Konzerthaus-Projekt:Harte Recherche in den besten Konzertsälen Europas

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  • Ab Mitte November werden Landtagsabgeordnete in andere Städte reisen, um sich über deren Konzerthäuser zu informieren.
  • In München gehen nun die Verhandlungen mit den Architekten los. Der Kostenpunkt ist noch völlig unklar.

Von Lisa Schnell

In Luxemburg waren sie schon und in Paris, in Leipzig und in Dresden, auch in Polen, ja Kultusminister Ludwig Spaenle reiste sogar bis nach Sankt Petersburg. Der Grund all dieser Reiseaktivitäten ist das neue Münchner Konzerthaus. In ganz Europa informierten sich Mitarbeiter des Kultusministeriums, ein eigens eingerichteter Fachbeirat und der Minister persönlich, wie andere Städte das mit ihrer Philharmonie so gemacht haben. Es gab Führungen, Gespräche mit vielen Spezialisten und natürlich Konzerte in den neuesten und besten Sälen Europas.

Seit nun einer Woche stehen mit den Bregenzer Architekten Andreas Cukrowicz und Anton Nachbaur-Stumpf die Sieger des Architektenwettbewerbs fest. Das Münchner Konzerthaus soll ein transparent schimmerndes Glashaus werden. Auch wenn die Pläne noch nicht im Detail ausgearbeitet sind: Die Entscheidung ist gefallen. Die Erkundungsreisen aber gehen weiter.

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Mitte November werden nun Landtagsabgeordnete aus zwei Ausschüssen eine Woche lang in fünf Städte reisen, um mehr über die Konzertsäle dort zu erfahren. Es geht nach Lahti und Luzern, nach Luxemburg und Paris und natürlich in die Hamburger Elbphilharmonie, Konzerte und Führungen inklusive. Die Idee dazu hatten Thomas Mütze aus dem Haushaltsausschuss und sein Kollege Sepp Dürr aus dem Wissenschafts- und Kunstausschuss. Sie sind bei den Grünen, bei denen sonst gerne eine gewisse Skepsis gegenüber teuren Ausschussreisen herrscht. Jetzt aber sagt Mütze: "Zu dieser Reise stehe ich. Sie ist wirklich sinnvoll."

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Auch wenn der Entwurf für München feststehe, gebe es noch viele offene Fragen. Mütze interessieren als Haushaltspolitiker vor allem die Kosten, die bei staatlichen Bauten vom Haushaltsausschuss genehmigt werden müssen. Wie hoch die ausfallen, ist beim Münchner Projekt noch nicht klar: Weder gibt es eine fertige Detailplanung noch erste konkrete Verhandlungen mit den Architekten. Dennoch wird der zuständige Bauminister Joachim Herrmann an diesem Mittwoch im Landtag bereits von den Landtagsabgeordneten danach intensiv gefragt werden. In einer gemeinsamen Sitzung von Haushalts- und Wissensschaftsausschuss wird er über den Architektenwettbewerb berichten.

Mehr als der grobe Kostenrahmen von 150 bis 300 Millionen Euro steht nicht fest, "einen Blankoscheck" werde es aber nicht geben, hatte Herrmann bereits gesagt und zudem mit Daniel Oden einen Experten im Staatlichen Bauamt zum Konzerthaus-Zuständigen ernannt. Gut möglich, dass das den Abgeordneten nicht reichen wird und Herrmann deshalb die Flucht nach vorne antreten wird, indem er auch noch externe Gutachter mit hinzuzieht. Das würde zwar zusätzlich Geld kosten, aber gäbe politische Sicherheit. Zu groß ist offenbar das Misstrauen der Abgeordneten gegen staatliches Bauen, gerade für die Kultur.

So verweist Thomas Mütze auf die gewaltigen Mehrkosten bei der Sanierung des Gärtnerplatztheaters. Und deshalb sei die einwöchige Informationsreise eben wichtig. So sieht das auch Ausschussvorsitzender Peter Winter (CSU) und verweist auf Gespräche mit Architekten und Controllern. Harald Güller von der SPD hofft, dass die Verwaltungen sich auch wirklich in die Karten schauen lassen. "Wenn am Ende eine gute Kostenplanung herauskommt, ist das Geld für die Reise gut angelegt", sagt Mütze.

Wie viel die Reise kosten wird, ist noch nicht klar. Insgesamt stehen für Informationsreisen in einer Legislaturperiode 4400 Euro pro Abgeordnetem zur Verfügung, also etwa 800 000 Euro für fünf Jahre. Dass diese nicht immer gut investiert sind, kritisierte 2016 der Bund der Steuerzahler, der die Touren einiger Ausschüsse nach Havanna, Dubai oder Tokio als "Polittourismus" bezeichnete. Dieses Jahr reisten die Abgeordneten schon nach Russland, Malaysia oder Israel. Warum sie so viel reisen müssen, ist auch Ludwig Hartmann, Fraktionschef der Grünen, nicht immer klar. Am Sinn der Fünf-Städte-Reise zum Konzerthaus aber hegt er keine Zweifel.

Mit Zahlen hat der Kunstausschuss in der Regel nicht viel zu tun. Oliver Jörg, CSU, aber fährt mit vier weiteren Kollegen trotzdem mit. Dass zum ersten Mal Kunst- und Haushaltsausschuss zusammen reisen ermögliche den Abgeordneten "aus einem Guss" über das Projekt zu sprechen, sagt Jörg. Er will auf der Tour erfahren, wie die Parlamente in anderen Ländern eingebunden waren. Seine Kollegin Isabell Zacharias, SPD, erwartet sich Inspirationen, wie Kultur für alle erreichbar gemacht werden kann. Der Eingangsbereich des Konzertsaals müsse so gestaltet sein, dass sich dort jeder wohlfühle. Sie erinnert außerdem an das Garderobenchaos im Winter im Deutschen Theater oder die ellenlange Schlange vor den Damentoiletten. Kleinigkeiten vielleicht, aber auch wichtig. Die geplanten Konzertbesuche seien notwendig, um zu sehen, wie der Betrieb in anderen Ländern funktioniere.

Dem vorläufigen Reiseplan ist zu entnehmen, dass die Tage nicht selten um sechs Uhr in der Früh beginnen und die Hotels um die vier Sterne aufweisen. Außer den 14 Landtagsabgeordneten fahren noch sechs Vertreter vom Kultusministerium mit sowie - teilweise - Grundstücksbesitzer Werner Eckart, auf dessen Areal das Konzerthaus gebaut werden soll. Isabell Zacharias will von einer Vergnügungstour nichts wissen: Sie erwarte "die anstrengendste Reise meiner ganzen Laufbahn".

© SZ vom 08.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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