Trotz Blaulicht und Sirene:Rentner zwingt Feuerwehr zu Vollbremsung

Lesezeit: 2 min

Wenn die Feuerwehr im Einsatz ist, sollte man Platz machen, das weiß jedes Kind. Eigentlich. (Symbolbild.) (Foto: Friedrich Bungert)

Der 74-Jährige fand, die Feuerwehr sei zu schnell unterwegs, und erhielt einen Strafbefehl. Im Prozess vor dem Amtsgericht erwartete ihn nun aber eine Überraschung.

Von Andreas Salch

Arme und Beine auf die Straße zu strecken, um Feuerwehrfahrzeuge zum Bremsen zu zwingen - dieses Verhalten hat einen Rentner vor das Münchner Amtsgericht gebracht. Dass der 74-Jährige vielleicht dennoch straffrei ausgeht, hat er ausgerechnet der Feuerwehr zu verdanken. Denn in der Verhandlung vor einem Strafgericht des Amtsgerichts kehrte so etwas wie Weihnachtsfriede ein. Ob die angebotene Versöhnung zwischen den Parteien hält, muss sich aber erst noch herausstellen.

Dass die Fahrzeuge sich im Einsatz befinden und Blaulicht und Martinshorn eingeschaltet sind, interessierte den angeklagten Rentner nicht. So auch am 21. April vergangenen Jahres. Es war gegen 9 Uhr, als ein Fahrzeug der Feuerwehr in Unterschleißheim auf Einsatzfahrt war. Der Rentner war als Fußgänger unterwegs und machte, als er den Wagen herannahen sah, mit dem rechten Bein einen Ausfallschritt zur Straße hin und streckte zudem seinen rechten Arm aus. Der Fahrer des Feuerwehrfahrzeuges konnte nicht umhin, abrupt zu bremsen, und zwar so stark, dass sein Fahrzeug fast zum Stillstand kam.

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Die Quittung für sein Verhalten erhielt der Rentner in Form eines Strafbefehls über 600 Euro (30 Tagessätze à 20 Euro), in dem ihm die Behinderung von Einsatzkräften zur Last gelegt wurde. Dagegen legte er jedoch ein Einspruch ein, so dass es nun zum Prozess vor dem Amtsgericht kam. Auch für die Vorsitzende Richterin ein ganz und gar nicht alltäglicher Fall.

Bei seiner Vernehmung zeigte sich der 74-Jährige zunächst allerdings unbeirrt. Als er das Einsatzfahrzeug gehört habe, habe erst eine "Geste" gemacht, um zu signalisieren, dass der Fahrer nicht "so schnell fahren" solle. Auch auf die Straße sei er getreten, räumte der Senior ein, aber erst, "als das Feuerwehrfahrzeug, das seine Geschwindigkeit nicht verringerte, vorbeigefahren war". Behindert habe er niemanden, beteuerte der Rentner und fügte hinzu: "Das Fahrzeuge ist viel zu schnell gefahren - wahrscheinlich 100 km/h."

Der Chef der Freiwilligen Feuerwehr indes wies die Richterin darauf hin, dass der Angeklagte "schon häufiger" Einsatzfahrzeuge behindert habe, indem er Arm und Bein in die Fahrbahn gereckt habe. Aber nicht nur das. Der 74-Jährige habe dabei auch schon eine "Wischbewegung" in Richtung der Helfer gemacht oder ihnen einen Vogel gezeigt.

Dass die Einsatzfahrzeuge 100 Kilometer pro Stunde schnell fahren, stritt der Kommandant ab und merkte an, dass er sich nicht um Leute kümmere, die "ihm einen Vogel oder sonst was zeigen". Allerdings fände er es schade, wenn Passanten Feuerwehrautos im Einsatz zum Bremsen zwingen würden. Dann kam der Moment, als die Causa vor dem Amtsgericht eine unerwartete Wendung nahm. Der Kommandant zeigte sich trotz der Injurien des Rentners versöhnlich und bot an: "Man könnte sich mal zusammensetzen und darüber reden."

Diese Anregung griff die Richterin gerne auf und schlug einen Täter-Opfer-Ausgleich vor. Der Rentner, sein Verteidiger und auch der Vertreter der Staatsanwaltschaft stimmten zu. Statt des Strafbefehls über 600 Euro muss der 74-Jährige nurmehr eine Geldauflage in Höhe von 150 Euro an die Freiwillige Feuerwehr zahlen sowie an einem "Aufklärungsgespräch" mit den Mitgliedern der Wehr teilnehmen - wer weiß, vielleicht ja ganz versöhnlich bei einem Glas Glühwein. Sofern der Senior den Auflagen bis Mitte Januar nächsten Jahres nachkommt, wird das Verfahren endgültig eingestellt. (Aktenzeichen: 943 Cs 418 Js 156518/21)

In einer früheren Version des Textes hieß es, es habe sich um ein Einsatzfahrzeug der Feuerwehr Unterschleißheim gehandelt. Tatsächlich war es das Fahrzeug einer auswärtigen Feuerwehr, das in Unterschleißheim unterwegs war.

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