Konzertsaal im Werksviertel:Was Künstlerinnen und Künstler vom Konzertsaal erwarten

Geräumige Garderoben, holzvertäfelte Wände und eine zauberhafte Akustik: Die SZ hat Dirigenten, Instrumentalisten und Sänger gefragt, was ihnen wichtig ist.

Von Michael Bremmer, Oliver Hochkeppel, Christian Krügel, Egbert Toll und Michael Zirnstein

Igor Levit, Pianist

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(Foto: Stephan Rumpf)

"Wäre ich Juror, möchte ich wissen: Was soll die Seele dieses Hauses sein? Welche Geschichte wollen wir damit erzählen? Wenn es nur darum geht, dass München einen neuen Saal mit der schärfsten Akustik der Welt bekommt, dann ist das selbstgefällig und mir entschieden zu wenig. Eines der besten Orchester der Welt braucht einen erstklassigen Saal - ja, das ist berechtigt und sehr wichtig. Aber es reicht nicht. Wir müssen uns entscheiden: Wollen wir ein Haus, in dem wir das immer Gleiche tun - klassische Konzerte spielen für eine zahlende Klasse, die sich Mahler und Beethoven anhört? Oder wollen wir ein Haus, das alle einlädt teilzuhaben? Wollen wir ein Haus der Exklusivität oder eines des gesellschaftlichen Diskurses? Damit will ich nichts gegen den Konzertbetrieb und das heutige Publikum sagen. Das ist großartig. Aber unsere Gesellschaft definiert sich gerade neu. Niemand weiß, wie unsere Welt aussehen wird, wenn das Konzerthaus in einigen Jahren fertig ist. Deswegen brauchen wir eine Vision, die dann tragen kann. Der Anteil von Jurys, Bauplänen, Technik, Architektur daran ist gering - wichtig ist, mit welchen Programmen wir ganz breit die Fragen beantworten, die sich der Gesellschaft stellen. Das Konzerthaus braucht eine Erzählung: Warum bin ich da und für wen bin ich da?"

Julia Fischer, Violinistin

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(Foto: N/A)

"Unbedingt zu beachten ist, dass die Garderoben geräumig und in direkter Nähe zur Bühne liegen. Lange Wege für die Künstler innerhalb eines Konzerthauses darf es nicht geben. Wichtig ist auch die Größe der Bühne: Es muss genügend Platz sein für eine große Orchesterbesetzung, doch die Bühne sollte auch angepasst werden können für kleinere Ensembles."

Daniel Harding, Dirigent

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(Foto: AFP)

"Heutzutage muss ein großer Konzertsaal mehr sein, als wir das in der Vergangenheit gewohnt waren. Es muss ein Haus sein, das nicht nur eine exzellente und anpassbare Akustik hat, sondern das einen eigenen Wert hat durch die kulturellen Schätze, die dort gepflegt werden. Eines, das wie ein Magnet in der Stadt wirkt. Ein flexibler Raum, der Vorstellungskraft und Kühnheit von denen verlangt, die dafür verantwortlich sein werden. Das Konzerthaus muss eine Vision einfordern, es darf nicht nur dazu da sein, Kunst zu teilen, sondern muss selbst Teil der Kunst sein."

Diana Damrau, Sopranistin

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(Foto: Simon Fowler)

"Mein Hauptaugenmerk würde - neben einem ansprechenden Design und einer Einbindung des Hauses in ein stark frequentiertes Umfeld - besonders auf zwei Punkten liegen: Auf der Funktionalität und der Akustik. Die Funktionalität für den Künstler im Backstagebereich und die Funktionalität für das Publikum: Dem Besucher des Konzerthauses sollte auf jedem Platz eine gute Sicht, gute Akustik und eine ausreichende Beinfreiheit gewährleistet sein. Die Akustik darf auf keinen Fall zu trocken sein und sollte flexibel angepasst werden können, das heißt die Akustik ist darauf anpassbar, ob ein Sinfonieorchester gastiert, ein Kammermusikprojekt oder ein Liederabend präsentiert wird."

Christoph Lieben-Seutter, Intendant der Elbphilharmonie

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(Foto: Robert Haas)

"Ich würde sehr auf die Innengestaltung des Konzerthauses achten. Für den nachhaltigen Erfolg beim Publikum entscheidend ist weniger eine spektakuläre Fassade als die Atmosphäre und das Erlebnis, das einen Besucher umfängt, sobald er das Haus betritt. Dabei geht es nicht nur um den Konzertsaal selbst und um großzügige Foyers. Auch Garderoben, Toiletten und die Anordnung von Bars und Gastronomie haben einen großen Anteil am Gesamterlebnis, werden aber oft von Architekten beim Entwurf vernachlässigt. Es gibt Konzerthäuser, die von außen toll aussehen, die aber innen trist und disfunktional sind. Und: In München ist der Platz beschränkt, das Raumprogramm aber ehrgeizig. Die Jury muss der Gefahr vorbeugen, dass am Ende für alle Funktionen zu wenig Platz ist, statt für die Hauptsache wirklich genug."

Beate Springorum, Vorstand Münchner Philharmoniker

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(Foto: wildundleise.de; Münchner Philharmoniker/oh)

"Ein guter Saal lässt den Klang nachschwingen und überträgt ebendiese Schwingung auf Instrument, Musiker und Zuhörer. Er gewährt Transparenz für die einzelnen Solo-Stimmen und überträgt das ganze Volumen des opulenten Klanges eines großen Orchesters."

Andreas Martin Hofmeir, Tubist

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(Foto: Veranstalter/oh)

"Ich darf sagen, dass aus tubistischer Sicht die Akustik des neuen Konzertsaales zweitrangig ist: Im Gegensatz zu anderen Instrumenten ist der grundsätzliche Wohlklang der Tuba nicht auf Unterstützung angewiesen. Allerdings sollte dringendst auf Podiumsplätze hinter dem Orchester verzichtet werden. Wir Tubisten sehen es nicht gerne, wenn das Publikum uns beim Konsumieren von fachfremder Lektüre über die Schulter schaut, während sich die Geigen vorne einen Wolf spielen. Ganz grundsätzlich empfehle ich große Glasfronten im Stile der Elbphilharmonie, um den Konzertbesuchern den atemberaubenden Blick auf die umliegenden Industriehallen zu ermöglichen."

Yulianna Avdeeva, Pianistin

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(Foto: picture alliance / dpa)

"Das Entscheidende an einem Konzertsaal ist für mich seine Atmosphäre, die eine besondere, festliche Stimmung hervorruft. Eine warme Holzverkleidung trägt zu dieser Aura bei. Ein Konzertsaal ist eine Art Tempel, wo die Musik zelebriert wird. Daher empfinde ich es äußerst stark, wenn der Ort eigene Inspirationswellen ausstrahlt, die das Konzert zu einem besonderen Erlebnis machen. Aber diese Wellen können nur durch das Publikum und durch die Künstler zum Leben erweckt werden."

Barbara Dennerlein, Jazz-Organistin

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(Foto: Imago/Kickner)

"Der Klang muss linear und ausgewogen sein, ohne dass einzelne Frequenzen überbetont werden oder sich gar aufschaukeln. Der Konzertsaal darf nicht zu trocken sein, aber gleichzeitig sollte er auch nicht zu viel Hall haben. Ideal wäre es, wenn man leise Töne gut hört, aber auch mal lauter spielen kann, ohne dass dies auf Kosten der Klangqualität geht. Dies erfordert auch eine gute und an den Raum angepasste Tonanlage für Bandprojekte. Die Atmosphäre soll für die Musiker und das Publikum gleichermaßen angenehm sein, eine schöne Bühne und farbige Beleuchtung, um verschiedene Stimmungen zu zaubern. Und natürlich muss eine Konzertorgel da sein, nur sollte diese dann auch regelmäßig gespielt werden - nicht so selten wie in der Münchner Philharmonie."

Nikolaus Bachler, Intendant der Bayerischen Staatsoper

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(Foto: Robert Haas)

"Münchens neuer Konzertsaal braucht eine mutige Form, damit das Gebäude in der Stadt und darüber hinaus sofort eine Identität bekommt. Ein architektonisch anspruchsvolles Gebäude hat immer auch eine künstlerische Signalwirkung nach außen. Das Wichtigste wird natürlich die Akustik sein - bei aller professionellen Planung immer auch ein Lotteriespiel. Ich bevorzuge das Schuhschachtel-Prinzip: Diese Anordnung bündelt die Konzentration auf das Orchester und hat auch Vorteile für jede Form von Gesang. Darüber hinaus braucht ein heutiger Konzertsaal vielfältiges Leben: Studiobühnen, Kammermusiksaal, Räume für Kinder-und Jugendprojekte und Experimentalräume. Vor allem aber braucht es eines: eine künstlerische Leitung! Das schönste Haus ohne geistigen Inhalt ist wertlos."

Philipp Ginthör, Chef Sony-Music Deutschland

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(Foto: Stephan Rumpf)

"Ich wünsche mir, dass der Raum für jeden Besucher ein nachhaltiges Konzerterlebnis transportiert. Dazu zählen für mich ein perfekt abgestimmtes akustisches Konzept und beste Perspektive auf das Geschehen von allen Plätzen. Das Haus sollte eine offene und modulare Architektur vorweisen, die Lust auf Begegnung macht, mit Musik und mit Menschen."

Claudia Holmeier, Pop-, Video-, Kunst-Festival "Digitalanalog" (Foto)

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(Foto: Stephan Rumpf)

"Für die Nutzung des neuen Hauses wünschen wir uns vor allem musikalische Offenheit, denn erfahrungsgemäß hat die 'klassische' Hochkultur noch immer ihre Berührungsängste und Vorbehalte uns von der Pop-Kultur gegenüber. Veranstaltungsfreundliche Anfahrtswege und Abläufe wären traumhaft. Unsere Konzerte zwischen Rock, Songwritern, Avantgarde und Elektronik mit Video- und Installationskunst benötigen multifunktionale, wandlungsfähige Räume. Ein offenes Ohr für die kommende Veranstaltung, auch wenn gerade andere Veranstaltungen laufen. Die Geschäftsführung des neuen Konzerthauses sollte für das Konzept des freien Eintritts offen sein."

Yannick Nézet-Séguin, Dirigent

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(Foto: Marco Borggreve)

"Das Wichtigste ist, dass die Architektur eine akustische Qualität ermöglicht, die das Schöne, das Besondere von auftretenden Orchestern hörbar macht. Es geht dabei um Transparenz und um eine Art Magie. Die wirklich guten Säle haben so eine Magie. Nur wenn sich Transparenz und Magie vereinen, kriegt man das wahre Erlebnis, nur dann kann man den Klang eines fantastischen Orchesters, wie des BR-Symphonieorchesters, zur Gänze erfahren."

Jörg Widmann, Klarinettist und Komponist

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(Foto: dpa)

"Der ideale Konzertsaal muss klingen. Wann klingt er? Zunächst: wenn die Musiker auf der Bühne sich hören, wenn vom magischen Pianissimo bis zum bruitistischen Fortissimo alles Raum hat zu atmen. Wenn sich das Publikum auf allen Plätzen des Saales gleichermaßen als Teil des Ganzen fühlt. In den schönsten Konzertsälen der Welt spielt es sich fast von selbst. Der Saal hilft, atmet selbst und ermöglicht Sternstunden für das Publikum und die Musik. Wenn es darüber hinaus noch gelingt, wie im Falle der Pariser Philharmonie, ein ganzes Stadtviertel aufzuwerten und zu einem neuen kulturellen Zentrum zu machen, dann sind alle Mühen und Schwierigkeiten der Entstehung rasch vergessen."

Josef Köpplinger, Intendant des Gärtnerplatztheaters

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(Foto: dpa)

"Ein perfekter Konzertsaal muss erfüllen, was ich die vier As nenne - Architektur, Ambiente, Akustik und Atmosphäre - und den Wunsch befriedigen, für alle Menschen offen zu sein, da die Musik als Weltsprache alle Menschen verbinden muss."

Thomas Angyan, Intendant der Gesellschaft der Musikfreunde Wien

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(Foto: AP)

"Konzerthäuser können heute nicht mehr wie im 19. Jahrhundert ausschließlich Konzerte in traditioneller Weise präsentieren. Vom klassischen Konzert über halbszenische Opernaufführungen bis hin zu multimedialen Projekten muss alles realisierbar sein. Wir haben diese Woche im Musikverein Janáčeks "Das schlaue Füchslein" in einer multimedialen szenischen Produktion aufgeführt. Möglichkeiten für Video-/Audio-Streaming, Scheinwerfer, Projektionsflächen, veränderbare Bühnenelemente und veränderbare Anordnung der Sitzplätze müssen geplant werden. Das wohl Wesentlichste ist: Der Saal muss ideale akustische Voraussetzungen haben. Vom ersten Tag an müssen Architekt und Akustiker eng zusammenarbeiten. Die Architektur darf die Akustik nicht behindern. Die Außenfassade ist hübsches Beiwerk, entscheidend sind Technik und Akustik."

Martin Grubinger, Perkussionist

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(Foto: imago stock&people)

"Ich würde darauf achten, dass sich Musiker dort wohlfühlen können und die Räume für sie entsprechend gut sind. Wenn Orchester und Instrumentalisten in einer Atmosphäre wirklich gerne arbeiten, entsteht ein ganz besonderer Spirit, der besondere Konzerte ermöglicht. Zweitens: Ich wünsche mir ein Konzerthaus, dass rund um die Uhr fürs Publikum geöffnet ist, das keine Hemmschwellen für Menschen bietet, die sich keine Konzertkarten leisten können. Es muss alle einladen und anziehen, es muss immer etwas geboten sein, Musikangebote für Kinder und Jugendliche. Und offene Proben, zu denen man einfach hingehen kann. Wir brauchen eine möglichst breite Akzeptanz, ein lebendiges Geschehen in einem lebendigen Haus. Die Fassade ist da fast Nebensache."

Rolando Villazón, Tenor

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(Foto: dpa)

"Der Konzertsaal sollte modern, aber trotzdem gemütlich sein, eine gute Akustik haben und - das ist das wichtigste - gefüllt mit neugierigen und engagierten Menschen. So wie dem Münchner Publikum."

Marie-Luise Modersohn, Oboistin Münchner Philharmoniker

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(Foto: wildundleise.de; Münchner Philharmoniker/oh)

"Der ideale Saal lässt ein Pianissimo bis in die letzten Reihen klingen und verschafft den ersten Reihen kein Unbehagen im lauten Fortissimo. Eine Ausgeglichenheit zwischen Transparenz und Wärme ist erstrebenswert. Für mich ist die Berliner Philharmonie der ideale Saal. Die Musiker haben sehr guten Kontakt auf der Bühne, und akustisch sind sowohl Publikum als auch Musiker zufrieden. Außerordentlich gelungen finde ich dort den Backstage-Bereich. Man muss nicht von der Garderobe bis zur Bühne über mehrere Stockwerke hechten und kann einen Konzertabend hinter der Bühne in der Kantine ausklingen lassen."

Folkert Uhde, Leiter des Radialsystems Berlin

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(Foto: picture alliance / dpa)

"Das Gegenteil eines Zauberbergs wäre schön. Ein Saal zu ebener Erde, bei dem man aus dem Foyer Musikern bei der Probe zuschauen kann. Mehrere unterschiedlich große Säle, in denen Musik jenseits von Genregrenzen leidenschaftlich gelebt werden kann. Ein wirkliches Haus der Musik, das magisch anzieht. Mit großer Flexibilität, in jeder Hinsicht. Ein sozialer, einladender Ort, der die Neugier auf den künstlerischen Inhalt und nicht nur auf die Hülle richtet. Und in dem man bleiben möchte, auch wenn das Konzert vorbei ist. Weil das Foyer zur Bar wird, in dem sich Musiker und Besucher treffen."

© SZ vom 21.10.17 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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