Kollektiv gucken:Hat das Kino in München eine Zukunft?

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Die sogenannte Kino-Jurte im Westpark war ein Experiment im Herbst 2022. Am Ziel, das Filmfest München über das Jahr verteilt sichtbar zu machen, will Christoph Gröner festhalten. (Foto: Bojan Ritan/Filmfest München)

Auf einem Symposium wird deutlich, wie wichtig die Kunstform für den sozialen Zusammenhalt ist und dass der Corona-Lockdown erstaunliche Impulse gab.

Von Anna Steinbauer

Ein Filmhaus für München, das wäre es doch. Ein Ort, an dem die Filmkultur zelebriert wird, unterschiedliche Festivals stattfinden und verschiedenste gesellschaftliche Gruppen miteinander in Berührung kommen. Da sind sich die am vergangenen Samstag in der Luise versammelten Akteure der Münchner Filmlandschaft einig, die auf Initiative der Filmstadt München e. V. zu einem Symposium zusammengekommen sind, um sich über die Zukunft und Bedeutung von Film- und Kinokultur in der bayerischen Hauptstadt auszutauschen.

Es müsste ja nicht gleich ein Palast sein, wie Daniel Sponsel, der Leiter des Münchner Dokfests in seiner polemischen Keynote vorschlägt. Aber wenn es für den Bau des Humboldt Forums in Berlin über 600 Millionen Euro gibt, wieso nicht groß denken? Schließlich war Kino schon immer eine niederschwellige Kunstform, die unterschiedliche Gesellschaftsschichten zusammenbrachte. Das sollte einer immer diverser werdenden Stadt schon was wert sein, könnte man meinen. Immer wieder werden auf den einzelnen Panels des Symposiums die Bedeutung von Film als sozialer Klebstoff und seine Rolle für die Stadtgemeinschaft hervorgehoben. Doch damit dieser seine zentrale Wirkung im Kino und auf Festivals entfalten kann, braucht es den Ort - einen solchen in einer Stadt wie München zu finden und zu erhalten, in der jeglicher Raum sowieso heiß umkämpft und obendrein teuer ist, ist per se ein schwieriges Unterfangen.

Groß denken: Das fordert Daniel Sponsel, der Leiter des Münchner Dokfests, in seiner Keynote. (Foto: Ronny Heine)

Filmstadt München e. V. wurde 1984 gegründet, um die Filmkultur in ihrer Vielfalt zu repräsentieren, aktuell sind dort 17 Mitglieder vertreten, Vereine und freie Gruppen, die ganzjährig insgesamt 19 Festivals und Filmreihen planen und veranstalten. Doch die Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren durch Migrationsbewegungen und Krisen verändert, Streamingdienste und Pandemie haben andere Realitäten geschaffen. Zeit für einen Austausch also, befand die Filmstadt München und lud zum Gespräch. Sowohl Vertreter verschiedener großer und kleiner Festivals, unter anderem des Filmfest München, Underdox oder Kino Asyl, Kinobetreiber, Vertreter aus Stadtrat und Kulturreferat sowie aus Institutionen wie Filmmuseum, Eine Welt Haus und Bellevue die Monaco kamen in der Luise zusammen, um die drängenden Fragen zu diskutieren und sich zu vernetzen. Wie geht es den Kinos und Festivals dieser Stadt? Wer geht hin, welches Publikum wird erreicht, und wie sieht die Zukunft von Filmkultur aus?

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Eine kurze Bestandsaufnahme zeigt: Es geht den Kinos nicht so schlecht wie man denken könnte. "Wir waren geschlossen und davon müssen wir uns erholen aber bis 2020 gab es einen stetigen Besucheranstieg", sagt Christian Pfeil, der in München das Arena Kino, das Monopol und den Rio Filmpalast betreibt. Auch auf Festivalebene sei laut Untersuchungen von Filmfestivalforscherin Tanja C. Krainhöfer auf verschiedenen Ebenen ein enormer Zuwachs zu verzeichnen, wie sie in einem Werkstattgespräch zu ihrem neuen Buch "Filmfestivals - Krisen, Chancen, Perspektiven" erläutert. Bereits fünf Wochen nach dem ersten Corona-Lockdown 2020 seien die ersten Festivals online gegangen, es hätte eine regelreche "Bewegung durch die Festivallandschaft" gegeben, die aus der Not neue Möglichkeiten geboren hätte, so Krainhöfer. Neben dem virtuellen Raum seien auch neue physische Orte im Stadtraum erkundet worden und eine größere Beschäftigung mit Diversitäts- und Nachhaltigkeitsfragen in Gang geraten.

Was auf der Leinwand gezeigt wird, müsse die Diversität und Vielfalt der Realität abbilden

Ein Thema, das sich durch alle Panels zog und die Kulturschaffenden gleichermaßen beschäftigt, ist die Frage, wie man neues Publikum gewinnen könne. Die Kinolandschaft in München stehe da laut Pfeil vor einem großen "Nachwuchsdilemma", weil die jüngeren Kinobetreiber fehlten, die als "Türöffner" für junge Leute fungierten. Streamingdienste würden sich in diesem Zusammenhang als keine ernsthafte Konkurrenz erweisen. Man ist sich einig: Der Wert von Film und Kino liegt im sozialen Ereignis und der Kollektiverfahrung. Deshalb zurück in den öffentlichen Raum, den es hinsichtlich neuer Orte zu erkunden gilt! Eine zentrale Rolle spielt hierbei auch die Filmvermittlung, die bisher keinen großen Stellenwert im deutschen Schulsystem einnehme. In den Klassenzimmern fehle eine Erziehung zur Ästhetik, kritisiert Filmkritikerin und "Underdox"-Gründerin Dunja Bialas, die sich für ein "Kulturmainstreaming" aussprach.

Ein weiter großer Schwerpunkt des Symposiums lag auf dem Thema Teilhabe. Wenn Film und Kino als Diskursraum für die Zivilgesellschaft fungieren, dann müsse auch dafür gesorgt sein, dass das, was auf der Leinwand gezeigt wird, die Diversität und Vielfalt der Realität abbildet, so der Tenor. Und zwar sowohl vor als auch hinter der Kamera. Das Medium Film bietet die Chance, sich niederschwellig über das Gesehene auszutauschen. Noch immer sei die deutsche Filmlandschaft von einer eurozentristischen Sichtweise geprägt, so Modupe Laja vom Eine Welt Haus, die für Kino als Community-Raum plädiert, der intersektional gedacht wird.

Großes Fazit des Tages, an dem fruchtbar und lange diskutiert wird: Die Vernetzung der Akteure untereinander ist essenziell, Kooperationen sind die Zukunft. "Wir haben gelernt, uns zu öffnen", sagt Christoph Gröner, künstlerischer Leiter des Filmfest München über die Herausforderungen des Festivalmachens in der Pandemie. Die Gründung der AG Filmfestival, in der sich alle Festivals deutschlandweit vernetzen, um Erfahrungen zu teilen ist ein Resultat davon. Aber auch die Erschließung anderer (Stadt-)Räume wie beispielsweise kürzlich ein Filmscreening in der Oper oder das neue Jurten-Kino im Gans am Wasser im Westpark. Es gehe um ein Miteinander im sozialen Raum, so Gröner. "Genau dann passiert Magie."

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