Prozess am Landgericht München I:"Ich komme wieder und erschieße euch alle"

Lesezeit: 2 min

Mit der gestohlenen Axt lief der Mann zum Ismaninger S-Bahnhof, um dort "Zigaretten zu schnorren", wie er vor Gericht sagte. (Foto: Stephan Rumpf)

Im schizophrenen Wahn klaut ein junger Mann eine Axt - und bedroht am Ismaninger S-Bahnhof Menschen. Die Jugendstrafkammer muss nun entscheiden: Stellt er eine Gefahr für die Allgemeinheit dar?

Von Susi Wimmer

"Mann bedroht am Ismaninger S-Bahnhof Menschen mit einer Axt": So lautete die Einsatzmeldung, die am 9. Februar des vergangenen Jahres über den Polizeifunk lief. Mit einem "unguten Gefühl", sagt nun eine Polizistin vor Gericht, sei sie damals losgefahren. Der "Bedroher" Ludwig T. (Name geändert) ließ sich zwar widerstandslos festnehmen, rastete dann aber auf der Wache wieder aus.

"Ich komme wieder und erschieße euch alle", schrie er die Polizisten an. Ludwig T. ist an Schizophrenie erkrankt. Ob er die geschlossene Klinik wieder verlassen darf, oder eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, wird die Jugendstrafkammer am Landgericht München I entscheiden.

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Der 20-Jährige spricht langsam, verwaschen, als falle es ihm schwer, Sätze zu formulieren. Als ihn der Vorsitzende Richter Stephan Kirchinger fragt, ob er sich zur Sache äußern wolle, kommt nur: "Weniger reden." Allmählich berichtet Ludwig T. von seiner Kindheit in Unterföhring, dass er im Gymnasium zweimal durchgefallen sei, "ich hatte keinen Antrieb mehr". Nach der Mittleren Reife habe er eine Ausbildung als Mechatroniker versucht, dort wurde ihm aber schnell gekündigt. "Ich hatte zu viele Minusstunden, immer verschlafen."

Zu dieser Zeit habe er bemerkt, dass es ihm psychisch nicht gut gehe, "ich hatte das Gefühl, irgendetwas läuft falsch". Er hörte Stimmen und sah Dinge, die nicht existierten. "Etwa eine Frau im weißen Gewand, die in der Luft schwebte." Bereits mit 13 Jahren rauchte er Cannabis, bald waren es zwei bis vier Joints - jeden Tag. Er habe von Hartz IV gelebt und vom Geld seiner Mutter, bei der er wohnte.

Er habe Zigaretten schnorren und niemanden bedrohen wollen, sagt der Angeklagte

Rechtsanwalt Gerhard Bink redet seinem Mandanten zu, sich auch zur Sache zu äußern, und so sagt Ludwig T. über die Antragsschrift: "Ja, das stimmt schon alles, fast." Er habe an jenem Februartag seine Freundin in Ismaning besucht, und auf dem Weg zum Bahnhof sei er an einem Auto vorbeigekommen, dessen Kofferraum geöffnet war. "Im Garten daneben hat ein Mann gearbeitet." Er sah die Axt, klaute sie und lief damit am S-Bahnhof herum. "Ich hatte kein Geld dabei und wollte Zigaretten schnorren", erzählt er. Er habe niemanden bedrohen wollen.

"Er saß auf einer Bank, war total ruhig und kooperativ", schildert ein Polizist die Situation der Festnahme. Im Auto allerdings sei T. ausgerastet, habe sie beleidigt, später sich auch körperlich zur Wehr gesetzt. "Das kam immer so schubweise", berichtet der Beamte. Später, in der Klinik in Haar, schlug er mit der Faust einen Pfleger zu Boden. "Irgendetwas in mir hat gesprudelt und gekocht", sagt T. dazu.

Ludwig T. ist bei Polizei und Gericht kein Unbekannter: Diebstahl, Körperverletzung, Autofahrten in betrunkenem Zustand und ohne Führerschein. Einmal sperrte er seine Freundin in ihrer Wohnung ein, am Ende rückte sogar das USK an.

T. hätte einen Platz in einer therapeutischen Wohngruppe in Aussicht. Er würde gerne die Fachoberschule besuchen, Medizin studieren "und Arzt werden, das wollte ich schon immer". Jetzt wartet Anfang Februar zunächst ein Urteil auf ihn.

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