Gastronomie:Allergiker-Verordnung verärgert Wirte

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Nüsse, Erdbeeren, Milch: All diese Produkte können gesundheitsgefährlich sein für Allergiker. (Foto: dpa)
  • Eine neue Verordnung verlangt von Gastronomen, dass sie allergene Stoffe in Lebensmitteln ausweisen.
  • Restaurant-Besitzer und Caterer klagen über einen enormen bürokratischen Aufwand.
  • Das Kreisverwaltungsreferat überprüft, ob sich die Wirte an die neue Regelung halten. Strafen würden aber derzeit noch nicht verhängt, heißt es.

Von Franz Kotteder und Andreas Schubert, München

Erdnüsse, Kuhmilch, Sellerie und Senf - all das gehört angeblich in einen Schweizer Wurstsalat. Nur wissen das die wenigsten. Selbst jenen, die auf solche Stoffe allergisch reagieren, ist das oft unbekannt. Und weil diese Stoffe erhebliche Gesundheitsschäden mit sich bringen können, müssen sie inzwischen europaweit in Lebensmitteln ausgewiesen werden. Ein entsprechendes Bundesgesetz wird voraussichtlich im März beschlossen. Um den Vorgaben der EU zu entsprechen, gilt seit kurzem jedoch eine vorläufige Verordnung, die der Bundesrat noch im November eilig beschlossen hat.

Seit 13. Dezember müssen auch in offen verkauften Lebensmitteln allergene Inhaltsstoffe ausgewiesen werden. Während Verbraucherschützer über die neue Verordnung jubeln, fühlen sich Wirte gegängelt: Sie beschweren sich über den Aufwand, den das bedeutet. "Was uns hier abgefordert wird", sagt etwa der Vorsitzende des Münchner Hotel- und Gaststättenverbands, Conrad Mayer, "das ist eigentlich schon eines Studiums würdig, eine Lehre reicht da nicht mehr."

Die neue Vorschrift, die im Beamtendeutsch Lebensmittelinformationsverordnung heißt, gilt europaweit. Aufgeführt werden müssen 14 Stoffe, die 90 Prozent aller Lebensmittelunverträglichkeiten auslösen (siehe Kasten). Gabriela Tremp, Ernährungsreferentin bei der Verbraucherzentrale Bayern, begrüßt hingegen die Änderung. "Für die Konsumenten wird es mehr Klarheit geben bei der Herkunft von Lebensmitteln, bei Nährwerten, Allergenen oder Imitaten", teilt sie per Pressemeldung mit.

Ein Telefonbuch zur Fingerfood-Platte

Was für den Kunden gut ist, bedeutet für Gastronomen und Servicepersonal zusätzliche Arbeit. Und derzeit herrscht noch Verunsicherung, wie mit den Regeln umgegangen werden soll. Da die Vorschriften nicht nur für Restaurants gelten, sondern auch für Catering, muss ein Unternehmen auch bei Veranstaltungen die entsprechenden Informationen bereithalten, sprich: Für jede Sorte von Kanapees, jedes Süppchen, jeden Dip.

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Dirk Albrecht, Chef von Roland's Partyservice, ärgert sich. "Ein Irrsinn ist das", sagt er. "Wenn ich eine Fingerfood-Platte vorbereite, müsste ich ein Telefonbuch dazulegen. Ich bräuchte eine eigene Sekretärin, die ein halbes Jahr beschäftigt wäre, alles zu deklarieren." Die Kombinationen seiner Gerichte summierten sich auf Tausende Artikel, sagt Albrecht. Um auf Nummer sicher zu gehen, hat er nun eine neue Klausel in seine allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen. "Darin steht, dass in allen Gerichten alle Allergene und alle Zusatzstoffe enthalten sind", sagt Albrecht. "Ich kann mir doch nicht sicher sein, ob ich einen Inhaltsstoff vergessen habe zu deklarieren, dann kippt einer um und ich mache mich strafbar."

Auch Lorenz Stiftl, Wirt des Gasthauses Zum Spöckmeier und Vorsitzender des Vereins Münchner Innenstadtwirte, sieht die neue Vorschrift kritisch, genau wie seine Wirtskollegen. "Geschimpft haben sie alle", sagt er. "Was uns alles aufgebürdet wird, ist nicht mehr normal."

Noch dazu sei die Deklarationspflicht kurz vor Weihnachten gekommen, als Hochbetrieb herrschte. "Wir bekommen immer mehr Bürokratie, dabei fragt man sich, hat das überhaupt einen Sinn." Im Spöckmeier liegt eine gesonderte Karte aus, auf der alle Inhaltsstoffe einsehbar sind. Bisher habe aber noch kein Gast danach gefragt, so Stiftl. "Wenn einer eine Allergie hat, weiß er das meistens."

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Küchenchef Hans Jörg Bachmeier vom Restaurant Blauer Bock ist ungehalten über die neue Verordnung: "Da wirst du ja verrückt, wenn du das alles deklarieren musst." Die Katalogisierung sei mit immensem Arbeitsaufwand verbunden. Selbstverständlich werde er gerne Auskunft geben über etwaige allergene Stoffe. Bachmeier ist aber noch gespannt, wie das Gesetz in seiner endgültigen Fassung aussehen wird. Der Sinn der Verordnung erschließt sich ihm nicht ganz. "Es kann auch sein, dass jetzt Leute Allergien an sich entdecken, die ihnen vorher noch gar nicht bekannt waren", sagt er sarkastisch.

Das KVR will vorerst keine Strafen verhängen

Entspannter sieht man die Sache beim Gastro-Unternehmen Kuffler. Dort wurden leitende Mitarbeiter von einer externen Beratungsfirma geschult und Kuffler hat für jedes Gericht in den Restaurants ein Datenblatt erstellt, auf dem die verschiedenen Allergene abgedruckt sind. Ist eine der kennzeichnungspflichtigen Zutaten in einem Gericht enthalten, setzt der Koch ein Kreuz daneben. In den Lokalen liegen Ordner mit diesen Datenblättern aus.

Laut Kuffler-Sprecherin Christine da Silva ist das zwar Aufwand - aber er sei zu bewältigen. Dennoch sei es zusätzliche Arbeit. "Ein Küchenchef steht schließlich lieber am Herd, als sich mit Verwaltungsarbeit zu beschäftigten", sagt sie. "Aber irgendwann wird es jedem in Fleisch und Blut übergehen." Eine Einschränkung sieht sie aber. "Spontane Änderungen auf der Speisekarte sind nicht mehr so leicht möglich."

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Das Kreisverwaltungsreferat (KVR) überprüft, ob sich die Wirte an die neue Regelung halten. Strafen würden aber derzeit noch nicht verhängt, sagt KVR-Sprecherin Kristin Nettelnbrecher. Zunächst werde ermahnt und beraten. "Es muss sich erst mal alles einspielen", sagt sie. Dann werde man "über Sanktionsmöglichkeiten nachdenken".

© SZ vom 05.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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