Ausblick:Der Weg in eine bessere Zukunft

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Für die Kreisräte des Landkreises München wird 2016 ein arbeitsintensives Jahr. (Foto: Claus Schunk)

Die Unterbringung von Flüchtlingen wird auch im Jahr 2016 die Agenda des Landkreises bestimmen. Doch es gibt noch ganz andere Herausforderungen.

Von Stefan Galler, Iris Hilberth und Martin Mühlfenzl

Mit ganzer Kraft können sich die Landkreispolitiker in diesem Jahr den großen Herausforderungen stellen, müssen sie doch - was die Ausnahme ist - 2016 keinen einzigen Wahlkampf bestreiten. Und es sind gewaltige Herausforderungen, die auf Politik und Gesellschaft im bevölkerungsreichsten Landkreis des Freistaates zukommen. Die SZ gibt einen Ausblick auf die bestimmenden Themenfelder der kommenden zwölf Monate - die allerdings Wirkung weit über dieses Jahr hinaus entfalten werden.

Asyl

Das Jahr 2015 stand im Landkreis im Zeichen der Flüchtlingspolitik - und daran wird sich auch in den kommenden zwölf Monaten nichts ändern. Den Kreispolitikern ist es bisher in erster Linie zu verdanken, dass die Willkommenskultur in dieser Region als beispielhaft bezeichnet werden darf; trotz manch kontroverser Auseinandersetzungen gerade bezüglich der Unterbringung von Schutzsuchenden. 9000 ist die Zahl, die derzeit die Debatte bestimmt. 9000 Asylbewerbern wird der Landkreis allen Prognosen nach in diesem Jahr ein Zuhause bieten müssen - mindestens.

Dabei wird der Kreis weiter auf Notunterkünfte wie Traglufthallen setzen und auch Turnhallen werden vorübergehend als Herbergen herhalten müssen. Mit viel Geschick und schnellen Wechseln bei der Belegung kann es Landrat Christoph Göbel (CSU) aber wieder schaffen, keinen Unmut aufkommen zu lassen. In diesem Zusammenhang wird auch die Intonation weiter eine entscheidende Rolle spielen; eine Landkreis-CSU - im Schulterschluss mit den anderen Parteien -, die einen wohltuenden Kontrast zu den überdrehten und teils am rechten Rand fischenden Stimmen ihrer Landespartei darstellt.

Finanzen

Selten war der Finanzhaushalt des Landkreises ein ähnlich kryptisches Pamphlet wie die aktuelle Ausgabe für das Jahr 2016. Und das liegt, na klar, am alles beherrschenden Thema Asyl. Denn keiner weiß, in welche Dimensionen sich die Zahl der unterzubringenden Menschen tatsächlich bewegt. Würde Kämmerer Markus Kasper für das ganze Jahr mit jenen 9000 Flüchtlingen planen, die für den Landkreis prognostiziert werden, es wären im Vergleich zu 2015 satte 40 Millionen Euro zusätzlich nötig. Und die müsste sich der Landkreis selbstverständlich von den Kommunen nehmen, in Form der Kreisumlage.

Doch Landrat Göbel verfährt nach dem Motto, den Gemeinden nur das abzuverlangen, was unbedingt nötig ist. Deshalb verfolgte er bei den Haushaltsverhandlungen das Ziel, bei der Erhöhung der Umlage einen Kompromiss zu machen. Sollten die Mittel absehbar nicht ausreichen, wird dann zur Jahresmitte ein Nachtragshaushalt erstellt. Zunächst aber hält sich die Umlageerhöhung um 2,9 auf 44,9 Prozentpunkte in Grenzen. 110,5 neue Stellen werden im Landratsamt geschaffen, die meisten davon im Bereich Asyl.

Bauen und Wohnen

In den nächsten Jahrzehnten wartet eine Herkulesaufgabe auf die Metropolregion München, was die Unterbringung von Menschen angeht. Denn immer mehr Leute drängen in die Speckgürtel, wollen hier leben und arbeiten. Der Landkreis trägt dieser Entwicklung Rechnung und hat 2015 eine groß angelegte Wohnbauinitiative auf den Weg gebracht: Bis 2021 werden insgesamt 25 Millionen Euro bereitgestellt, um flächendeckend in allen 29 Städten und Gemeinden bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. 2016 soll das "Bonusprogramm" so richtig anlaufen.

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(Foto: Claus Schunk)

Der bevölkerungsreichste Landkreis des Freistaats ist ein prosperierender - daher auch einer mit viel Verkehr.

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(Foto: Claus Schunk)

Das weiß der radelnde Landrat Christoph Goebel.

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(Foto: Angelika Bardehle)

Zu den großen Herausforderungen 2016 gehört die Integration von Flüchtlingskindern...

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(Foto: Claus Schunk)

...und die Energiewende.

Konkret geht es beispielsweise darum, Einheimischen eine Chance auf eine Wohnung zu bieten, die wegen ihres geringen Einkommens auf dem Markt keine Chance hätten. Die Mieten dürfen laut Kreistagsbeschluss nicht mehr als zehn Euro pro Quadratmeter betragen.

Bildung

Die Reform der Schulzweckverbände ist nahezu abgeschlossen - das neue Bild der Bildungslandschaft indes noch lange nicht. Denn vor allem die weiterführenden Schulen müssen mit der rasanten gesellschaftlichen Entwicklung und der sich verändernden sozialen Struktur mithalten. In diesem Sommer eröffnet etwa das Sonderpädagogische Förderzentrum in Unterhaching - ein 45-Millionen-Projekt, das Schülern mit erhöhtem Förderbedarf neue Türen öffnen soll. In die Rupert-Egenberger-Schule in Unterschleißheim investiert der Landkreis nahezu 15 Millionen Euro - samt Sanierung und Neubau eines Anbaus.

Doch das wird nicht reichen: Und so wird neben der Diskussion um die Realschule in Haar vor allem jene um ein neues Gymnasium im Osten des Landkreises weitergehen - mit Unterstützung des Landrats. Denn dort konkurrieren die Gemeinden Aschheim und Feldkirchen mit Poing im Landkreis Ebersberg um eine neue mögliche Oberschule.

Verkehr

Verstopfte Straßen und überfüllte S-Bahnen sind der Normalzustand im Landkreis. Alles konzentriert sich dabei auf die Wege in und aus der Landeshauptstadt, ein sinnvolles Abweichen von diesen zentral ausgerichteten Routen ist noch eine Seltenheit. Die ob der knappen Kassen nicht ganz ernst gemeinte Vision von Landrat Christoph Göbel, einen S-Bahn-Ring um München zu errichten, bleibt zwar vorerst Utopie, doch sind die fehlenden Tangentialverbindungen auch im Jahr 2016 ein großes Thema. Eine Umfrage dazu wurde gerade beendet, im Sommer sollen die Ergebnisse vorliegen und über mögliche Umsetzungen diskutiert werden.

Mobilität bedeutet aber nicht nur Ausbau von Straßen und Verbesserung des Öffentlichen Personennahverkehrs. Die Kreispolitiker haben auch mehr und mehr das Fahrrad als wichtiges Verkehrsmittel entdeckt. Der Ausbau des Radwegnetzes für Alltagsnutzer soll fortgesetzt und durch eine verbesserte Wegweisung attraktiver werden. Auch für die Radschnellverbindungen in München und Umland soll demnächst eine Machbarkeitsstudie erstellt werden.

Soziales

Etwa 20 Prozent der Kreisumlage fließen jedes Jahr in soziale Ausgaben des Landkreises. Die Planstellen haben sich im Kreisjugendamt in den vergangenen zehn Jahren um 45 Vollmitarbeiter erhöht. 70,8 Millionen Euro hat der Kreis 2015 für sozialen Aufgaben ausgegeben, 2016 sind etwa 75 Millionen vorgesehen. Geld, das vermehrt in die Prävention gesteckt wird. Darunter fallen Investitionen in eine verbesserte Jugendhilfe, in Beratungsangebote wie etwa die Fachstelle für die Verhinderung von Obdachlosigkeit oder eine verbesserte Familienberatung.

Der Status-Quo soll hier trotz der hohen Kosten im Bereich Asyl gehalten werden, zusätzliche große Sprünge kann sich der Kreis aber nicht erlauben. Die gestiegenen Kosten in der Jugendhilfe sind großteils auf die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge zurückzuführen. Einige Neuerungen gönnt sich der Kreis dennoch: Beschlossen ist die Einrichtungen einer Täterberatung. Geschaffen werden soll von 2016 an auch ein flächendeckendes ambulantes Versorgungsangebot für Demenzkranke.

Energie und Umwelt

Zehn Jahre lang hatte der Landkreis eine Energievision, die letztlich lediglich Vision blieb und von deren Umsetzung er heute weiter entfernt ist als zuvor. Jetzt, da die Vereinbarung von 2006 als gescheitert angesehen wird, machen sich die Kreispolitiker mit Nachdruck daran, eine neue, zukunftsträchtigere Version der Vision zu erarbeiten. Der einstige Plan werde "weiterentwickelt", heißt es. Konkret geht es 2016 darum, sich nicht wie damals zu stark auf Einsparung von Energie zu konzentrieren.

Denn inzwischen sind sich alle einig, dass in einer wirtschaftlich prosperierenden Region wie dem Landkreis München ein solches Ziel schwerlich zu erreichen ist. Vielmehr will man auf die Umstellung auf erneuerbare Energien setzen und dabei Bürger und Unternehmen in die Entwicklung eines tragfähigen Konzeptes verstärkt einbeziehen. Ideen und neue Lösungsvorschläge soll auch eine Kooperation mit dem Landkreis Steinfurt in Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Regio-Twin-Projekts der Bundesregierung liefern. Einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz wird der Landkreis wieder mit der Teilnahme am Stadtradeln liefern, bei dem es gilt, das Ergebnis von 2015 zu übertrumpfen. 790 000 Kilometer hatten mehr als 4000 Radfahrer in drei Wochen zurückgelegt.

© SZ vom 09.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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