Kulturpolitik:Minister auf glattem Eis

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Standfest: Markus Blume im Dezember im Prinzregentenstadion beim Eiskunstlaufen - zu der Zeit noch CSU-Generalsekretär. (Foto: Stephan Rumpf)

Bayern hat schon wieder einen neuen Kunstminister: Markus Blume. Spaenle, Kiechle, Sibler konnten es dem Ministerpräsidenten nicht recht machen. Doch was sagen Protagonisten aus der Kulturszene wie Mama Bavaria Luise Kinseher und ihr Kollege Wolfgang Krebs dazu?

Von Susanne Hermanski, Oliver Hochkeppel und Michael Zirnstein

Als der Frühlingsanfang 2018 zu seinem Ende als Kunst- und Kultusminister wurde, fiel Ludwig Spaenle aus allen Wolken des weißblauen Himmels. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Freund Markus Söder, der immerhin Taufpate seines Sohnes ist, ihn kurzerhand aus dem Amt werfen würde bei seiner ersten Kabinettsumbildung. Bernd Sibler ahnte dagegen schon länger, dass der Pate, was ihn anbelangt, keine Beißhemmung haben würde.

Sibler war im Frühling 2018 zunächst noch auf der Position des Kultusminister platziert worden. Denn das Superministerium wurde nach Spaenle wieder einmal geteilt - in "Unterricht und Kultus" auf der einen und "Wissenschaft und Kunst" auf der anderen Seite. "Kunst und Wissenschaft" fielen zunächst an eine Seiteneinsteigerin: die Ärztin Marion Kiechle, Direktorin der Frauenklinik rechts der Isar - ein Aushängeschild für ein Söder-Kabinett, das weiblicher und weltoffener wirken sollte. Wenige Monate später wurde sie wieder zurück auf Los geschickt. Nach der Wahl erschien die passionierte Wissenschaftlerin, die gern mal in die Oper, aber auch ins Rolling Stones-Konzert ging, dann doch wieder verzichtbar.

Zudem wurde ihr Ministerposten anderweitig gebraucht: für Bernd Sibler. Denn auf dessen "Unterricht und Kultus"-Job meldeten die neuen Koalitionspartner, die Freien Wähler, Ansprüche an (klar, eine Schule gibt es beinahe noch in jedem Dorf, eine Universität definitiv nicht). Und so kam es, dass der ehemalige Lehrer Sibler das Ministerium für Wissenschaft und Kunst und der ehemalige Wissenschaftler (Politik und Jura) Michael Piazolo das Ministerium für Unterricht und Kultus übernahm. Spätestens die Pandemie sorgte dafür, dass sich beide vom Regen in der Traufe wiederfanden.

Bernd Sibler ging darin nicht unter, er richtete in seinem Ministerium seit dessen Bestehen die erste offizielle Stelle für die freie Szene ein, und suchte die gesamte Corona-Krise über den Austausch mit ihr. Dass Bayern trotzdem in der Corona-Krise durchgehend die drakonischsten Vorschriften wider den Kulturbetrieb aufbot, ist viel beschrieben worden. Die Pandemie ist noch nicht vorbei, vor allem nicht für die Kulturschaffenden, die weiter mit verängstigtem und entwöhntem Publikum zu tun haben und allerorten auf Jahre mit zusammengestrichenen Sparetats ringen werden.

Blume erbt die Probleme, doch werden sie ihn interessieren?

Dass mit Markus Blume nun ein Mann Minister ist, der mit dem klaren Auftrag antritt, die Wissenschaftsoffensive der Staatsregierung voranzubringen, wird der Kultur dabei wenig helfen. Die Probleme, die schon in den "guten Zeiten" vor Corona virulent waren, erbt Blume, doch werden sie ihn interessieren? Die zahllosen Sanierungsfälle allein in der Landeshauptstadt - wie das Haus der Kunst, die Bayerische Staatsoper, das Residenztheater, der Marstall, die seit drei Jahren geschlossene Neue Pinakothek? Man denke auch an die Leuchtturm-Projekte wie Biotopia und das Konzerthaus, die so gar nicht vorankommen.

Und wie sieht sieht man in der freien Szene den Wechsel? Dort, wo die Pandemie am heftigsten gewütet hat, wo man in Sibler aber durchaus einen Mitstreiter fand. "Ich habe ihn noch vor dem Rauswurf auf dem Handy angerufen und ihm quasi vorsorglich für die Zusammenarbeit gedankt", sagt Wolfgang Krebs. Der Kabarettist nimmt auf der Bühne oft Söder und Aiwanger aufs Korn, in der Not nun arbeitete er ihnen als "eine Art Klassensprecher" der Kultur in Siblers Begleitausschuss zu: "Er war mit vielen Künstlern und Veranstaltern in Kontakt - das muss er ja nicht, es gab bedeutend abgehobenere Kunstminister." Das kann der Kleinkunst-Veranstalter Till Hofmann nur bestätigen: "Bernd Sibler hat sich für unsere Szene sehr engagiert und hat sie auch in ihrer Breite wahrgenommen. Besonders die Kulturinitiative im ländlichen Raum hat mit ihm gut funktioniert. Ich hoffe, dass sich das mit Markus Blume fortsetzen lässt."

Luise Kinseher wird beim Humorfestival in Bernried erwartet. (Foto: Tobias Hase/dpa)

Tatsächlich sind gerade die Kabarettisten, scharfe Beobachter der Obrigen, diesbezüglich gar nicht so pessimistisch. Luise Kinseher, die sagt, sie wollte sich selbst als Kunstministerin bewerben, hätte sie dann nicht Söder zum Chef gehabt, kennt Blume als "eher feineren, ausgleichenden, intellektuellen Charakter", was für einen Generalsekretär untypisch sei. "Vielleicht hat man sich gesagt, da passt er besser zu Kunst und Wissenschaft."

Und Krebs hat Blume immer wieder bei Kulturveranstaltungen gesehen, im Publikum oder auf der Arbeitsebene, er kennt ihn seit Jahren: "Der hat Ideen, bringt Dinge auf den Punkt, und den kann man auch erreichen." Vielleicht wird man umdenken müssen, wegen Blumes Vorleben als Eistänzer in der Jugend: Ob er jetzt auf Schlittschuhen auftreten müsse, fragt sich der Imitator Krebs, jedenfalls kenne sich Blume aus auf rutschigem Parkett. Und als Eiskunstläufer, so ergänzt Luise Kinseher, habe Blume "die eisige Kälte des Söder'schen Führungsstils verinnerlicht, er hat was mit Kunst zu tun und kann im Zweifel auch davonlaufen".

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