Als Fußballer, damals, in seiner aktiven Zeit in Germering, sei er "der Zerstörer" gewesen, der Mann fürs Grobe vor der Abwehr. Eine Rolle, in der man sich den 34-jährigen Daniel Liebetruth nur schwer vorstellen kann, wenn er einem heute gegenüber sitzt, freundlich, Ruhe ausstrahlend, den obersten Knopf des weißen Hemds lässig geöffnet. Viel eher kann man mitgehen, wenn er sagt: "Ich bin ein Typ, der erst denkt und dann spricht." Einer also, der auch harte Zweikämpfe nicht scheut, dabei aber den Überblick behält und nichts überstürzt. Nicht das schlechteste Profil für einen, der sich wie Liebetruth als Direktkandidat für die SPD im Stimmkreis Fürstenfeldbruck-Ost um ein Landtagsmandat bewirbt.
Als erfahrener Kommunalpolitiker, Liebetruth ist Stadt- und Kreisrat und seit Mai einer von zwei SPD-Kreisvorsitzenden, weiß er wohl, dass es mit dem Direktmandat im Landkreis - vorsichtig ausgedrückt - schwer werden könnte. Er setzt deshalb im Wahlkampf nicht nur auf Erst- sondern vor allem auch auf die Zweitstimmen. Sollte die SPD auf ein Ergebnis gut über zehn Prozent kommen, hält es Liebetruth, der auf Platz 17 der Liste steht, durchaus für möglich, in den Landtag einziehen zu können.
Wahlkampf an der Haustür
Bei seinem Engagement geht es dem Gymnasiallehrer aber nicht nur um die Frage, ob er künftig im Landtag sitzt oder nicht, sondern um etwas Grundlegenderes. "Ich hatte nie den Plan, Politik zum Beruf zu machen. Ich liebe meinen Job und mache ihn gerne weiter, wenn es nicht klappt. Mein Ziel ist es deshalb auch, neue Mitglieder zu gewinnen. Der Wahlkampf ist eine Zeit, in der die Leute politisiert sind", sagt der gebürtige Germeringer. Um die Menschen zu erreichen hat er nicht nur eine zwölfteilige Ideenwerkstatt ins Leben gerufen, steht an Infoständen und S-Bahnhöfen. Vielmehr macht er auch ganz klassischen Haustürwahlkampf: Bei 5000 Menschen hat er in den vergangenen Wochen geklingelt, um persönlich mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Und auch den jüngeren Wählern macht er Angebote: mit einem eigenen Tiktok-Kanal und auf Instagram.
Wenn er über über den Zustand der Demokratie spricht, werden seine freundlichen Züge ernster, die Stimme energischer. "Die Grenze dessen, was gesagt werden kann, verschiebt sich immer weiter nach rechts. Ich befürchte immer mehr, dass wir hier amerikanische Verhältnisse schaffen, eine Spaltung, an deren Ende wir keine Diskussionsgrundlage mehr haben. Das macht mir Angst. Und es stärkt am Ende die AfD." Trotzdem hofft er, dass das durch die Aiwanger-Debatte nochmals aufgeheizte Klima für einige auch zum Weckruf werden könnte. "Ich wünsche mir, dass mehr Menschen in demokratische Parteien eintreten. Weil Demokratie nur von unten geht."
Soziale Fragen
Das erinnert an seinen persönlichen Weg in die Politik. Er ist vor etwa 14 Jahren in die SPD eingetreten. "Damals ging es los, dass die Kampagnen immer populistischer geworden sind. Das war der Moment, in dem ich gesagt habe, jetzt muss ich mich engagieren." Sich selbst beschreibt Liebetruth als sozialliberal und sozialökologisch. "Soziale Fragen sind mir wichtig. Und die SPD ist für mich die Partei, die das am glaubhaftesten vertritt. Natürlich bin ich nicht mit allem einverstanden, vielleicht mit 70 Prozent der Sachentscheidungen."
Die Bildungspolitik ist das große Thema des Latein-, Mathe-, Ethik- und Informatiklehrers am Max-Born-Gymnasium. Wie er seine Vorstellungen in einem Satz zusammenfassen würde? "Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen." Eigentlich brauche er aber noch einen zweiten Satz. "Es ist auch eine moralische Frage, dass jedes Kind die optimale Bildung bekommt." Das gehe schon bei der Digitalisierung los. "Wer ist es denn, der die Geräte anschaffen muss?" Am Ende gebe es dann Tablet-Klassen und Nicht-Tablet-Klassen, im besten Fall noch einige Leihgeräte der Schule. Natürlich brauche es auch mehr Lehrer und anderes Personal an Schulen, einen modernen Lehrplan und so vieles mehr. Durch seinen Job kennt er all die Baustellen aus der täglichen Praxis. "Auf der einen Seite haben wir heute wahrscheinlich so viele wohl behütete Kinder wie nie in der Geschichte. Und auf der anderen Seite so viele, die komplett auf sich alleine gestellt sind."