Handball-EM in München:Die wahren Fans buchen Tickets bis zum Finale

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Am ersten Abend der Münchner Spiele bei der Handball-EM war die Olympiahalle dominiert von der Farbkombination rot-weiß. Die Dänen traten dazu bevorzugt mit Wikingerhelm auf. (Foto: IMAGO/Beautiful Sports)

Schon am ersten Handball-Tag in der Olympiahalle präsentiert sich die internationale Handball-Familie in fröhlicher Feierlaune. Mancher Fan verlässt an spielfreien Tagen nicht einmal das Hotel .

Von Joachim Mölter

Wer sich bislang nicht viel darunter vorstellen kann, wenn von der im Fernsehen so häufig beschworenen großen Handball-Familie die Rede ist, der kann in diesen Tagen ja mal in der Münchner Olympiahalle vorbeischauen. Dort treffen bis zum kommenden Dienstag bei der Europameisterschaft der Männer insgesamt acht verschiedene Mannschaften in zwei Vorrundengruppen aufeinander, und schon am ersten Tag war kaum zu unterscheiden, wer zu wem hält, wer Freund ist und wer womöglich als Gegner zu gelten hat. Alle feierten fröhlich zusammen.

Zum Auftakt waren am Donnerstag bereits 11 600 Mitglieder der internationalen Handball-Familie zu Besuch gekommen, auffallend viele waren aus Tschechien und Dänemark angereist, den Favoriten der Gruppe F fürs Weiterkommen in die nächste Runde. Und deren Unterstützer waren allenfalls dadurch auseinanderzuhalten, dass sie in gegenüberliegenden Blöcken der Zuschauertribüne saßen.

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Wenn sie sich in den Pausen während oder zwischen den Partien an den Verkaufsständen hinter der Tribüne mischten, wirkten sie wie eine Einheit. Auf beiden Seiten trug man bevorzugt stilisierte Wikingerhelme aus flauschigem Stoff, aus denen seitlich Hörner herausragten; auf beiden Seiten hatten sich die Anhänger Fanschals und Fahnen um die Schultern gewickelt; auf beiden Seiten dominierte die Farbkombination rot-weiß. Und nur wer ganz genau hinschaute, erkannte bisweilen einen blauen Tupfer - das waren dann Tschechen. Deren Landesfahne beinhaltet neben Rot und Weiß ja auch die Farbe Blau.

Bei einer auffälligen Gruppe von Männern sind die blauen Erkennungsmerkmale in Streifenform an den Kopfbedeckungen zu sehen: Zu elft sind sie aus den böhmischen Ortschaften Milevsko und Hrejkovice nach München gekommen, erzählt einer bei der Zigarettenpause vor der Halle. Außer an den einheitlichen Hornmützen ist die Gruppe an ihren roten Hemden zu erkennen, auf denen jeder seinen Spitznamen und eine Nummer aufgedruckt hat. Über der 5 steht beispielsweise "Martak", über der 9 "Tomek", das sind die Kurzformen von Martin und Tomas. Der Mann mit der Nummer 12 hat "Pupek" auf dem Rücken stehen, was sich mit Bauch oder Wanst treffend übersetzen lässt, denn auf seiner Vorderseite trägt er ein größeres Polster mit sich. "Alles super", findet der Mann mit der Nummer 5 und reckt den Daumen anerkennend in die Höhe.

Er hat sich mit seinen Freunden schon die erste Partie des Tages angeschaut, Portugal gegen Griechenland, für gewöhnlich kein allzu zugkräftiges Duell in der Handball-Szene. Aber schon da war die Arena zu zwei Dritteln gefüllt. Und später, beim Spiel der tschechischen Mannschaft gegen Weltmeister Dänemark, ist die Kapazitätsgrenze von offiziell 12 128 Zuschauern dann fast ausgeschöpft. Bis zum Dienstag, also permanent bis zum Ende der Vorrunde, bleibe er mit seiner Gruppe in München, erzählt "Pupek", der Mann mit dem Bauch.

Die Gegner aus Tschechien steuerten gemäß ihrer Landesflagge einen blauen Farbtupfer bei. (Foto: Heike Feiner/IMAGO)

Pupek und Co. probieren schon in der Olympiahalle das eine oder andere lokale Getränk, in der Arena ist ja ein "Bayern Stadl" mit Bierbänken aufgebaut. Die elf Freunde aus Tschechien haben sich um eine private Unterkunft gekümmert, an ihnen wird die Münchner Tourismus-Branche also nicht so sehr viel verdienen, genauso wenig wie an dem Dänen Michael und seinem Kumpel, die aus einem kleinen Ort in der Nähe der Hauptstadt Kopenhagen angereist sind.

Der 56 Jahre alte Michael sitzt ganz unten im Block der dänischen Fans, so nah am Spielfeld wie möglich. Er hat sich in einen Umhang gehüllt, welcher der dänischen Nationalflagge gleicht, Schal um die Schulter, Mütze auf dem Kopf - so feuert er seine Landsleute auf dem Spielfeld an. Seit 2012 ist er jedes Jahr bei jedem Turnier dabei, egal ob Welt- oder Europameisterschaft, erzählt Michael. Auch in diesem Jahr hat er das gesamte Turnier durchgebucht, bis zum Finale in Köln - "mit Dänemark natürlich", sagt er und lacht. Er und sein Kumpel seien nur wegen des Handballs hier. "Alles andere interessiert uns nicht", sagt er: "An den Ruhetagen, an denen Dänemark nicht spielt, bleiben wir im Hotel, wir schauen uns nichts an." Irgendwo muss man ja sparen, wenn man mehr als zwei Wochen unterwegs ist und allein für die Tickets eine Menge Geld ausgeben muss.

Bayerische Folklore bekommt Michael ja auch gratis in der Olympiahalle geboten: Vor, zwischen und nach den Spielen ziehen Alois Altmann und seine Isarspatzen durch den Umlauf hinter der Tribüne. Die Blaskapelle tritt für gewöhnlich auf der Wiesn auf, im Hofbräuzelt. Aber "wir haben auch bei der Handball-WM 2019 schon in der Olympiahalle aufgespielt", berichtet Kapellmeister Altmann. Mit 15 Leuten bahnt er sich einen Weg durch die Menge, ab und zu stoppt die Kapelle auch für ein kleines Standkonzert: Die Männer in Lederhosen (sowie eine Klarinettistin im Dirndl) sind ein beliebtes Foto- und Videomotiv bei den Handball-Touristen aus Europa. Auch das Turnier-Maskottchen "Hannibal" muss für etliche Selfies herhalten.

Jugendliche können ihre Wurfkraft selbst erproben

Auch sonst ist für Unterhaltung gesorgt abseits der Partien. Ein Sponsor hat eine Anlage aufgebaut, mit der sich die Geschwindigkeit eines geworfenen Balles und mithin also die Armkraft messen lässt - eine beliebte Anlaufstelle vor allem, aber nicht nur für männliche Jugendliche. Die können ihre Wurfgewalt dort direkt mit den Profis auf dem Spielfeld vergleichen. Der portugiesische Nationalspieler Joaquim Rebelo Vila Nova Nazaré legt die Messlatte im ersten Spiel des Tages hoch, er beschleunigt den Ball auf 127,80 Kilometer pro Stunde. Demgegenüber bringt es der beste Grieche, ein Mann namens Savvas Savvas, auf 125,32 Kilometer pro Stunde, wie der europäische Handballverband EHF am Freitag in einer Statistik auf seiner Webseite veröffentlicht.

Die Probanden beim Sponsoren-Stand stellten schnell fest, wie schwierig es ist, den Ball auf so ein Tempo zu bringen: Die meisten Bälle sind mit der innerorts erlaubten Geschwindigkeit von maximal 50 Kilometer pro Stunde unterwegs. Nur ganz, ganz selten schafft einer der Amateure mal mehr als 70 Kilometer pro Stunde.

Nicht weit entfernt hat der Bayerische Handball-Verband einen kleinen Parcours aufgebaut, auf dem die Kids um Pylonen dribbeln können - bei der Gelegenheit merken viele, wie viel Fingerspitzengefühl nötig ist, damit ihnen der Ball nicht gleich meterweit wegspringt. Auf einer Leinwand können sie Zielwerfen üben, in verschiedenen Variationen, aus verschiedenen Positionen. Für jeden Treffer gibt es Punkte, am Ende eine Bestenliste. Ihren Spaß haben sie dann auch so gehabt.

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