Kommunalwahl in München:Der Mann aus der zweiten Reihe

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ÖDP-OB Kandidat Thobias Ruff, hauptberuflich Gewässerökologe, fotografiert an der Isar/Reichenbachbrücke , 18.Februar 2020 , Copyright : Foto : Stephan Rumpf (Foto: Stephan Rumpf)

Tobias Ruff von der ÖDP tritt zum zweiten Mal für das Amt des Oberbürgermeisters an. Er ist bescheiden, aber in Sachfragen ziemlich hartnäckig.

Von Thomas Anlauf

Alle drängen nach vorne zu den Pressefotografen, Agnes Becker und Ludwig Hartmann, Norbert Schäffer und Claus Obermeier. Sie sind die offiziellen Gesichter des Volksbegehrens zur Artenvielfalt. Die Politiker und Umweltschützer von ÖDP, Grünen, Landesbund für Vogelschutz und der Gregor Louisoder Umweltstiftung stehen genau ein Jahr, nachdem mehr als 1,7 Millionen Bayern das Bienenbegehren unterstützt haben, vor der bayerischen Staatskanzlei und demonstrieren dafür, die Forderungen des Bündnisses und der Bürger endlich umzusetzen. Aber wo ist Tobias Ruff? Er steht irgendwo im Hintergrund der kleinen Menschenmenge, von Weitem ist nur eine Katzenmütze zu sehen. Die trägt Ruffs dreieinhalb Jahre alte Tochter Emilia auf dessen Schultern und überblickt die Menge. Ruff ist der Verfasser des bislang erfolgreichsten Volksbegehrens in Bayern.

Der Mann kann ziemlich bescheiden scheinen. Tobias Ruff ist ein Mensch, der sich manchmal lieber im Stillen über seine Erfolge freut als sich in den Mittelpunkt zu stellen. Doch eigentlich müsste der 43-Jährige in diesen Wochen genau das Gegenteil tun: Sichtbar sein, selbstbewusst auftreten, auftrumpfen. Er will schließlich Münchner Oberbürgermeister werden.

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Natürlich weiß der gebürtige Münchner, dass das eher unwahrscheinlich ist. Bei der Kommunalwahl vor sechs Jahren war der Gewässerökologe und Forstingenieur schon einmal als Spitzenmann der ÖDP angetreten. Damals erhielt er lediglich 5026 Stimmen und lag mit 1,1 Prozent an siebter Stelle noch hinter Michael Mattar von der FDP (1,4 Prozent), der Linken-Kandidatin Brigitte Wolf (1,2 Prozent) und dem damaligen AfD-Mann Andre Wächter (1,2 Prozent). Doch mittlerweile glauben Ruff und seine Mitstreiter an mehr: Ruff ist überzeugt, dass er mit der ÖDP nach der Kommunalwahl am 15. März viertstärkste Kraft werden kann - nach Grünen, SPD und CSU. "Man wird nicht um uns herumkommen", sagt Ruff. Schließlich hat er mit der ÖDP in München nicht nur das sogenannte Bienen-Volksbegehren initiiert, bayernweit bislang die erfolgreichste Aktion, sondern auch das Bürgerbegehren "Raus aus der Steinkohle". Und mit dem Bündnis "Radentscheid München" hat er den Stadtrat zum Umdenken in der Verkehrspolitik gebracht.

Da sitzt er nun auf einem Barhocker im Café Tambosi, neben ihm die kleine Emilia, die mit ihrem Papa einen rosafarbenen Kuchen teilt und über dem Abgrund des Hockers mit den Füßen wackelt. Ruff und die ÖDP-Politiker in München - das sind keine unbedingten Machtmenschen. Sie sehen sich als ökologisches Korrektiv zur CSU, aber auch zu SPD und Grünen. So steht Tobias Ruff den Grünen beim Thema Radverkehr nah und beim Natur- und Umweltschutz - vielleicht ist es auch umgekehrt. Beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs liegt er weitgehend auf Linie der SPD. Die Siedlungspolitik im Münchner Norden wiederum teilt er mit der CSU, weil er sich als Wachstumskritiker Münchens sieht: Der angespannte Wohnungsmarkt hat für Ruff auch damit zu tun, dass immer mehr Gewerbe nach München gelockt werde, was wiederum die wenigen Freiflächen in der Stadt gefährde.

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Er ist selbst einer der Münchner, die sich glücklich schätzen können, mitten in der Stadt zu leben und doch fast wie auf dem Land. Die Familie wohnt seit Tobias Ruff denken kann in einer Siedlung im Münchner Norden, sein Großvater hatte nach dem Krieg auf einem Grundstück ein Haus gebaut. Mittlerweile steht dort ein zweites Haus und dort lebt Ruff mit seiner Frau und den zwei Mädchen, im Garten gackern zwei Hühner, die Ruffs haben Hasen und auch Bienen. Von seinem Großvater und seinem Vater hat er auch die Liebe zur Natur. Der Opa habe den ersten Arbeitskreis Umwelt in der Münchner SPD gegründet, erinnert er sich. Als Kind entdeckte er die Fröttmaninger Heide für sich, zu Hause im Garten hatte er damals ein eigenes Beet und war umgeben von Wachteln, Hühnern, Enten. Sein Vater Willi, der bis heute Vorsitzender der Isarfischer und Vizepräsident des Landesfischereiverbands ist, nahm den jungen Tobias mit zum Angeln. "Der Umweltschutzgedanke entstand aus einem reinen Naturgenuss heraus", sagt Tobias Ruff heute.

Naturschutz beschäftigte ihn schon früh. Mit zwei Freunden diskutierte er noch zu Gymnasiumszeiten über Politik, "wir sind damit allen auf die Nerven gegangen", so Ruff. Auf die Dauer wurde es den drei jungen Männern aber zu müßig, nur untereinander zu debattieren, sie wollten etwas bewegen. Also schauten sie sich in der politischen Landschaft um. Für Tobias Ruff stand als politische Heimat schnell die ÖDP fest, 1995 trat er als Teenager in die damals noch sehr junge Partei ein. In die SPD wollte er nicht, weil er sah, dass sein Großvater beim Thema Umweltschutz bei den Genossen nicht durchgedrungen sei. "Ich habe damals gesagt: Da erreicht er mir zu wenig", sagt der Enkel. Die Grünen seien auch nicht infrage gekommen, weil er befürchtete, als passionierter Angler und späterer Förster bei der Partei schräg angeschaut zu werden.

Für Ruff war die ÖDP schnell die politische Heimat. Nach seinem Studium der Forstwirtschaft in Weihenstephan und einer Zeit in Eberswalde arbeitete er an der TU München in einer Arbeitsgruppe für Fischbiologie. Heute ist er beim Bezirk Oberbayern als Gewässerexperte angestellt. Regelmäßig steht er bis zu den Knien in Bächen und Flüssen rund um München, um zu untersuchen, wie es um die Qualität der Wasserläufe bestellt ist. Er kann dann durchaus wütend werden, wenn er sieht, dass viel mehr für die Natur gemacht werden könnte. Vor zwei Jahren stapfte Ruff durch die Goldach bei Hallbergmoos und untersuchte die Fische in dem Bach. Wenige Meter weiter ratterte ein Traktor übers Feld. So etwas nervt ihn, dass in Bayern Bauern Felder direkt neben Bächen düngen können, was in anderen Bundesländern längst verboten ist. Das war ein Grund, weshalb sich Ruff so sehr für das Volksbegehren zum Artenschutz einsetzte.

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Anfang November 2017 konnte man ihn dagegen auch jubeln sehen. Da stand er mit Politikern wie dem Grünen Dominik Krause, Michael Piazolo (Freie Wähler) und Brigitte Wolf (Linke) im Sendlinger Stemmerhof und feierte, dass der von der ÖDP initiierte und schließlich von mehreren Parteien unterstützte Bürgerentscheid gegen das Kohlekraftwerk in Unterföhring zwar bei geringer Wahlbeteiligung, aber dafür sehr deutlich gewonnen wurde. Berührungsängste mit anderen Parteien hat Ruff ohnehin nicht. Er versuche, in der Münchner ÖDP immer wieder klar zu machen, dass es kein Lagerdenken gebe, sagt er.

Längst hat Ruff ein gewichtiges Wort in der ÖDP mitzureden, er ist im Landesvorstand der Partei und seit zehn Jahren im Münchner Stadtrat. Dort kann er auch durchaus mal laut werden. "Ich werde schon sauer, wenn jemand Sachen erzählt, die nicht haltbar sind", sagt er. Es gibt Stadträte, die ihn deshalb als etwas verbissen einschätzen. Dabei sagt er von sich, dass er "kein Perfektionist" sei. "Ich bin eigentlich Optimist und gelassen. Mich macht nichts so schnell nervös." Die Familie ist sein Rückhalt - und die Natur. Er machte schon wochenlang Bootstouren durch Weißrussland und Kanada, geht ebenso gern in die Berge wie Radfahren. Dabei sieht er sich gar nicht als Sportler. "Ich begreife Radfahren als Fortbewegung und Wandern bedeutete für mich, in der Natur zu sein und lange Gespräche zu führen", sagt Ruff.

Die kleine Emilia sitzt während Ruffs Erzählung entspannt auf dem hohen Hocker und baumelt mit den Füßen. Sie weiß schon, wann sie ihren Vater richtig beeindrucken kann. Im vergangenen Jahr, als Tobias Ruff für sein Engagement beim ÖDP-Parteitag eine große Plüschbiene überreicht werden sollte, ging ganz selbstverständlich Emilia auf die Bühne und nahm das Kuscheltier entgegen. Und bei der Kundgebung vor der Staatskanzlei läuft sie plötzlich los, stellt sich vor die versammelten Menschen und ruft ihm lachend zu, er solle endlich kommen. Tobias Ruff folgt. So steht er beim Fototermin schließlich doch noch in der ersten Reihe.

© SZ vom 03.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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