Nachhaltig Bauen:Wenn die Baumaschine mit Frittierfett fährt

Lesezeit: 2 min

Weder Verbrennerkrach noch Dieselmief entwickelte die Glasfaser-Baustelle an der Hanauer/ Ecke Riessstraße: Maschinen und Baustellenfahrzeuge liefen mit Strom und Frittierfett. (Foto: Nibler Unternehmensgruppe)

Kann man Glasfaserkabel nachhaltig verlegen? Ja, hat eine Baufirma herausgefunden und bei ihrem Pilotprojekt in der Nähe des Olympia-Einkaufszentrums gut vier Tonnen CO₂ eingespart. Billig war das allerdings nicht.

Von Ulrike Steinbacher

Die Energiewende ist auf der Baustelle angekommen. Die Nibler GmbH Fernleitungsbau aus Obersendling, die seit 70 Jahren Kabel für Post, Bahn, Energieversorger und Kommunen verlegt, hat gerade ausprobiert, wie sich ein Bauvorhaben möglichst grün, sprich umweltfreundlich aufziehen lässt. Beim Pilotprojekt an der Hanauer Straße in der Nähe des Olympia-Einkaufszentrums in Moosach verlegten vier Arbeiter im Auftrag der euNetworks GmbH vier Wochen lang Glasfaserkabel. Zum Einsatz kamen elektronische Bagger, nachhaltiger Diesel und recyceltes Baumaterial. Zwischenfazit nach 580 Baustellenmetern: 4,3 Tonnen weniger Kohlendioxid-Emission als auf einer herkömmlichen Baustelle und etwa acht Prozent mehr Kosten.

"Grundsätzlich wird immer öfter von Kunden gefordert, dass Baustellen nachhaltig sind und dass auf den CO₂-Abdruck geachtet wird", sagt Max Müller von der Nibler-Unternehmenskommunikation. Also machte die Firma, die etwa 720 Mitarbeiter beschäftigt, einen ersten Versuch. Gearbeitet wurde mit einem elektronischen Mini-Bagger, einem elektronischen Lader sowie einer E-Rüttelplatte für die Bodenverdichtung und einem Elektrostampfer, allesamt Leihgeräte des Münchner Baumaschinenherstellers Wacker Neuson. Das Aufladen an einer mobilen Ladesäule mittags und nach Feierabend habe sich gut in die Arbeitsabläufe integrieren lassen, berichtet Müller. Und die Arbeiter seien mit Leistung und Lautstärke der Stromer sehr zufrieden gewesen.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Die Crew fuhr nach seinen Angaben mit einem elektrischen Bus zur Hanauer Straße, der Diesel für die beiden Baustellenfahrzeuge war kein Diesel, sondern HVO100, gewonnen aus zertifizierten Rest- und Abfallstoffen wie gebrauchtem Frittierfett sowie Pflanzen- und Speiseölen. Dieser garantiere laut Hersteller eine CO₂-Reduzierung um 90 Prozent, sagt der Pressesprecher. Auch die Deutsche Bahn verwende HVO100.

Müllers Fazit: "Es ist durchaus möglich, auch im Glasfaserbau Baustellen nachhaltig zu gestalten." Mit den Kabelschutzrohren des Wackersdorfer Herstellers Z.I.S. Spezialbaustoffe aus 100 Prozent Recyclingmaterial habe man etwa zwei Tonnen CO₂ eingespart, mit den elektrisch betriebenen Baugeräten 1,1 Tonnen und mit dem Spezial-Diesel 1,2 Tonnen.

Gut vier Tonnen Kohlendioxid - das ist laut CO₂-Rechner der Klimaschutzorganisation myclimate soviel wie ein Flug in der Business Class nach New York und wieder zurück oder ein Roundtrip in der Luxuslimousine von München bis zum Äquator. Für Deutschland insgesamt verzeichnet das Bundesumweltamt 2021 einen Ausstoß von gut 745 Millionen Tonnen Treibhausgasen. Knapp 90 Prozent davon war CO₂.

Den höheren Preis führt das Unternehmen etwa auf den Organisationsaufwand zurück

Dass die grüne Baustelle die Nibler GmbH um acht Prozent teurer kam als eine herkömmliche, führt Max Müller unter anderem auf den höheren Organisationsaufwand zurück, den so ein Pilotprojekt ohne eingespielte Abläufe mit sich bringe. Ansonsten habe man eben mit den Preisen und Preisschwankungen für Energie, Maschinen und Material zurechtkommen müssen. Recycelte Kabelschutzrohre seien manchmal sogar günstiger gewesen als gewöhnliche. Grundsätzlich sei aber "immer die Frage: Wer trägt die Kosten für nachhaltiges Arbeiten?"

Holger Seit von der Pressestelle des Landesverbands Bayerischer Bauinnungen stimmt da zu. Für grünes Bauen müsse die Gesellschaft wesentlich mehr Geld in die Hand nehmen als bisher. Seit warnt aber davor, sich ausschließlich auf den CO₂-Abdruck zu konzentrieren: "Die einzelnen Umweltziele sind nicht widerspruchsfrei." Wer zum Beispiel Kreislaufwirtschaft auf der Baustelle anstrebe, müsse in Kauf nehmen, dass recyceltes Material nicht komplett schadstofffrei sein könne. Im Tiefbau gebe es aber sehr strenge Grenzwerte für Schadstoffe. Auch wer Wasserschutz großschreibe, könne kaum mit Recycling-Baustoffen arbeiten. "Eine grüne Baustelle beruht auf Kompromissen", resümiert Seit. Und: "Es ist hervorragend, wenn man sehr viel probiert."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusWohnungen
:Flaute auf dem Münchner Immobilienmarkt

Die Haus- und Wohnungspreise sinken noch einmal um fünf bis acht Prozent. Doch Käufer kommen deshalb nicht unbedingt günstiger zum Eigenheim. Die Aussichten sind auch für Mieter düster.

Von Ulrike Steinbacher

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: