölkerung angeboten werden, um Hemmnisse abzubauen. Zudem wird ein einheitliches Kommunikationskonzept inklusive Beschilderung für den gesamten Bereich der Elektromobilität angestrebt, vor allem was die Ladestandorte angeht. Diese sollten eindeutig erkennbar und auffindbar sein.

Im Zentrum aber steht der Ausbau einer entsprechenden Ladeinfrastruktur, die Koordination der Ladesäulen und die Einführung eines sogenannten Backendsystems für den Landkreis. Ein solches System bezeichnet eine Netzwerkstruktur, die alle Informationen zu Nutz- und Verfügbarkeit der Lademöglichkeiten bietet und gleichzeitig ein Abrechnungssystem inklusive Authentifizierung und Zahlungsmöglichkeiten zur Verfügung stellt. Im Herbst erteilte der Ausschuss für Mobilität und Infrastruktur des Kreistags der Firma Wirelane den Auftrag, ein solches Koordinations- und Bezahlsystem für Elektrofahrzeuge auszuarbeiten. In dieser Woche nun kam Nils-Henning Iffland, der bei Wirelane für Vertrieb und Marketing verantwortlich ist, in den Ausschuss, um den Kreisräten vorzustellen, wie man sich dem eingangs geschilderten Zukunftsszenario wirkungsvoll nähern könnte.

Bei dem Anbieter Wirelane handelt es sich laut Iffland um einen "Full Service Provider", der von der Smartphone-App über ein entsprechendes Back-Office, in dem alle Ladestationen koordiniert werden, bis hin zur Fertigung der Ladesäulen - "im ikonischen Design" - alles übernehmen könne. Freilich bezieht sich der Auftrag, den der Landkreis dem Unternehmen erteilt hat, vorerst nur auf das Backendsystem; man kann jedoch durchaus davon ausgehen, dass Wirelane auch in der ein oder anderen Landkreiskommune für die Hardware zuständig sein wird - vorausgesetzt man gewinnt die jeweils notwendigen Ausschreibungen.

Denn das ist der erste Schritt, den der Dienstleister nun tun hat: eine Bestandsaufnahme in jeder der 29 Kommunen des Landkreises, um festzustellen, welche Ladeinfrastruktur dort bereits vorhanden ist, welcher Hersteller die Säulen gefertigt hat und welche technischen Schritte notwendig sind, um die Stationen ins System zu integrieren. "19 der 29 Kommunen haben wir bereits besucht, noch im April werden erste Testläufe stattfinden", sagte Nils-Henning Iffland im Ausschuss.

Bei den Besuchen in den Gemeinden haben die Wirelane-Vertreter vermutlich feststellen müssen, dass die Infrastruktur noch ziemlich rudimentär ist: Im gesamten Landkreis München gab es bei der jüngsten Erhebung der Verwaltung, die allerdings schon ein knappes Jahr her ist, lediglich 81 Ladesäulen, davon waren sogar nur 48 vollständig öffentlich zugänglich. "In zahlreichen Gemeinden muss erst noch eine entsprechende Ladeinfrastruktur eingerichtet werden", sagte Iffland.

Ein so junges Feld wie das der Elektromobilität wirft jede Menge Fragen auf, das wurde auch bei der Sitzung des Mobilitätsausschusses deutlich. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Christoph Nadler, wollte zum Beispiel wissen, inwiefern öffentliche Ladesäulen überhaupt noch eine so große Bedeutung haben dürften wie das bei Tankstellen für Autos mit Verbrennungsmotor der Fall ist. Laut dem Wirelane-Vertreter bleibt eine öffentliche Ladeinfrastruktur nötig, weil man sich mit einem Elektrofahrzeug schließlich fortbewege. "Und wer in Mehrfamilienhäusern oder Wohnanlagen ohne Ladesäulen lebt, ist auf die öffentlichen angewiesen."

Klar ist, dass sich diese Art der Fortbewegung nur durchsetzen wird, wenn die Gegebenheiten stimmen. Das gilt neben der Verfügbarkeit von Auflademöglichkeiten vor allem für die Kompatibilität der Systeme verschiedener Betreiber. In der Stadt München etwa hat ein anderes Unternehmen die Ausschreibung für sich entschieden. Dennoch soll man auch als Inhaber eines Zugangs zu den Landkreis-Säulen sein Auto in der Stadt laden können, im Rahmen des "E-Roamings", wie dieser Vorgang in Anlehnung an die Mobilfunknutzung im Ausland genannt wird. "Ziel ist ein europaweites Laden über einen einzigen Zugang", sagt Iffland. Er selbst sei mit einem US-amerikanischen Modell unterwegs, das es auf eine Reichweite von 489 Kilometern bringe. Iffland stellte eine Prognose in den Raum: "Zwischen 2020 und 2025 wird elektrisches Fahren die Norm. Und ab 2025 das Ganze dann auch noch autonom." Spätestens dann sollte man immer rechtzeitig losfahren.

© SZ vom 13.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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