Islamunterricht in Bayern:"Wir sind Lehrer und keine Imame"

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Levent und Özlen Balci geben an Erdinger Schulen Islamunterricht in deutscher Sprache und unter staatlicher Kontrolle. Doch jetzt steht das Pilotprojekt auf der Kippe - keiner weiß, wie es weitergeht.

Von Regina Bluhme, Erding

Für Levent Balci, 52, ist die Welt ein wenig aus den Fugen geraten. Seit 2009 gibt er an Erdinger Schulen Islamunterricht. Für das bayerische Pilotprojekt einer Islamkunde unter staatlicher Aufsicht und in deutscher Sprache gab es bislang vom Kultusministerium gute Noten.

Dass es nach dem avisierten Modell-Ende 2019 weitergehen würde, davon konnte Balci also ziemlich sicher ausgehen. Sogar eine Ausweitung hatte der frühere Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) in Aussicht gestellt. Doch nun erteilte Spaenles Nachfolger Bernd Sibler (CSU) dem Ausbau eine klare Absage, er will 2019 erst noch Mal alles überprüfen lassen. Und Levent Balci weiß nicht, ob er dann überhaupt noch unterrichten kann.

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"Es kam für uns sehr überraschend", sagt Levent Balci. "Wir wissen jetzt nicht, wie es weitergeht." Wir, das sind Balci und die drei weiteren Islamlehrer, die im Landkreis Erding im Rahmen des Pilotprojekts unterrichten. Darunter ist auch Balcis Ehefrau Özlen. Sie ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Als sie zwölf Jahre alt war, gingen die Eltern mit ihr zurück in die Türkei. "Mit 30 Jahren bin ich zurückgekommen nach Deutschland", sagt sie. Da war sie studierte Türkischlehrerin, ihr Mann Levent Türkischlehrer. Nach mehreren Fortbildungen haben beide als Religionslehrer ihren Traumberuf gefunden, sagt Özlen Balci.

"Ich denke, dass es gut läuft", sagt Levent Balci. Wie bei allen bayerischen Lehrern, werde auch sein Unterricht regelmäßig von den Schulleitungen und externen Fachbetreuern besucht und bewertet. "Ich hatte immer gute Noten, wenn ich das so sagen darf", erklärt er. Das Ziel sei nicht, den Koran zu lehren. "Wir betonen die ethischen Werte und das, was echter Islam ist", erläutert er. "Ich sage den Schülern: Wir müssen Menschen mit einem anderen Glauben respektieren und gut behandeln." Das sei auch ein wichtiger Baustein für die Integration.

Seine Frau Özlen Balci bringt manchmal sogar einen Gebetsteppich mit, wenn sie an einer der Schulen im Landkreis unterrichtet. Ihr Fach heißt zwar "Islamischer Unterricht in deutscher Sprache"; die Bedeutung des Teppichs erklärt sie aber auch gerne katholischen oder evangelischen Kindern. Die Schüler, sagt Balci, seien auch immer sehr interessiert daran, was es mit dem Islam eigentlich auf sich hat. "Wir sind Lehrer und keine Imame", betont Özlen Balci. Ihr Ziel sei es, die Gemeinsamkeiten der Religionen zu betonen, "ich will Offenheit und Toleranz vermitteln", sagt sie. "Wir leben hier zusammen, wir sollten uns gegenseitig akzeptieren. Das müssen wir den Kindern klarmachen. Die Kinder sind unsere Zukunft."

Eltern und Lehrer finden das Projekt gut

"Ich finde das Projekt gut. Das Ehepaar Balci ist da mit ganz hohem Engagement dabei", sagt Petra Leubner, Leiterin der Mittelschule Erding. "Ich würde es bedauern, wenn es nicht mehr weiterginge." So sieht das auch ihre Kollegin Christine Triska-Kowol von der Carl-Orff-Grundschule in Altenerding. "Ich empfinde das Angebot als sehr wertvoll." Es werde auch von den Eltern sehr gut angenommen. Michael Braun, Schulleiter der Marie-Pettenberg-Grund- und Mittelschule in Wartenberg, nennt den Islamunterricht "bereichernd". Und: "Ich empfinde ihn als etwas ganz Normales", fügt er hinzu.

Auch Pfarrer Jan-Christoph Vogler von der katholischen Stadtteilkirche Altenerding-Klettham sieht das Pilotprojekt "eher positiv", denn so sei genau festgelegt, was unterrichtet werde. Egal, an welcher Schule man sich umhört, es gibt nur positive Reaktionen, die Balcis sind offensichtlich sehr beliebt, bei Kollegen und auch bei den Schülern. Das liegt auch an der offenen Art. Mit Levent Balci kommt man schnell ins Gespräch, er erzählt gerne und mit Witz. Aber derzeit ist ihm nicht zum Lachen zumute.

Schulminister will die Evaluation abwarten

Kaum im Amt, hat Kultusminister Bernd Sibler vor wenigen Tagen erklärt, dass das Pilotprojekt nicht ausgebaut werden soll. Auf Nachfrage heißt es im Kultusministerium, dies bedeute nicht, dass der Modellversuch eingestellt werde. Bevor über das weitere Vorgehen entschieden werde, möchte Sibler "die wissenschaftliche Evaluation des Modellversuchs abwarten", wird der Kultusminister in einer Pressemitteilung zitiert. Das klang vor zwei Jahren noch ganz anders: Im März 2016 teilte das Ministerium mit, dass der Versuch "als erfolgreich eingestuft werden kann und überwiegend positiv aufgenommen wird".

Levent Balci ist an drei Erdinger Schulen tätig, "die Arbeit macht mir großen Spaß". Mit den katholischen und evangelischen Kollegen klappe die Zusammenarbeit sehr gut, die Klassen besuchten sich auch gegenseitig. Es gebe auch gemeinsame Aktionen. "Ich weiß auch nicht, was jetzt los ist."

© SZ vom 18.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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