Einzelhandel:Kein Kaffee, keine Kunden

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Im Papier- und Geschenkeladen Papyrus in Grünwald läuft das Weihnachtsgeschäft dank vieler Stammkunden fast normal (im Bild Verkäuferin Monika Wenisch). Für viele andere Geschäfte gilt das nicht. (Foto: Claus Schunk)

Auch wenn sie selbst ihre Läden öffnen dürfen, fürchten Einzelhändler massive Ausfälle im Weihnachtsgeschäft. Weil die Gastronomie geschlossen habe, wolle derzeit auch niemand ausgiebig shoppen gehen

Von Claudia Wessel, Grünwald/Unterschleißheim

"Wenn ich ehrlich bin, viel erwarte ich mir nicht." Das sagt Angelika Grasse, stellvertretende Vorsitzende des Grünwalder Gewerbevereins, über das Weihnachtsgeschäft. Sie selbst ist Inhaberin des Schuhgeschäfts "Shoez" in der Schlosspassage. Wie viele andere Mitglieder des Gewerbevereins beobachtet auch sie in ihrem Laden einen 40-prozentigen Rückgang der Kundenfrequenz. "Wenn man shoppen geht, geht man ja auch gerne Kaffee trinken." Da das im Moment nicht möglich sei, kauften die Kunden "nur das Nötigste". Sie gingen gezielt einkaufen, das Lauf- und Schaupublikum aber falle weg.

Natürlich gebe es gerade in den kleinen Orten rund um München ein Stammpublikum, das seine Lieblingsgeschäfte auch gezielt unterstütze, sagt Grasse. "Aber das sind eben nicht viele." Die ganze Stimmung im Ort sei eher trist. "Die Straßen sind leer, die Geschäfte auch." Da helfe auch der schöne Versuch des Pfarrverbands nicht wirklich viel, der einen "Kripperlweg" entworfen hat: In vielen Schaufenstern stehen Teile einer Krippe, wer diesem Weg folgt, wirft natürlich auch einen Blick in die Geschäfte. Der Grünwalder Gewerbeverband hat Flyer in die Briefkästen geworfen, auch gibt es eine eigens erstellte Website www.einkaufen-in-gruenwald.de. Geht es schon um die Frage des Überlebens? "Wenn kein kompletter Shutdown mehr kommt, dann wird es gehen", sagt Grasse voraus.

Trotzdem erwartet sie noch viele Folgen, auch für die Lieferanten. Denn wer noch auf der Ware vom ersten Lockdown sitze, ordere nichts Neues. "Für viele Einzelhändler ist dies momentan eine eher deprimierende Zeit." Optimistischer gestimmt ist Angela Weber, Inhaberin des Grünwalder Spielwaren- und Geschenkeladens "Papyrus". Weber ist froh, dass der befürchtete komplette Lockdown ausgeblieben ist und glaubt, dass die Lage am Stadtrand im Moment günstiger sei als in der Stadt: "Viele vermeiden jetzt den Einkaufsbummel in der Stadt und kommen zu uns." Wegen der vielen treuen Stammkunden sagt sie: "Ich habe jetzt noch keinen großen Unterschied zum Weihnachtsgeschäft im letzten Jahr bemerkt." Margit Schuhmann, Vorsitzende des Gewerbeverbands Unterschleißheim, dagegen berichtet von einem Kundenrückgang in Höhe von 43 Prozent, sowohl in Unterschleißheim als auch in ganz Bayern. Das habe eine Umfrage des Bundes der Selbständigen in Bayern ergeben.

Ein offener Brief an die Politik trägt die Überschrift "Operation gelungen - Patient tot". "Der erneute Lockdown in Teilbereichen unserer Wirtschaft ist eine Operation am offenen Herzen vieler Betriebe", heißt es darin unter anderem. Die Beeinträchtigungen durch die Coronakrise bewerteten in der Umfrage mehr als 80 Prozent der Betriebe schon vor dem zweiten Lockdown als schwierig oder existenzbedrohend. November und Dezember seien die umsatzstärksten Monate im Einzelhandel, wenn diese fehlten, gerate das gesamte Gleichgewicht des Jahres aus dem Takt, erklärt Schuhmann.

Diese Situation sei in Unterschleißheim kein bisschen besser, versichert sie. "Es ist wirklich daneben, die Gastronomie zu schließen", sagt Schuhmann. "Die haben wahnsinnig Geld investiert und waren noch nie Hotspot." Und ohne Einkehr in ein Gasthaus kauften auch weniger Menschen ein. Besonders schlimm findet Schuhmann, "dass wir nicht wissen, wie es weitergeht". Viele der Maßnahmen versteht sie nicht. "Da ist einfach keine Logik dahinter." In Bus und Bahn sei es voll, aber vor einem Juwelier müssten die Menschen in der Kälte Schlange stehen.

Trotz aller Widrigkeiten jedoch machten alle Gewerbetreibenden sehr viel, um das Weihnachtsgeschäft doch noch ein wenig zu retten, so Schuhmann. Sie schätzt auch das Bestreben vieler Kunden, regional einzukaufen.

© SZ vom 30.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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