641 Fälle bei München:Fußballtrainer missbrauchte jahrelang Jugendliche: Staatsanwaltschaft legt Revision ein

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Der angeklagte Fußballtrainer im Münchner Landgericht. (Foto: Lennart Preiss/dpa)

Vito L. verging sich über sechs Jahre hinweg an Jugendlichen und wurde zu einer Haftstrafe verurteilt. Doch auf eine Sicherungsverwahrung verzichtete das Gericht - die Staatsanwaltschaft ist anderer Meinung.

Von Susi Wimmer

Die Staatsanwaltschaft München I hat im Fall des wegen Vergewaltigung und sexueller Übergriffe verurteilten Fußballtrainers Vito L. (Name geändert) Revision beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe eingelegt. Wie die Behörde auf Anfrage der SZ erklärte, gehe es in ihrem Antrag um "die Anordnung einer Sicherungsverwahrung als Maßregel der Besserung und Sicherung". Diese hatte die Jugendkammer des Landgerichts München I in seinem Urteil nicht angeordnet.

Laut dem Gericht hatte der 47-jährige Mann über sechs Jahre hinweg bei einem Verein im Landkreis München insgesamt 25 Jugendliche vergewaltigt und sexuelle Übergriffe verübt. Als Trainer war Vito L. überaus beliebt bei den Nachwuchskickern, und er bot ihnen Physiotherapie zur Muskelentspannung an. Dazu holte er laut Urteil die Jugendlichen regelmäßig in eine Umkleidekabine. Dort hatte er eine Liege aufgestellt, die Türen wurden abgesperrt. Die meisten der Geschädigten hatten zuvor nie eine Physiotherapie erhalten - der Trainer redete ihnen ein, dass auch Manipulationen im Intimbereich die Durchblutung fördern würden.

Die Prozessbeteiligten kamen in einem Rechtsgespräch überein, dass der Angeklagte bei einem Geständnis zu nicht mehr als acht Jahren verurteilt werden sollte. Damit könne man den Geschädigten eine Aussage vor Gericht und eine Konfrontation mit dem Täter ersparen. Der Deal kam zustande. Zugleich aber gab das Gericht auch den rechtlichen Hinweis, dass eine Sicherungsverwahrung infrage käme. Die verhängte es aber im Urteil nicht.

Richter Stephan Kirchinger hob zwar hervor, dass der Angeklagte "einen Hang hat, diese Taten immer wieder zu begehen". Und: "Wir sehen auch die Gefährlichkeit des Angeklagten nach wie vor gegeben." Besonders auffällig sei zudem, dass er keine Erklärung zu seiner Motivation abgegeben habe. Denn einerseits ist der Angeklagte mit einer Frau verheiratet und Vater zweier Kinder, andererseits missbrauchte er männliche Jugendliche. "Wenn er nicht ehrlich zu sich selbst ist bezüglich seiner sexuellen Ausrichtung, ist eine Therapie wenig Erfolg versprechend", erläuterte Kirchinger. Trotz all dem kam die Kammer am Ende zu dem Schluss, dass der Angeklagte nach Verbüßung der ihm auferlegten Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten "nicht mehr gefährlich ist".

"Die Strafe ist viel zu niedrig", sagte einer der Geschädigten der SZ. "Es sind so viele Fälle und ich kenne so viel Leute mehr, denen das passiert ist." Auch die Staatsanwaltschaft war mit dem Richterspruch nicht einverstanden. Sie legte Revision ein. In der Hauptsache gehe es um die Sicherungsverwahrung, teilte Sprecherin Anne Leiding mit. Zudem habe man hilfsweise einen Antrag auf Vorbehalt der Sicherungsverwahrung gestellt. Das heißt, dass nach Verbüßung der Haftstrafe eine Verhängung der Sicherungsverwahrung noch einmal geprüft wird. Auch die Verteidigung hat gegen das Urteil Revision eingelegt.

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