Prozess vor dem Münchner Landgericht:Zwölf Kilo Marihuana per Post

Lesezeit: 2 min

Dem spanischen Zoll fiel ein Paket auf, das an einen Lagerraum an der Landsberger Straße adressiert war. Absender: ein Elektrohandel aus Madrid (Archivbild). (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Ein 26-Jähriger mietet unter falschem Namen in Deutschland Lagerräume an. An einen dieser Self Storages in München werden zwei Pakete aus Madrid geschickt - mit illegalem Inhalt. Das dritte Päckchen schickt die Staatsanwaltschaft.

Von Susi Wimmer

Früher hätte man vermutlich Lagerraum gesagt, heute heißt es "Self Storage". Man stellt sich immer vor, dass Leute an diesen gemieteten Orten wertvolle oder geheime Sachen aufbewahren, die in der Wohnung keinen Platz finden. Oder Weltenbummler, die ihre Habseligkeiten unterstellen, während sie durch die Länder tingeln. Kenan S. hatte für den Lagerraum in München eine ganz andere Verwendung, wenngleich ebenfalls eine geheime: Er bunkerte kiloweise Drogen.

"Es finden sich in den Akten kryptische Hinweise auf ein bulgarisches Netzwerk von Drogenhändlern in Self Storages", meinte Gilbert Wolf, Vorsitzender Richter der 8. Strafkammer am Landgericht München I. Allein, es fehle der Beweis.

Angeklagt ist der 26-jährige Bulgare wegen Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen sowie Handeltreibens. Zwei Lieferungen aus Madrid mit insgesamt zwölf Kilo Marihuana gingen an seinen Lagerraum, den er unter falschem Namen gemietet hatte. "Es tut mir sehr leid. Ich habe verstanden, was ich gemacht habe und möchte nichts mehr mit Drogen zu tun haben", sagt Kenan S. in abgehacktem Deutsch. Die Sprache hat er unter anderem in Stadelheim gelernt, wo er seit zehn Monaten in Untersuchungshaft sitzt.

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Dass Kenan S. als Drogendealer aufflog, ist einer Zufallskontrolle des spanischen Zolls zu verdanken: Den Beamten fiel Anfang Januar dieses Jahres ein Paket auf, das an einen Self Storage an der Landsberger Straße in München adressiert war. Absender: ein Elektrohandel aus Madrid. Die Kollegen informierten den Münchner Zoll, der nahm die Adresse in Augenschein und stieß auf ein weiteres Paket. Dieses wartete dort in einem Zwischenlager auf den Empfänger. Mit einem Röntgengerät stellte man "organisches Material" fest, wie eine Zollbeamtin vor Gericht erzählte, und auch der Rauschgifthund gab hörbar Laut.

Bei der Staatsanwaltschaft wurde die verdächtige Fracht schließlich geöffnet. Es fand sich darin: ein kleiner Stromverteilerkasten - und in diesem fünfeinhalb Kilogramm Marihuana. "Mein Büro hat gestunken, das können Sie sich gar nicht vorstellen", erzählt Staatsanwältin Anais Panhans in der Verhandlung. Alsdann stellte man dem Lagerhaus ein vom Zoll präpariertes Paket zu, und als Kenan S. es am 11. Januar abholen wollte, griff eine Spezialeinheit des Bundeskriminalamts zu.

Ähnliche Strafverfahren gibt es in etlichen Städten - doch keine Beweise, dass die Taten zusammenhängen

"Ivan Stojanov", diesen Alias-Namen hatte sich Kenan S. ausgedacht. Er verfügte auch über einen entsprechend gefälschten Ausweis. Unter dieser Identität hatte er in Saarbrücken ebenfalls einen Lagerraum in einem Self Storage angemietet, dort wurden drei Pakete zugestellt. Außerdem gab es noch ein Lagerabteil in Berlin sowie eine Lagerbox.

Richter Gilbert Wolf zählt auf, dass es ähnliche Strafverfahren mit Self Storages und Drogen in Memmingen gebe, auch in Neu-Ulm und anderen Städten. Aber, so sagt auch die Zollbeamtin, man habe keine Hinweise oder Querverbindungen zu Kenan S. entdecken können. Zwar fanden sich auf dem Mail-Account in seinem Handy 27 Nachweise für zugestellte Sendungen aus Spanien, jedoch keine weiteren handfesten Beweise. Und: "Es kommen auch weiterhin Pakete von Madrid nach Deutschland", sagt Richter Wolf.

Erst Entzug und dann Gefängnis - die Frage ist noch offen

Die Prozessbeteiligten vereinbaren einen Deal: Über seinen Anwalt Maximilian Donhauser legt der Angeklagte ein umfassendes Geständnis ab, dafür sichert ihm das Gericht - so sich nicht noch andere Umstände ergeben - eine Freiheitsstrafe von viereinhalb bis fünf Jahren zu.

Kenan S., der sich selbst bei der Gutachterin als "bulgarischer Türke mit muslimischem Glauben" bezeichnete, erzählt, dass er aufgrund seines Drogen- und Alkoholkonsums "kein richtiger Moslem" sei. Nach dem Abitur in Bulgarien fing er ein Studium an, brach es aber ab, "um Geld zu verdienen". Er arbeitete am Bau, ging mit einer Grillstation pleite, versuchte sein Glück in Berlin und jobbte bei einer Umzugsfirma. "Zum Stressausgleich" kokste er, rauchte Joints und trank Whiskey. Ob der Konsum ausreicht, um eine Unterbringung in eine Entzugsklinik anzuordnen, wird das Gericht nächste Woche entscheiden.

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