SZ-Adventskalender:"Ich bin da wie ein Deutscher. Ich arbeite und bezahle Steuern"

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Ismail F. mit seiner Frau, den Zwillingsmädchen und den beiden Söhnen auf dem Spielplatz. Die Eltern sind glücklich über gemeinsame Unternehmungen und das unbeschwerte Aufwachsen der Kinder. (Foto: Robert Haas)

Ismail F. hat es geschafft, sich von Sozialleistungen unabhängig zu machen. Doch nun belastet die Inflation das schmale Familienbudget.

Von Karin Kampwerth

Ismail F. ist stolz auf seine Kinder. Der 38-Jährige hat gleich fünf davon. Da sind die dreijährigen Zwillingsmädchen, deren Zöpfe lustig fliegen, wenn sie lachend den langen Flur entlang toben. Und die beiden Söhne, fünf und zehn Jahre alt, die brav auf der Couch sitzen, aber den Schalk im Nacken haben. Dann gibt es noch die große Schwester, zwölf Jahre alt, die erzählt, wie gerne sie in die Schule geht, was ihre Mama besonders freut. Schließlich ist sie selber gerade Schülerin und lernt Deutsch auf B2-Level. Eine Bilderbuchfamilie.

Dass sie nicht auf Bürgergeld oder anderweitige Unterstützungsleistungen angewiesen sind, darauf ist Ismail F. auch stolz. "Ich bin da wie ein Deutscher. Ich arbeite und bezahle Steuern", sagt er - auch wenn es anstrengend ist. Er arbeitet nachts für ein Sicherheitsunternehmen im Gebäudeschutz. Er fährt also Häuser ab und schaut nach dem Rechten. Morgens um kurz vor acht, wenn seine Frau und die drei Großen das Haus verlassen, kommt er nach Hause. "Dann mache ich die Zwillinge fertig und bringe sie in die Kita", erzählt F. "Danach lege ich mich hin." Seit ein paar Wochen reicht es für den 38-Jährigen aber oft nur für ein, zwei Stunden Schlaf, bis er angerufen wird. Er muss dann eines der Kinder abholen, weil es krank geworden ist. Kitas sind gerade echte Seuchenhorte, das wissen junge Eltern nur zu gut.

Ismail F. ist aber zufrieden, er will sich anstrengen, dazugehören und weiter an einem erfüllten Leben bauen, das nicht leicht begonnen hat - auch nicht in Deutschland. Seit 1991 herrscht in seiner Heimat in Somalia Bürgerkrieg, da war Ismail F. sechs Jahre alt. Aufgewachsen ist er in einem Land, das von Gewalt regiert wird. Nachdem F. seine Frau kennengelernt hatte, das erste Kind geboren und das zweite unterwegs war, gab es nur noch ein Ziel: die Familie in Sicherheit bringen und den Kindern ein Leben in Frieden ermöglichen. Ismail F. ergriff 2013 die Chance zur Flucht, auch wenn er Frau und Kinder zunächst zurücklassen musste. Doch die Hoffnung, dass F. es nach Deutschland schafft und hier den Grundstock für die Träume der jungen Familie zu legen, gab seiner Frau Halt.

Die Pensionswirtin in der ersten gemeinsamen Unterkunft hat sie täglich kontrolliert

Ismail F. ist gut in Deutschland aufgenommen worden. Zwar lebte er zunächst in einer Gemeinschaftsunterkunft. Aber er glaubt, dass er es leichter hatte, als die vielen Flüchtlinge, die im Herbst 2015 alle auf einmal nach Deutschland strömten. 2017 konnte seine Frau mit den zwei Kindern nachkommen. Die ersten Jahre lebte die Familie in einer Pension. "Wir hatten zwei winzige Zimmer, die auch nicht nebeneinander lagen", erinnert sich F. "Das war schon schlimm." Es habe weder einen Tisch noch einen Stuhl gegeben, an dem die große Tochter ihre Hausaufgaben hätte machen können. Außerdem seien sie jeden Tag von der Pensionswirtin herabwürdigend kontrolliert worden, "und das Ganze hat dann 2300 Euro im Monat gekostet."

Der Ärger darüber, dass Mitbürger die Not anderer und in diesem Fall die Not der Stadt so ausnutzen, ist ihm anzusehen. Doch die Zeit in der Pension ist glücklicherweise Geschichte. F. ist dankbar, eine Dreizimmerwohnung gefunden zu haben. Vor dem Häuserblock gibt es einen großen Spielplatz und auch ein bisschen Grün. Wenn nur das Geld nicht so knapp geworden wäre. "250 Euro muss ich inzwischen für den Wocheneinkauf bezahlen", sagt er. Vor Corona und vor der Inflation sei er noch mit 50 bis 100 Euro weniger ausgekommen.

Benzin für das Auto wird auch immer teurer, deshalb wünscht er sich ein Elektrofahrrad. Für die jüngsten Kinder wäre ein Trampolin schön, die beiden älteren benötigen einen Kleiderschrank. Und ja, ein Ausflug mit der Familie ist ein großer Wunsch von F. "Ich möchte meinen Kindern so gerne ganz Deutschland zeigen."

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