Halbzeitbilanz:Inhaltlich gut, menschlich schwierig

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  • CSU und SPD regieren München gemeinsam seit dem 21. Mai 2014.
  • Zuvor hatte es ein Rot-Grünes Bündnis im Rathaus gegeben.
  • Bei ihrer Halbzeitbilanz gaben CSU und SPD an, auch 2020 zusammen regieren zu wollen.

Von Heiner Effern

Die Roten stimmten brav für einen Schwarzen, dann die Schwarzen für eine Rote. Schon an der für München ungewohnten Farbenlehre war abzusehen, dass die Wahl der Bürgermeister Josef Schmid (CSU) und Christine Strobl (SPD) an diesem 21. Mai 2014 eine politische Zeitenwende für die Stadt bedeutete. Nach 24 Jahren an der Regierung war Rot-Grün verschwunden. Die Genossen im Rathaus benötigten nach ihrer Wahlschlappe plötzlich einen neuen Partner, der mit 26 Stadträten sogar zwei Fraktionsmitglieder mehr hatte als sie selbst.

Die Freude darüber war einseitig: Die CSU hatte die heiß ersehnte Beteiligung an der Regierung erreicht, die SPD ihre deutliche Übermacht im Rathaus eingebüßt. Alles auf Null, so hatte der Wähler entschieden. Drei Jahre nach der ersten Stadtratssitzung haben sie nun gemeinsam die Hälfte der Wahlperiode absolviert. Klingt banal, ist aber nach den Giftspritzereien der vergangenen Monate ein wesentlicher Baustein der Halbzeit-Bilanz. Zu der gehört deshalb zwingend auch das mehr (CSU) oder minder (SPD) deutliche Bekenntnis, bis 2020 zusammen regieren zu wollen.

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Die SPD hatte für den Vorschlag des Zweiten Bürgermeisters nur Spott übrig. Doch im Münchner Rathaus und im Umland hat die Idee einige Befürworter.

Von Heiner Effern, Christian Krügel und Kassian Stroh

Die erste Hälfte ihrer Kooperation rieben sich CSU und SPD deutlich mehr menschlich als inhaltlich. Die Sacharbeit wurde immer wieder überlagert von der Rivalität an der Stadtspitze. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und sein Hauptkonkurrent im Wahlkampf, der jetzige Zweite Bürgermeister Josef Schmid, setzten ihren Wahlkampf bis zur Halbzeit der Legislaturperiode fort - mal offen, mal versteckt. Die ewige Rivalität liegt natürlich auch daran, dass die beiden Spitzenkandidaten direkt in die kommunalen Spitzenämter wechselten. Eine herablassende Bemerkung von Reiter da, eine Retoure von Schmid hier, für große Gefühle und kleine Gerüchte war stets gesorgt.

Bei den politischen Inhalten hatten die beiden Fraktionen eine deutlich günstigere Ausgangssituation. Rot-Grün hatte in den letzten Jahren eisern gespart, was zu einem Stau bei den Investitionen geführt hatte. Mit Folgen, die nicht nur am Zustand vieler Schulen deutlich zu spüren waren. Dafür lag eine lockere Milliarde auf dem Konto. Mit diesem Startkapital und einem Steuerrekord nach dem anderen starteten CSU und SPD zwei Superlative: das größte städtische Wohnbau- und Schulbauprogramm aller Zeiten. Sie beschlossen die Verlängerung der U-Bahnlinie fünf nach Pasing, den Tunnel an der Landshuter Allee und die Trambahn-Westtangente. Die Sanierung des Gasteigs und den Deckel für die S8 im Osten. Die großen Kompromisse erkaufte sich das Bündnis mit einem dreistelligen Millionenbetrag. Die kleinen Kompromisse erarbeiteten die Fachleute auf beiden Seiten oft geräuschlos. Die von den Linken in seiner Partei befürchtete soziale CSU-Kälte könne er nicht im Ansatz verspüren, sagt SPD-Oberbürgermeister Reiter.

Frost legte sich über die Fraktionen vor allem dann, wenn Entscheidungen übers Personal zu treffen waren. Einen ersten Minusrekord zeigte das Bündnisthermometer bei der Wahl des neuen Gesundheits- und Umweltreferenten. Die SPD wehrte sich Anfang 2015 erfolgreich gegen den von der CSU vorgeschlagenen Markus Hollemann (ÖDP), der zwei fundamentalchristlichen Vereinen angehörte. Die CSU nahm das zähneknirschend hin und fand schließlich die ihr nahestehende, parteilose Stephanie Jacobs. Revanchegelüste spielten eine Rolle, als die CSU ein Jahr später die Wiederwahl von SPD-Sozialreferentin Brigitte Meier verhinderte. Ausschlaggebend waren aber Fehler bei der Abrechnung von Kosten für Flüchtlinge und das dürftige Krisenmanagement danach. Dorothee Schiwy rückte schließlich im Sommer 2016 auf den Posten.

Bei der Vergabe der übrigen Ämter und Positionen vermieden SPD und CSU einen Kulturbruch in der Stadtpolitik. Wie schon unter Rot-Grün rückten einvernehmlich Kandidaten aus den eigenen Reihen als Referenten oder Geschäftsführer städtischer Gesellschaften nach, flankiert von natürlich rein objektiven Auswahlverfahren. Das sorgte für einen regen Personalwechsel in den beiden Regierungsfraktionen. Der wurde bei der CSU durch ein fatales Frühjahr 2016 noch verschärft. Sie verlor mit Georg Schlagbauer, der sich nach einer Rotlicht- und Drogen-Affäre aus der Politik zurückzog, einen ihrer Hoffnungsträger. Zwei ihrer Stadträte waren kurz davor zur Bayernpartei geflohen, der so geliebte Status der stärksten Fraktion war dahin. Mit je 24 Stadträten gehen CSU und SPD gleichstark in die zweite Halbzeit. Wie viele Gemeinsamkeiten sonst noch existieren, werden die kommenden drei Jahre zeigen.

© SZ vom 20.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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