Musiker Brezel Göring:"Stereo Total war einzigartig, ich betrachte es als abgeschlossen"

Lesezeit: 3 min

Ein Neuanfang: Brezel Göring stellt sein Solo-Projekt vor. (Foto: Tina Linster)

Nach dem Tod seiner Lebens- und Musikpartnerin Françoise Cactus hat Brezel Göring sein erstes Soloalbum nach "Stereo Total" aufgenommen. Nun tritt er in München auf.

Von Anna Weiß

Von Amphetamin und diverse andere Substanzen über Psychoanalyse bis zum Wahn: Das erste Solo-Album des Musikers Brezel Göring, "Psychoanalyse (Volume 2)"enthält Schlagworte, die Fans in sozialen Netzwerken beunruhigen. Ob es ihm gut gehe, fragen die Vorsichtigen, dass er auf keinen Fall in eine Opiat-Abhängigkeit abrutschen möge, flehen die Besorgten. Brezel Göring, der bürgerlich Hartmut Ziegler heißt, bezeichnet seinen derzeitigen Gemütszustand im Telefon-Interview als "amüsiert" und gibt Entwarnung: "Ich bin persönlich nicht an Drogen oder Medikamenten interessiert."

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Ein Grund, weshalb die Trennlinie zwischen Künstler und seinen Texten in diesem Fall bei einigen Hörenden verwischt: Im vergangenen Jahr starb Françoise Cactus, die mehr als 25 Jahre lang Görings Lebens- und musikalische Partnerin war. Mit ihrer Band Stereo Total machten die beiden dadaistische, anarchistische, stets verspielte Punkmusik mit frivolen bis provokanten Texten. Die Französin Cactus sang mit ihrem markanten Akzent Zeilen wie "Ich bin nackt, ganz nackig, na und? [...] Dass der Nachbar meine Titten sieht, wird er überleben". Vielleicht rührt die Besorgnis der Fans auch daher, dass sich Görings neue Stücke stilistisch teils stark von Stereo Total unterscheiden: "Françoise hatte so eine Leichtigkeit, einen Charme, einen Pfiff, das habe ich nicht so raus. Das ist für die Leute sicher ungewohnt", vermutet Göring.

Der Einfluss seiner Partnerin ist auf dem Album implizit und explizit zu hören

Das Stück "Sanfter Wahn" ist ein Beispiel dafür. Göring singt: "Schade, dass du weg bist, ich hätte dir gerne noch öfter zugehört. Die Straßen sind immer noch dieselben, aber der Rest ist ziemlich ramponiert." Unaufgeregt und sanft geht es weiter: "Wärst Du noch hier, wäre das alles nicht passiert". Mit dem Tod von Cactus ist auch das Bandprojekt Stereo Total vorbei. "Stereo Total war einzigartig, und ich betrachte es als abgeschlossen", sagt Göring, es klingt nicht bedauernd. Der Einfluss seiner Partnerin ist auf dem Album implizit und explizit zu hören, und er spricht gerne darüber.

"Psychopathia Sexualis" beruht auf einem Buch, das Cactus ihm vor langer Zeit empfahl, nach ihrem Tod fiel es ihm wieder in die Hände: "Da hat es richtig gekribbelt. Sie hatte einzelne Begriffe unterstrichen, da habe ich sie wiedererkannt, was sie so erlebt hat und auch, wie wir befreundet waren." Einen gemeinsamen Song gibt es auf dem Album auch: "Meine Medizin feat. Françoise Cactus" klingt wie der Soundtrack eines 60er-Jahre-Films, der auf einer leicht ramponierten VHS-Kassette abgespielt wird. Er beginnt mit Cactus' unverwechselbarem Gesang, verhallt, die Gitarren sind nicht zur Perfektion gestimmt, alles ist leicht neben der Spur, und in Görings nüchternem Gesang schwingt eine lakonische Melancholie, wenn er singt "Meine Medizin heißt Heroin", der Stoff wird im Verlauf durch Amphetamin und Ketamin ersetzt.

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Das Anarcho-Duo galt als Kultband, es wurde im Fernsehen etwa auf dem deutsch-französischen Kultursender Arte vorgestellt. Göring erstaunt es, dass Stereo Total zuweilen als Beispiel für deutsch-französische Kultur im Französischunterricht an Schulen fungiert und die zwei in die Beziehungsgeschichte der beiden Länder Einzug gehalten haben. "Für uns ist das eine private Geschichte gewesen", sagt er. Die Geschichte zweier junger Punks, die sich im Berlin nach der Wende kennenlernen, in dem Jahrzehnt, in dem so vieles möglich scheint. Stereo Total wollte anders sein, mit viel Spaß am Tabu: "Wir haben uns immer gefreut, wenn wir mit irgendwas durchgekommen sind." Musikalische Perfektion war nicht erstrebenswert, ist es für Göring bis heute nicht. So wie er seine Sounds nicht lehrbuchkonform gestaltet, zitiert er auch vergnügt abseitig "so oder so ähnlich heißt es bei Adorno" und bedient sich des alten Begriffs "Westdeutschland", wenn er von der Bundesrepublik redet.

Durch diese tourt er nun mit seiner neuen Platte. Am Anfang sei er irritiert gewesen und habe keine Lust gehabt - "ich bin das erste Mal auf Tour ohne Françoise". Nun überwiege die Freude: "Ich habe viele Leute dabei, das ist keine traurige Gruppe."

Brezel Göring, Freitag, 14. Okt., Cafébar Mona, Siebertstr. 2, 20.30 Uhr, Infos unter www.brezelgoering.de

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