Einigung zwischen CSU und Freien Wählern:Was der Koalitionsvertrag für München bedeutet

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So soll es werden: Visualisierung des geplanten Konzertsaal-Neubaus im Werksviertel am Münchner Ostbahnhof. (Foto: Bloomimages für Cukrowicz Nachbaur Architekten)

In ihrem Regierungsprogramm verpflichten sich CSU und Freie Wähler, das neue Konzerthaus im Werksviertel endlich zu errichten. Der Kunstminister kündigt jedoch eine "deutlich abgespeckte Version" an.

Von Heiner Effern und Susanne Hermanski

Der Freistaat will das neue Konzerthaus am Ostbahnhof bauen, aber bei Umfang und Kosten sparen. Das geht aus dem Koalitionsvertrag hervor, den die CSU und die Freien Wähler (FW) am Donnerstag unterzeichnet haben. Damit sollte die von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im März 2022 ausgerufene "Denkpause" für den Neubau beendet sein. "Wir stehen zu unserer Verantwortung, in München einen Konzertsaal im Werksviertel zu errichten, der der internationalen Bedeutung seiner Klangkörper gerecht wird", heißt es wörtlich im Fahrplan der neuen Staatsregierung.

Söder zeigte sich erfreut, dass sich die alte und neue Koalition für den von vielen Musikern, allen voran dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, so ersehnten Konzertsaal entschieden hat. Sein Kommentar bei der Präsentation des Koalitionsvertrags lässt auf vorherige Zweifel schließen. "Ich finde es schon mal sehr positiv, dass ein Bekenntnis dazu drinsteht", sagte der alte und designierte neue Ministerpräsident. "Das hätte ich vor den Verhandlungen als schwieriger erwartet, wenn ich ganz ehrlich bin." Gleichwohl betonte Söder, dass sich die Planung noch mal ändern müssen wird. "Das hängt schlichtweg mit enormen Kosten zusammen." Kunstminister Markus Blume (CSU) sieht das Konzerthaus in einer "deutlich abgespeckten Version" kommen.

Im Vertragswerk von CSU und FW steht nicht nur ein Bekenntnis zum Bau, sondern auch zur Kostensenkung. Mit Blick darauf werde die Koalition "die Planungen überarbeiten und redimensionieren". Was eine "Redimensionierung" des Konzerthauses konkret bedeuten könnte, blieb am Donnerstag offen. Zuletzt ging die Staatsregierung von etwa einer Milliarde Euro aus, die für das neue Konzerthaus für das Orchester des Bayerischen Rundfunks benötigt würde. Im März 2022 hatte Söder deshalb in einem Interview der Süddeutschen Zeitung eine "Denkpause" ausgerufen, um das Projekt grundsätzlich nochmals zu hinterfragen.

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Katja Wildermuth, Intendantin des Bayerischen Rundfunks und damit verantwortlich für das hauseigene Symphonieorchester, zeigte sich über das Ende des Moratoriums erfreut. "Das ist eine gute Nachricht für die Musikwelt in Bayern, die zahlreichen Unterstützer des Projekts und natürlich auch für unser Symphonieorchester und den Chor des Bayerischen Rundfunks mit seinem Chefdirigenten Sir Simon Rattle", sagte sie. Der BR gehe optimistisch in die nun erwarteten Gespräche und erhoffe sich einen "kreativen" Austausch. Wildermuths Ziel ist klar. Der Neubau im Werksviertel soll "nun rasch konkret Gestalt annehmen".

Ihr Vorgänger Ulrich Wilhelm, ein leidenschaftlicher Befürworter des Neubaus, fordert bei einer Umplanung aber auch Grenzen ein: "Charakteristisch für das neue Haus ist neben der Akustik auf Weltklasse-Niveau auch die Erfahrbarkeit von Musik für breite Teile der Bevölkerung durch neuartige Angebote und Flächen." Diese Möglichkeit für Innovationen müsste geschützt bleiben.

Sir Simon Rattle, der Dirigent des Orchesters, forderte: "Wichtig ist, dass wir jetzt schnell vorankommen." Von der Idee, das Projekt abzuspecken, hält er offenbar wenig: "Ein Konzerthaus im 21. Jahrhundert muss so viel mehr sein als ein Auditorium: Es muss ein Leuchtturm für Musik sein, der mit seinen räumlichen und digitalen Möglichkeiten weithin strahlt und inspiriert. Ein Haus für alle und für kommende Generationen", so der 68-Jährige.

Den Landtags-Grünen sind die Versprechungen im Koalitionsvertrag zum Konzerthaus und der Umplanung zu schwammig. Sie vermisse einen "neuen Zeitplan" und vor allem auch "einen klaren Zeithorizont zum Baubeginn", sagte ihre kulturpolitische Sprecherin Sanne Kurz.

Auf ein flottes Tempo drängt auch Georg Randlkofer, Vorsitzender der Stiftung Neues Konzerthaus München. Bei aller Freude über "diese klare Aussage" und bei allem Verständnis für den Kostendruck müsse die beabsichtigte Umplanung "aber unter Verwendung des bestehenden fertigen Entwurfs ganz zügig umgesetzt werden", sagte er. Eile hält er nicht nur wegen des nach einer Heimat suchenden Symphonieorchesters des BR für geboten, sondern auch aus finanziellen Gründen. "Denn nur, wenn schnell Kosteneinsparungspotentiale gehoben werden und auch schnell gebaut wird, können die Kosten reduziert werden."

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Auch Andreas Schessl, Münchens größter Klassikveranstalter, wünscht sich ein schnelles Vorankommen. "Die Welt beneidet das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks um seinen Chefdirigenten Sir Simon Rattle - es wäre schön, wenn die Welt München in nicht allzu weiter Ferne um ein ebenbürtiges Zuhause für dieses Spitzenorchester beneiden würde", sagte er. Gerade als unsubventionierter Klassikveranstalter könne er die Bedeutung kultureller Daseinsvorsorge durch Staat und Stadt nicht genug hervorheben. "Es könnte wegen des Schneckentempos der beiden großen Konzertsaalprojekte in München allerdings noch mal spannend werden."

Söder verwies in seiner ersten Einordnung des Koalitionsvertrags darauf, dass zudem andere Kulturprojekte in München teuer werden könnten, und der Rest des Landes auch noch etwas vom Kulturetat haben will. "Wir müssen eine gute Mischung finden", sagte er.

Diese Formel gilt für ihn nicht nur bei Kulturbauten, sondern auch beim öffentlichen Nahverkehr. Auch hier werden in den kommenden Jahren hohe Investitionen nach München fließen, vor allem für den Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke.

Die Koalition aus CSU und FW bekennt sich im Vertrag eindeutig zum Bau des Tunnels unter die Innenstadt hindurch, dessen Zeitrahmen und Kosten in den vergangenen Jahren ebenfalls explodiert sind. Bis 2035 oder gar erst 2037 soll die Strecke fertig sein, mittlerweile rechnet die Bauaufsicht in der Staatsregierung mit 8,5 Milliarden Euro. Die sollen vor allem vom Bund kommen, doch der Freistaat als Bauherr steht auch in der Verantwortung. Er freue sich sehr über ein "Ja zur zweiten Stammstrecke, ohne Wenn und Aber", sagte Söder. Doch diese Zustimmung dürfe nicht dazu führen, "dass wir Projekte woanders aufgeben".

Dennoch hat die Koalition weitere Projekte im Großraum München im Blick. Der Flughafen soll öffentlich besser erreichbar werden und einen ICE-Anschluss erhalten. Dazu wird ein S-Bahn-Ring in Aussicht gestellt, ohne mehr ins Detail zu gehen.

Nicht aufgegeben, aber erneut aufgeschoben ist ein weiteres großes Verkehrsvorhaben in der Warteschleife: die dritte Start- und Landebahn am Münchner Flughafen. Das liegt aber nicht am Geld, sondern an den unterschiedlichen Haltungen der Koalitionspartner. Die Freien Wähler lehnen den Bau grundsätzlich ab, zumindest Söder hat sich damit aber gut arrangiert. In dieser Legislaturperiode müsse sich keiner Gedanken machen, sagte er. Das könnte auch noch länger gelten, zumindest wenn es nach ihm selbst geht. "Solange ich Ministerpräsident sein werde, wird es keine Aktivitäten für den Bau geben", kündigt Söder an.

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