Prozess in München:Journalist klagt gegen Karwendelbahn AG

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Deren Vorstand hat den Reporter in die Nähe des Nazi-Propagandisten Goebbels gerückt. Vor Gericht hören die Nazi-Vergleiche nicht auf.

Von Stephan Handel

Die Verhandlung ist noch keine zehn Minuten alt, da gibt es schon das erste Wortgefecht: Am Beklagtentisch im Saal 37 des Oberlandesgerichts (OLG) sitzen Vater und Sohn, der eine als Rechtsanwalt, der andere als Vorstand der Karwendelbahn AG; beide heißen Wolfgang Reich. In der Mitte des Richtertisches sitzt Günther Puhm, Vorsitzender des 18. Senats, und macht den Herren Reich unmissverständlich klar, dass er Beleidigungen in seinem Gerichtssaal nicht dulden werde. Und am Klägertisch sitzt der Kläger mit seinem Rechtsanwalt und kann sich eigentlich ganz beruhigt zurücklehnen: Läuft für ihn.

Der Mann ist Redakteur beim Garmisch-Partenkirchner Tagblatt und als solcher mit der Berichterstattung über den Markt Mittenwald, knapp 20 Kilometer von Garmisch entfernt, betraut. Das war lange Zeit wohl ein eher ruhiger Job - bis vor ein paar Jahren die Reich-Gruppe aus Heidenheim auftauchte und sich bei der Karwendelbahn einkaufte, dem touristischen Zugpferd der Gemeinde. Seitdem hält Mittenwald nur mehr eine Minderheits-Beteiligung, das Sagen hat Reich junior. Und der lässt keine Gelegenheit aus, mit der Gemeinde auf Konfrontation zu gehen. Angeblich gab es bereits mehr als 40 Gerichtsverfahren wegen Nötigung, Beleidigung, Untreue bis hin zur Körperverletzung.

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Das ist nun einmal eine Situation, aus der ein Lokalreporter unablässig Honig saugen kann - was er auch tut. Wenn er zum Beispiel, wie erst vor Kurzem, eine Pressemitteilung der Karwendelbahn AG bekommt, in der verkündet wird, es werde nun eine Schau-Brauerei an der Bergstation gebaut, dann tut er, was ein Journalist in einem solchen Fall zu tun hat: Er ruft beim Landratsamt an und fragt, ob so etwas überhaupt erlaubt sei im Schutzgebiet. Ist es nicht, und so schreibt er das dann auch.

Die Sitzung wird unterbrochen, damit die Hitzköpfe sich beruhigen

Das gefällt nun natürlich den Reichs überhaupt nicht, und so haben sie ihn in manchen Verlautbarungen in die Nähe des Nazi-Propaganda Ministers Joseph Goebbels gerückt. Dort steht niemand gerne, weshalb sich der Journalist vor Gericht dagegen wehrt.

Am Landgericht hatte er verloren, "zulässige Meinungsäußerung". Am OLG sagt Richter Puhm gleich zu Beginn, dass sein Senat eine "Aussicht auf Erfolg" für die Berufung des Klägers sieht. Das hören die Reichs gar nicht gern: Als sie an der Reihe sind, wirft der Vater dem Journalisten "menschenverachtende Berichterstattung" vor, und der Sohn wiederholt den Vorwurf: Propagandaminister. Das ist der Moment, in dem Puhm einschreitet und die Sitzung für zehn Minuten unterbricht, damit die Hitzköpfe sich beruhigen.

Gegen den Richter wird ein Befangenheitsantrag gestellt

Tun sie aber nicht. Als das Gericht zurückkehrt, kündigt Reich senior an, er werde nun einen Befangenheitsantrag gegen Richter Puhm stellen. In dem steht dann sinngemäß: Indem der Richter den Beklagten verboten habe, auszuführen, was sie unter Hetze und Propaganda verstehen und warum es deshalb erlaubt sei, den Journalisten mit Goebbels in Zusammenhang zu bringen, habe er ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung und auf rechtliches Gehör verletzt. Der Antrag wird zu den Akten genommen und "zu gegebener Zeit" entschieden, sagt Puhm, dann ist die Verhandlung zu Ende.

Eigentlich kann es den Reichs allerdings sowieso egal sein, wie die Entscheidung am 11. Januar ausfallen wird: Beklagte ist die Karwendelbahn AG, sie müsste bei Unterliegen die Kosten bezahlen, auch die für den eigenen Rechtsanwalt, das ist Vater Reich. Man könnte auch sagen: Das Geld bleibt in der Familie.

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