Kommunalwahl:Ein mega-mega-schöner Abend

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Der Kreisjugendring hat fünf OB-Kandidaten eingeladen, die im Ampere nicht nur jungen Münchnern ihre Politik verkaufen, sondern auch ihr Wissen über Bands und Social Media unter Beweis stellen müssen

Von Heiner Effern

Eine Minute, nicht viel Zeit für einen Wahlkämpfer. Was packt man da rein, um junge Menschen für sich zu begeistern? Vor allem, wenn man über einen Konkurrenten reden soll? Und das auch nur positiv? Kristina Frank, die OB-Kandidatin der CSU, muss als erste ran und ihren Nebenmann dem Publikum vorstellen. Dieter Reiter, Oberbürgermeister und SPD-Spitzenkandidat, teile mit ihr eine Leidenschaft für etwas Rotes, sagt sie. Es handle sich um kein Parteibuch. Die gemeinsame Leidenschaft ist der FC Bayern. Reiter dürfe die Spieler nach dem Gewinn eines Pokals auf dem Rathausbalkon empfangen. "Das würde ich ihm gerne abnehmen", bewirbt Frank sich um den Job, den alle fünf auf der Bühne haben wollen.

Der Kreisjugendring hat die Kandidaten von SPD, CSU, Grünen, FDP und Linke am Mittwochabend ins Ampere in der Muffathalle zum OB-Check eingeladen. Wie ungewohnt dieser Abend ablaufen wird, können die Politiker schon an der Begrüßung hören. Die Gastgeber sind nicht erfreut oder begeistert, dass die Bierbänke voll besetzt sind, sie sind "geflasht". Diese Welt kennen die OB-Kandidaten wenig bis kaum, wie der Abend zeigen wird, und sie kommen unterschiedlich damit zurecht.

Der Kreisjugendring hat die Kandidaten von SPD, CSU, Grünen, FDP und Linke am Mittwochabend ins Ampere in der Muffathalle eingeladen. (Foto: Stephan Rumpf)

Thomas Lechner, der für die Linke antritt, setzt auf seine Vita, die ihn als früheren DJ und Mitorganisator großer Demos wie "Ausgehetzt" jungen Wählern nahebringen soll. Er kombiniert das mit der Attitüde des Angreifers, der die Etablierten hart angeht. Schon bei der Begrüßungsrunde will ihm anfangs nichts Positives zur CSU-Kandidatin Frank einfallen. Dann hebt er ihre Rolle als alleinerziehende Mutter hervor. "Sie sind doch alleinerziehend?" Frank schüttelt den Kopf. So geht es Lechner noch öfter, immer bissig, aber immer auch ein wenig daneben. Immerhin gelingt es ihm als erstem im Wahlkampf, OB Reiter öffentlich so aus der Fassung zu bringen, dass er kaum die Contenance wahren kann. Die gesamte Wohnungsmisere sei der SPD zu verdanken, sagt Lechner. Es sei erstaunlich, dass diese das Thema immer erst kurz vor Wahlen entdecke. Wie viel die SPD bei den Mieten erreichen konnte, darüber kann man streiten. Dass sie das Thema nur kurz vor Wahlen entdeckt, diese Behauptung zeugt mindestens von völliger Unkenntnis der Stadtpolitik.

Reiter selbst kommt dazu nicht mehr zu Wort, die Moderatoren ziehen souverän ihr Programm durch. Vorher hat er schon punkten können, als er die Verkehrswende-Fantasien von Frank und FDP-Kandidat Jörg Hoffmann für das Jahr 2040 als "Spiegelfechterei" abtat. Diese haben sich vornehmlich mit autonomen Fahren und Flugtaxis auseinandergesetzt. Reiter macht sich für einen besser ausgestatteten öffentlichen Nahverkehr als beste Vision stark, mit günstigen Preisen, "gerne auch umsonst". Als eine junge Besucherin moniert, dass eine U-Bahn-Pause in der Nacht rückständig sei, packt Reiter die Papierausgabe des MVV-Nacht-Linien-Plans aus. Nicht gerade ein Ankommer im Saal. Auch der Vorschlag, für mehr Teilhabe ein Jugendparlament beim Stadtrat einzurichten, wird kühl aufgenommen. Eine weitere "Luftblase" benötige man nicht, heißt es von Vertretern von Jugendorganisationen. Den härtesten Stand im Saal hat allerdings der Liberale Hoffmann. Die Stimmung tendiert deutlich nach links. "Auch FDP-ler sind Menschen", entfährt es den Moderatoren in einer der lustigen Phasen des Abends. Nach jedem inhaltlichen Block - Wohnen, Mobilität und Nachhaltigkeit - folgt jeweils ein Unterhaltungsteil: eine Show mit Jugendfotos der Kandidaten, ein Quiz über Musik, Persönlichkeiten und Social Media sowie am Ende das Aufzugspiel. Alle fünf Kandidaten dürfen ein Stockwerk mit einer Erstwählerin nach oben fahren und sollen die Zeit nutzen, um die junge Frau von sich zu überzeugen.

Fünf Kandidaten im OB-Check (von links nach rechts): Thomas Lechner (Linke), Katrin Habenschaden (Grüne), Jörg Hoffmann (FDP), Dieter Reiter (SPD) und Kristina Frank (CSU) stellen sich im Ampere in der Muffathalle den Fragen junger Wähler. (Foto: Stephan Rumpf)

Als Hoffmann nach der Grünen-Kandidatin Katrin Habenschaden zusteigt, raunt er der Erstwählerin zu, dass sie keineswegs diese wählen solle. "Wählen Sie mich", sagt er, und erntet einen Lacher. Im Übrigen bringt er im Aufzug an, dass die Liberalen Hochhäuser gut fänden. Ob er damit im Saal gegen die Grünen ankommt, bleibt aber eher zweifelhaft. Klimaschutz steht hier hoch im Kurs, da hat Habenschaden ein Heimspiel. Das will sie nutzen, wie man auch an der Auswahl ihres Fotos für die Show merkt. Es zeigt sie auf der Abi-Fahrt nach Holland, die Anmerkung, dass Amsterdam "hart" war, darf da nicht fehlen.

Der Applaus kommt wie erwartet reichlich. Habenschaden hat aber keinen hoch engagierten Fan im Publikum sitzen wie die CSU-Konkurrentin Frank. Dabei hätte diese seinen demonstrativen Applaus unddie Zwischenrufe gar nicht nötig gehabt. Beim Quiz räumt sie so ab, dass sie dem leer ausgehenden OB Reiter noch zwei Punkte schenken kann. Und bei der Fahrt im Aufzug schafft sie es als einzige, die Erstwählerin ernsthaft nach ihren Sorgen und Wünschen zu befragen. Zum Ende bekommen dann alle Politiker noch einen passenden Abschied aus dieser anderen Welt. "Mega-mega-schön" sei der Abend gewesen, sagt Gastgeberin Greil.

© SZ vom 14.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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