Landshut:Fülle der Ideen

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Alexandra von Arnim, Leiterin des Koenig-Museum, hier im Prantlgarten vor Fritz Koenigs "Bouquet", hat viele Pläne mit dem Skulpturenmuseum am Hofberg. (Foto: Armin Weigel /picture alliance/dpa)

Jahrelang ist in Landshut über den Umgang mit dem Erbe des Bildhauers Fritz Koenig gestritten worden. Doch Alexandra von Arnim, der neuen Leiterin des Koenig-Museums, ist es jetzt gelungen, die Fronten zu glätten.

Von Sabine Reithmaier, Landshut

Ein ungewohnter Empfang. Im Foyer des Landshuter Koenig-Museums läuft in Dauerschleife eine Videoinstallation von Andrew M. Mezvinsky. In monumentaler Größe (vier auf sechs Meter) bewegen sich 21 Werke des Museumsgründers über die Wand, zerlegen sich in einzelne Bestandteile, verknüpfen sich, federn elastisch, schwanken und kippen. In der "Pieta" wippt locker ein Fuß, das Augenvotiv zwinkert und die Kugelkaryatide, Fritz Koenigs berühmtestes Werk, rotiert um die eigene Achse, viel schneller, als sie es je in Wirklichkeit tat. Mit dem sich in Kugel, Kegel und Zylinder zerlegenden "Hiob" entschlüsselt die Animation die Formensprache des Bildhauers. Der erste Einstieg in sein Werk ist amüsant. Die "Lineare Inspiration Fritz Koenig" des in New York aufgewachsenen Künstlers, untermalt von Joel Michael Stones Klavierkomposition, bringt den Besucher auf spielerische Art und Weise dazu, die Skulpturen während des späteren Rundgangs genauer zu betrachten.

"Ich bin sehr glücklich, dass dieser ungewöhnliche Empfang so gut ankommt", sagt Alexandra von Arnim, seit 1. Februar Leiterin des Museums und Nachfolgerin von Stefanje Weinmayr, die das Haus nach jahrelangen Auseinandersetzungen mit der Stadt Ende Juli 2020 verlassen hatte. Die Installation und damit die Umgestaltung des dämmrig dunklen Foyers war ihre erste Aktion im Haus. Außerdem hat sie Koenigs "Großen Janus" (1984/85) aus dem Depot geholt und wieder an seinen alten Platz in den Prantlgarten gestellt. Neu ist auch der kleine Museums-Shop. "So etwas finde ich wichtig", sagt Arnim.

Arnims Leidenschaft: Künstlermuseen

Offensichtlich fühlt sich die Kunsthistorikerin und Kulturmanagerin in Landshut wohl. Sie schwärmt von den Ressourcen der Stadt, erzählt, dass sie mit offenen Armen aufgenommen worden sei, nicht nur von den Kollegen in der Stadtverwaltung, sondern auch von Landshutern, die einfach glücklich seien, dass es mit dem Museum wieder vorwärts geht. Bis Ende 2019 hatte sich Arnim in München darum gekümmert, den Museumsverbund rund um Pinakotheken und Königsplatz als Kunstareal besser zu vernetzen und zu vermarkten und die Kunstareal-Feste organisiert, mit jeweils um die 65 000 Besucher. "Ein unvorstellbarer logistischer Aufwand." Verständlich, dass sie es jetzt genießt, sich zum ersten Mal auf einen Künstler und ein Museum konzentrieren zu können. "Ich brenne für das einzigartige, nicht austauschbare Erlebnis, einen Künstler vor Ort erleben." Wohl auch deshalb schrieb sie 2002 ihre Doktorarbeit über "Das Monographische Museum". Da sie in ihrer Studie die Bedingungen analysierte, die erfolgreiche Künstlermuseen benötigen, weiß sie, was das Koenig-Museum braucht, um noch mehr Strahlkraft zu entwickeln: zum einen die Unterstützung der Menschen vor Ort, zum anderen das internationale Interesse. "Und natürlich muss sich das Haus immer wieder neu positionieren."

Was heißt das für die künftige Präsentation von Koenigs Werk? Arnim zögert, bevor sie antwortet. Das könne sie nur umschreibend beantworten, sagt sie. Natürlich gäbe es eine klare Vorgabe: Das Museum sei zu Lebzeiten des Künstlers vom Künstler gestaltet worden. "Also ist es meine Aufgabe, mich in der Präsentation an Koenigs Vorgaben auszurichten." Was aber nicht heißt, dass sich im Museum nichts verändert, schließlich war der Bildhauer auch ein Wegbereiter für zeitgenössische Künstler. "Ich werde versuchen, Koenig und seine Welt in die Gegenwart zu ziehen."

Die von Doris Danzer einfühlsam kuratierten, noch laufenden Studioausstellungen im Haus, die Arnim bei ihrem Antritt bereits vorfand, erfüllen diesen Anspruch bereits und weisen in die Gegenwart. Mit dem Berliner Installations- und Objektkünstler Michael Sailstorfer, 1979 in Velden geboren, hat Koenig die niederbayerischen Wurzeln und die große Kreativität gemeinsam - der "Ariadne-Raum" um dessen Skulptur "brain" ist sehenswert. Der Landshuter Zeichner Michael Lange reagiert hingegen als genauer Beobachter sowohl auf den Hausherrn als auch auf Sailstorfer, bringt in einer feinen Collage sogar Koenigs "Bouquet" und "brain" zusammen.

Arnim ist eine geübte Teamworkerin

"Das Konzept würde ich gern fortsetzen", sagt Arnim. Für den Spätherbst plant sie die Ausstellung "Sammler-Auge - das Subjektive zum Prinzip gemacht". Dafür hat sie private Koenig-Sammler jeweils um zwei Werke gebeten: eines des Bildhauers und ein zweites, das der Sammler selbst auswählt. "So nach dem Motto 'Wer Koenig sammelt, sammelt auch ...'", sagt sie und lacht. Klingt ein wenig voyeuristisch, funktioniert aber vermutlich. Durch die jahrelange Arbeit als Kunstmanagerin verfügt sie über reichlich Kontakte, ist eine geübte Teamworkerin. Sie weiß, dass eine der Hauptaufgaben einer Museumsleiterin darin besteht, Gespräche zu führen und Erwartungen zu klären, ob mit Besuchern, der Stadt oder der Fritz-und-Maria-Koenig-Stiftung, in der seit Juni zwei neue Köpfe sitzen: Mon Muellerschoen, Kunstberaterin und Kolumnistin der "Bunten", und Bernhart Schwenk, seit 2002 Leiter des Sammlungsbereichs Gegenwartskunst an der Pinakothek der Moderne. Überhaupt hat sich die Stiftung seit dem Ausscheiden von Reinhard Sax und Reinhold Baumstark, den zwei Testamentsvollstreckern, auf Stifterseite - es gibt auch noch die städtische Seite mit fünf Stadträten - fast rundum erneuert, denn auch der Galerist Wolfgang Jahn und der Rechtsanwalt Alexander Saponjic sind noch nicht allzu lang dabei. "Auf jeden Fall klappt die Zusammenarbeit ausgezeichnet", sagt Arnim, der vermutlich nie ein negatives Wort über die Lippen kommt.

Gerade bereitet sie aber die Ausstellung "9/11 und die Koenig-Kugel" vor. Anlass ist der 20. Jahrestag des Terroranschlags auf das World Trade Center. Die beschädigte, aus den Trümmern geborgene Kugelkaryatide, in New York nur "The Sphere" (Kugel) genannt, steht heute als Mahnmal im Liberty Park, unweit vom Ground Zero. Daneben organisiert Arnim ein 9/11 Open-Air-Film-Programm im Prantlgarten (10.9.) sowie 9/11 Dialoge (11.9.) im Museum. Parallel eröffnet der Freundeskreis Fritz Koenig gemeinsam mit der Bayerischen Architektenkammer am Entstehungsort der Kugelkaryatide, also in der Kugelhalle am Ganslberg, eine Wanderausstellung zu "The Sphere".

Feuerwehrleute an der beschädigten Skulptur "The Sphere". 2002, als das Foto entstand, stand die fast acht Meter hohe Bronzeskulptur noch als temporäres Mahnmal im New Yorker Battery Park. Inzwischen ist sie in den Liberty-Parc umgezogen. (Foto: dpa)

Auch New York gedenkt aus diesem Anlass des niederbayerischen Bildhauers: In der Wallach Art Gallery der Columbia-University eröffnet mit Leihgaben aus dem Koenig-Museum "The Way We Remember" (10.9. - 14.11.). Holger Klein, Professor für Kunstgeschichte an der Columbia, thematisiert darin, ausgehend von der "Kugelkaryatide" und Koenigs Mahnmalen für die Opfer der Nazidiktatur, den Umgang mit Erinnerungskultur. Arnim ist glücklich über diese Partnerschaft, rückt das internationale Interesse doch die Einmaligkeit ihres Hauses ins Licht.

Ideen hat sie viele. So würde sie gern mal den Fokus auf Koenigs Skulpturen im öffentlichen Raum setzen. "Das ist kaum präsent", sagt sie und holt die ellenlange Liste mit den Standplätzen. "Alles Kommunikationsorte für Landshut", sagt sie. Sieht ganz so aus, als würde mit ihrer Unterstützung Fritz Koenig endlich die weltweite Wertschätzung erhalten, die ihm gebührt.

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