Landtagswahl in Fürstenfeldbruck-West:Der Verteidiger

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Der 31-jährige Amir Sahuric fordert, dass seine Partei wieder mehr auf die Sorgen der sozial Benachteiligten eingeht. (Foto: Jana Islinger)

Als Anwalt setzt sich SPD-Kandidat Amir Sahuric für einen menschlichen Umgang mit Straftätern ein. Als Politiker möchte er denen eine Stimme geben, die in der Gesellschaft oft ungehört bleiben.

Von Florian J. Haamann, Landsberg am Lech

Im Leben von Amir Sahuric geht es gerade recht turbulent zu. Nicht nur, weil der 31-Jährige relativ unerwartet von seiner Partei, der SPD, zum Direktkandidaten für das Direktmandat im Wahlkreis Landsberg/Fürstenfeldbruck-West gewählt wurde. Sondern auch, weil er - quasi parallel - erst vor wenigen Monaten seine erste Stelle als Anwalt in einer Kanzlei angetreten hat. Sich dort in die Prozesse und Abläufe einzuarbeiten und gleichzeitig einen intensiven Wahlkampf zu führen, sei schon stressig. "Aber es macht auch richtig Spaß", sagt Sahuric.

"Politik hat mich immer interessiert, aber aufgrund meiner Staatsbürgerschaft durfte ich lange nicht wählen. Da hat sich bei mir eine Art Trotzreflex eingestellt: Wenn ich nicht wählen darf, mache ich auch nichts." Als er mit 25 die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen habe, sei für ihn klar gewesen, dass er auch partizipieren wolle. "Ich wusste auch, in welcher Partei", erzählt Sahuric. "Und gleich bei der ersten Mitgliederversammlung wurde ich zum Schriftführer des Ortsverbands gewählt - dem dankbarsten aller Posten", sagt er und lacht. Der Landsberger hat bosnische Wurzeln, seine Mutter war im neunten Monat schwanger, als der Krieg ausbrach. Über Slowenien und Österreich flüchtete sie nach Deutschland, wo er zur Welt kam.

Auch wegen seiner persönlichen Geschichte gehört die Chancengleichheit in der Bildung zu Sahurics wichtigsten politischen Themen. "Es ist statistisch einfach so, dass es Kinder aus sozial schwachen Schichten schwerer haben als Kinder aus 'besseren' Schichten. Der maßgebliche Faktor ist, in welche Familie man geboren wird. Und Glück ist eine ungerechte Sache." Deshalb müsse die Politik den Faktor Glück reduzieren. Etwa durch Einrichtungen, die benachteiligte Schülerinnen und Schüler gezielt von Anfang an begleiten.

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Überhaupt ist Gerechtigkeit ein Wort, dass Sahuric oft verwendet, egal um welches Thema es geht. In der Umweltpolitik etwa. "Das ist das Thema unser Generation, das kann niemand bestreiten. Aber wir müssen aufpassen, dass der Aufwand, den wir für den Wandel in der Klimapolitik brauchen, nicht die trifft, die ohnehin schon am wenigsten haben." Die großen Investitionen sollten seiner Ansicht nach die tragen, die die vergangenen 50 Jahre dafür genutzt hätten, "ihre Konzerne aufzubauen - und das auch konnten, weil sie das Thema Klimaschutz lange ignoriert haben".

Die Aufgabe der SPD sei es deshalb nicht, die Themen der Grünen zu übernehmen, sondern vielmehr darauf zu achten, dass diese wichtigen und richtigen Themen sozial umgesetzt werden. "Wir müssen schauen, dass die Menschen, die die SPD wählen, nicht die Leidtragenden sind. Das geht über alle Themen. Der soziale Aspekt ist mir enorm wichtig", erklärt Sahuric. "Ich glaube, dass im Landtag viele die Lebensrealität der meisten Menschen nicht verstehen."

Jurist ist ein Kindheitswunsch

Der Wunsch, Rechtsanwalt zu werden, sei schon in seiner Kindheit aufgekommen. Um ihn zu erreichen, hat sich Sahuric durch das komplette Bildungssystem gekämpft: Hauptschulabschluss, Realschule, Fachabitur, Studium in Augsburg. "Das Strafrecht ist meine große Leidenschaft, ich wollte schon immer Verteidiger werden." Es sei leicht, jemanden zu verurteilen, egal wofür. "Aber auch wenn jemand schlimme und schlimmste Sachen gemacht hat, darf man nie vergessen, dass er auch in diesem Moment noch Mensch ist. Ich bin der Meinung, wer den Beruf des Strafverteidigers nicht versteht, der versteht unsere Verfassung nicht. Der scheitert schon an Artikel 1."

Das Menschliche ist es auch, was der 31-Jährige am Wahlkampf schätzt. "Im Kontakt mit den Menschen hört man Dinge, über die man sich bisher noch nie Gedanken gemacht hat, das erweitert den persönlichen Horizont extrem - positiv wie negativ." Denn zu seinen Erfahrungen gehöre es auch, dass er wegen seines Namens angegangen werde. "Es ist schwer, mich zu beleidigen und ich habe ein dickes Fell was, das angeht." Aber ab und zu treffe es ihn schon. "Wir wollen etwas Gutes für die Gesellschaft, sind bemüht und stecken unsere Kraft rein und dann kommt jemand, der mir wegen "seines Blutes" überlegen sein will. Bei mir setzt dann so ein Jetzt-Erst-Recht-Reflex ein. Deswegen hoffe ich, dass ich die Möglichkeit bekomme, meine Stimme im Landtag einbringen zu dürfen".

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